Der Bund der Energieverbraucher schätzt, dass bundesweit jedes Jahr etwa 800.000 Haushalten der Strom und 400.000 Haushalten das Gas gesperrt werden. Die Tendenz ist steigend.
Die explodierenden Energiekosten bringen immer mehr Verbraucher in die Bredouille. Doch wenn Kunden Preiserhöhungen nicht akzeptieren, drohen Versorgungsunternehmen schon mal damit, ihnen den Energiehahn abzudrehen. Werde unter Berufung auf fehlende Billigkeit gemäß § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Energierechnung gekürzt, dürfe das Energieunternehmen die Versorgung jedoch nicht einstellen und auch nicht damit drohen, betont der Bund der Energieverbraucher. Geregelt ist das in den Grundversorgungsverordnungen für Strom und Gas (§ 17 StromGVV und § 17 GasGVV).
Individuelle Lösungen möglich
Zulässig ist eine Versorgungssperre nach Angaben des Verbraucherbundes unter anderem dann, wenn Kunden mit mehr als 100 Euro im Zahlungsverzug sind, die Rechnung keine offensichtlichen Fehler enthält oder sie nicht wegen fehlender Billigkeit beanstandet wurde. Sperren sind nicht zulässig, wenn deren Folgen unverhältnismäßig wären, also zum Beispiel Kranke, Alte, Behinderte, Schwangere oder kinderreiche Familien betroffen wären oder eine baldige Aussicht auf Zahlung besteht.
Energieversorger müssen säumige Verbraucher zunächst schriftlich anmahnen. „Wenn Kunden eine Mahnung im Briefkasten haben, sollten sie erstmal das Gespräch mit uns suchen“, so Klaus Haschker, Sprecher der Berliner Gasag. Das würden viele leider nicht tun. „Dabei sind wir oft zu speziellen Zahlungsvereinbarungen wie Ratenzahlung bereit.“ Auch der Stromversorger Vattenfall bemüht sich nach eigenen Angaben immer um individuelle Lösungen.
Reagieren Verbraucher gar nicht, droht die Sperre. Die Gasag hat im letzten Jahr 4500 Kunden das Gas abgedreht, Vattenfall 21.400 Verbrauchern den Strom. Eine Sperre müssen die Energieversorger vier Wochen vorher androhen und drei Tage vorher nochmals konkret ankündigen.
Der Bund der Energieverbraucher rät dazu, bei unrechtmäßigen Sperren den Versorger schriftlich aufzufordern, zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Sperrandrohung unverzüglich zurückzunehmen. Zudem sollten die örtliche Verbraucherzentrale und die Landeskartellbehörde informiert werden. Bleibt der Versorger bei seiner Sperrdrohung, sollten Betroffene beim zuständigen Amtsgericht mit Hilfe eines Anwalts eine Einstweilige Verfügung beantragen. Kann man eine solche vorweisen, dürfe die Energieversorgung nicht gekappt werden.
Manchmal sind jedoch gar nicht die Mieter selbst mit den Zahlungen in Verzug geraten, sondern der Vermieter, etwa weil er insolvent ist. Das kann vor allem bei den Vorauszahlungen für Wasser und Fernwärme geschehen, die Mieter mit den Betriebskosten an den Eigentümer überweisen. „Wir suchen frühzeitig das Gespräch, wenn wir merken, dass der Kunde Zahlungsprobleme hat, und fast immer wird im Vorfeld eine Einigung mit den Hausbesitzern erzielt“, so Vattenfall-Sprecherin Barbara Meifert.
„Bei Abschaltungen informieren wir zudem vorab das zuständige Wohnungsaufsichtsamt und den Berliner Mieterverein.“ Die Versorger sind in der Regel bereit, die Sperre auszusetzen, wenn die betroffenen Hausbewohner sich zu einer Notgemeinschaft zusammenschließen. „In Mehrfamilienhäusern stellen wir deshalb so gut wie nie das Wasser ab“, bestätigt Eike Krüger, stellvertretender Sprecher der Berliner Wasserbetriebe.
Der Berliner Mieterverein hilft bei der Gründung solcher Notgemeinschaften und stellt entsprechende Musterschreiben mit rechtlichen Verweisen zur Verfügung. Sämtliche Mietparteien zahlen die Vorschüsse dann nicht mehr an den Vermieter, sondern direkt an den Versorger. Dafür sollten sie ein gemeinsames Sonderkonto oder eine Kasse einrichten. Betroffene Mieter sollten außerdem das zuständige Bezirksamt einschalten. Um eine Sperrung zu vermeiden, können die Bau- und Wohnungsaufsichtsämter die laufenden Kosten übernehmen. Sie treiben diese dann beim Vermieter ein und pfänden gegebenenfalls die Mieten. Sobald ein Insolvenzverwalter tätig wird, übernimmt er die Zahlung der Vorschüsse und die Versorger dürfen dann Wasser oder Fernwärme nicht mehr sperren.
Kristina Simons
MieterMagazin 10/09
Sperren müssen vom Versorger mit Vierwochenfrist angedroht und mit Dreitagesfrist angekündigt werden
Foto: Christian Muhrbeck
Über Wasser-, Gas-, Strom- und Fernwärmesperren wegen Zahlungsverzugs des Vermieters informiert das
BMV-Infoblatt Nr. 163,
erhältlich auch in der Hauptgeschäftsstelle des BMV.
Rat und Tat
Wenn der Vermieter nicht zahlt …
Im Fall einer vom Vermieter verschuldeten Versorgungssperre dürfen die Mieter das Mietverhältnis fristlos kündigen.
ks
11.06.2018