Nach dem Erfolg mit Umstrukturierungsverordnungen in der Grünen Stadt und an der Glaßbrennerstraße will die SPD im Bezirk Pankow nun auch an weiteren Standorten mit diesem Instrument eine sozialverträgliche Modernisierung sichern. Andere Bezirke tun sich schwer, das Erfolgsmodell zu übernehmen.
Anlässlich der massiven Umbaupläne für ein Ensemble von drei 60er-Jahre-Wohnhäusern am Wasserturm in Prenzlauer Berg wird wieder eine Umstrukturierungsverordnung gefordert. Pankow ist mit diesem Instrument der einsame Vorreiterbezirk.
Erstmals kam die Umstrukturierungssatzung in der Grünen Stadt zwischen Greifswalder und Kniprodestraße zum Einsatz. Die seinerzeit privatisierte Wohnungsbaugesellschaft GSW plante 2005, die lange vernachlässigte Siedlung umfassend zu modernisieren, was für viele Mieter eine glatte Verdoppelung ihrer Miete bedeutet hätte. In kurzer Zeit sind daraufhin ein Fünftel der Mieter ausgezogen.
Im März 2006 beschloss der Bezirk Pankow deshalb, eine Umstrukturierungsverordnung aufzustellen. Es war eine Premiere für Berlin und ganz Ostdeutschland, obwohl dieses Instrument schon seit 30 Jahren im Bundesbaugesetz geschlummert hatte.
In einem Sozialplan wurde festgeschrieben, wie hoch die Miete steigen darf, dass der Mieter die Wahl hat, zwischen- oder endumgesetzt zu werden und welche Ausstattung in der Wohnung realisiert werden soll. Der Sozialplan wurde von einer unabhängigen Mieterberatung ausgearbeitet und vom Eigentümer bezahlt. Nach Abschluss der Sanierung fällt die Bilanz für die Grüne Stadt positiv aus: Die Nettokaltmieten blieben durchweg unter 5 Euro pro Quadratmeter, die meisten Altmieter konnten wohnen bleiben. Im Frühjahr 2010 wurde ein zweites Mal eine solche Verordnung erlassen: Davon profitieren die 300 Mietparteien in zwei großen 30er-Jahre-Wohnblöcken beiderseits der Glaßbrennerstraße. Mit den Eigentümern, der städtischen Gewobag und einer privaten Immobiliengesellschaft, konnte sich der Bezirk einigen. Die Bauarbeiten sind im Gange.
Roland Schröder, Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV), nennt das Instrument „sehr erfolgreich“. Zunächst wollten die Eigentümer gegen die Verordnung klagen. „Heute sind sie froh, dass sie ihre Mieter behalten haben“, so der SPD-Verordnete Schröder.
Schnelle Eingriffe sind möglich
Die SPD in der BVV will deshalb noch mehr mit Umstrukturierungsverordnungen arbeiten. „Wir wollen aus der reagierenden Position heraus“, erklärt Roland Schröder. Statt den Bauvorhaben nachzueilen, wollen die Sozialdemokraten vorausschauend Umstrukturierungsverordnungen erlassen. So beantragten sie in der BVV, das Kissingenviertel und das Paracelsusviertel in Pankow unter diesen Schutz zu stellen. Darüber hinaus legten sie eine Liste von 78 kleinteiligen Standorten vor, an denen eine baldige Aufwertung zu erwarten sei. „So wird sichergestellt, dass der Bezirk Modernisierungsvorhaben rechtzeitig erfährt“, erläutert Roland Schröder. Um bei Bedarf den Mietern schnell zur Seite zu springen, könne frühzeitig eine Umstrukturierungsverordnung vorbereitet werden.
In anderen Bezirken teilt man die Begeisterung für das Instrument noch nicht. Für die Onkel-Tom-Siedlung hatte das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf im Jahr 2007 eine solche Satzung zwar diskutiert, die Idee letztlich jedoch verworfen. Roland Schröder beirrt das nicht: Auch beim Milieuschutz wollte zunächst kein Bezirk dem Beispiel Prenzlauer Bergs folgen. „Pankow ist mal wieder innovativer“, so Schröder.
Jens Sethmann
MieterMagazin 10/10
Der Bezirk Pankow hat inzwischen auch manchen Eigentümer von der Zweckmäßigkeit der Umstrukturierungsverordnung überzeugt
Foto: Jens Sethmann
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Einzige Bedingung: ein Sozialplan
Die Umstrukturierungssatzung ist ein selten angewandtes Instrument aus dem Baugesetzbuch (§ 172 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und § 172 Absatz 5 BauGB). Im Gebiet einer Umstrukturierungssatzung werden Baumaßnahmen nur genehmigt, wenn deren sozialverträglicher Ablauf durch einen Sozialplan (nach § 180 BauGB) gesichert ist. Umfangreiche und zeitaufwändige Voruntersuchungen, wie sie bei der Aufstellung von Milieuschutz- oder Sanierungsgebieten notwendig sind, können entfallen. Deshalb kann der Bezirk mit einer Umstrukturierungsverordnung schneller reagieren, wenn eine anstehende Modernisierung die Bewohner zu verdrängen droht.
js
31.05.2013