Der Pharma-Konzern Bayer hat seine Pläne zum Bau einer neuen Konzernzentrale im Bezirk Wedding auf Eis gelegt. Dennoch sollen die Mieter, deren Haus dem Neubau weichen sollte, ausziehen. Die Kündigungen und der Abriss des Hauses werden weiterverfolgt.
Ende September 2010 hatte die Bayer Health Care, vormals Bayer Schering, allen 20 Mietparteien des Altbaus Fennstraße 35-37/Am Nordhafen 1 gekündigt. Das Haus solle abgerissen werden, damit an seiner Stelle ein neues Verwaltungsgebäude mit Mitarbeiterrestaurant und Konferenzzentrum entstehen kann. Die Kündigungsbegründung, dem Pharma-Riesen entstünden durch die Fortsetzung der Mietverhältnisse erhebliche Nachteile, war schon damals umstritten.
Im Juli legte die Bayer AG überraschend ihre Pläne für den „PharmaCampus“ auf Eis. Angeblich wegen Einbußen durch die Gesundheitsreform und wegen der kostspieligen Markteinführung neuer Präparate werde das Bauprojekt für mindestens zwei Jahre zurückgestellt. Dennoch will das Unternehmen weiterhin die Kündigungen durchsetzen und das Wohnhaus beseitigen. „Das Haus steht im Baufeld – früher oder später wird es abgerissen“, sagt Bayer-Sprecherin Annette Wiedenbach. Über den Zeitplan machte sie keine Angaben. „Wir müssen uns erstmal mit den restlichen Mietern einigen.“
Die Aufgänge in der Fennstraße sind bereits leergezogen. Die Mieter wurden umgesetzt oder mit Geldbeträgen abgefunden. Am Nordhafen wohnen aber noch fünf Mietparteien, die sich nach wie vor entschlossen wehren. „Wir wollen hier wohnen bleiben“, sagt Gülay Bulcun, Sprecherin der Mieter. Rechtlich steht ihre Sache gut. „Die Begründung der Kündigungen ist hinfällig“, erklärt Mietrechtsanwalt Christoph Müller, der die Mieter betreut. Nach der Zurückstellung des Bauvorhabens gibt es keinen Grund mehr, warum die Mieter nicht weiterhin in dem gut erhaltenen Gebäude wohnen könnten. Doch Bayer bleibt hart. „Wir werden weiter schlecht behandelt“, sagt Gülay Bulcun. Den verbleibenden Bewohnern wurden Mieterhöhungen um 30 Prozent angedroht und der Abriss des Gebäudeteils an der Fennstraße für Oktober in Aussicht gestellt.
Jens Sethmann
MieterMagazin 10/11
Die letzten fünf Mieter bieten dem Pharma-Unternehmen die Stirn
Foto: Christian Muhrbeck
27.03.2013