Der Bundesfinanzhof hat die Besteuerung von Boden und Gebäuden aufgrund veralteter Einheitswerte für verfassungswidrig erklärt. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll nun eine Reform der Grundsteuer erarbeiten. Da die Novelle auch im Zusammenhang mit der Gemeindefinanzreform steht, wird eine Erhöhung der Steuerlast befürchtet, die über die Betriebskosten auch die Mieter treffen würde.
Deutschlands oberste Steuerrichter mahnten in ihrem Urteil vom 30. Juni 2010 (Bundesfinanzhof, II R 60/ 08) eine steuerliche Neubewertung von Grund und Boden an. Die Verwendung der alten Einheitswerte sei nur noch bis zum 1. Januar 2007 verfassungsgemäß. Danach dürfe mit der bislang geltenden Regelung keine Bewertung mehr stattfinden. In den alten Bundesländern sind für die Bewertung die Einheitswerte von 1964 maßgeblich, in den neuen Bundesländern die von 1935. Die Richter sahen ohne Neubewertung das grundgesetzlich verankerte Gleichheitsgebot verletzt.
In der Vergangenheit sind schon mehrere Versuche zu einer Grundsteuerreform gescheitert. Auch jetzt sind die Voraussetzungen nicht günstig, denn unter den Bundesländern gibt es verschiedene Ziele und Modelle.
Die drei schwarz/gelb geführten Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Hessen wollen die Grundsteuer radikal vereinfachen. Statt einer Orientierung am Wert von Grundstück und Gebäude sollen nur die Flächen des Grundstücks und der darauf errichteten Gebäude maßgeblich sein. Allerdings gibt es auch für diesen Vorschlag noch technische Schwierigkeiten, weil notwendige Daten nicht erfasst ist.
Mehr Gerechtigkeit – mehr Aufwand
Von „sozial ungerecht“ bis „sozialistisch“ reichen die Kritiken an diesem sogenannten Südländermodell. Nicht ganz von der Hand zu weisen ist der Vorwurf, es sei eine Verschiebung der Steuerlast von Süd nach Nord geplant. Denn Nutznießer des Südländermodells seien die werthaltigen Einfamilienhäuser, von denen es bekanntermaßen im reicheren Süden mehr gibt als im Norden. Ungeklärt ist zudem, wie eine dauerhafte Ertragsminderung zum Beispiel durch Wohnungsleerstand berücksichtigt werden könnte.
Das Gegenmodell einer Arbeitsgruppe aus dem Norden und Osten (Berlin, Bremen, Niedersachsen, Sachsen und Schleswig-Holstein) setzt auf die Besteuerung von Verkehrswerten: Lage, Grundstücksgröße, Wohnfläche und Baujahr sollen mit den Vergleichsdaten der Gutachterausschüsse über die Boden- und Gebäudewerte verknüpft werden. Das sei zwar gerecht, aber aufwändig, heißt es bei den Kritikern des Nord-Modells. Die Spitzenverbände der Wohnungswirtschaft fordern wie der Deutsche Mieterbund, dass die Neuordnung der Grundsteuer in jedem Fall von der Gemeindefinanzreform getrennt wird. Das Debakel der kommunalen Finanzen sei vor allem auf das Wegbrechen der Gewerbesteuer zurückzuführen. Eine Sanierung der kommunalen Haushalte über die Grundsteuerreform lehnen Wohnungswirtschaft und Mieterorganisationen ab. Dafür gäbe es keine Berechtigung, heißt es auch beim Berliner Mieterverein (BMV). „Der kommunale Aufwand für Infrastrukturleistungen wie Gehwegbeleuchtung und Räumdienst ist nicht angestiegen“, erklärte BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Auch Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, hat Zweifel, ob sich die Grundsteuer für eine Sanierung der Kommunalfinanzen eignet.
Gleichwohl planen fast die Hälfte aller bundesdeutschen Kommunen eine Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes unabhängig von der Grundsteuerreform. Dies ergab eine Umfrage der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young unter 300 Kommunen.
mm
MieterMagazin 10/10
Auf welcher Bewertungsgrundlage wird künftig die Grundsteuer erhoben?
Foto: Christian Muhrbeck
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Reine Bodenwertsteuer?
„Eine reformierte Grundsteuer muss vor allem aufkommens- neutral sein, um die Mieter nicht noch mehr zu belasten“, erklärte der Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes Lukas Siebenkotten. Bei einem Betriebskostenanstieg würden die Refinanzierungs- möglichkeiten für dringend benötigte Investitionen in die energetische Gebäudesanierung deutlich verschlechtert, heißt es ergänzend beim Vermieterverband GdW. Der Deutsche Mieterbund setzt bei der Reform vor allem auf eine städtebauliche und umweltpolitische Lenkungswirkung. Am ehesten sei dies zu erwarten von einer reinen Bodenwertsteuer.
mm
09.05.2017