Ein bemerkenswertes Urteil zur freien Meinungsäußerung fällte kürzlich das Landgericht Lübeck. Dass ein Mieter seinen ehemaligen Vermieter öffentlich mit drastischen Schimpfwörtern und heftigen Vorwürfen überzog, hielt das Gericht für zulässig. Ein großes Wohnungsunternehmen, so die Begründung, müsse sich auch polemische und überspitzte Kritik gefallen lassen.
Auf mehreren Internetseiten hatte der Mieter das Unternehmen „Prelios“ als „Sauverein“ bezeichnet und ihm Betrügereien und Abzocke vorgeworfen. Man müsse ihm das „kriminelle Handwerk“ legen, so der aufgebrachte Mieter, der mit seinem Ex-Vermieter wegen Betriebskostennachforderungen und der Rückzahlung der Kaution im Clinch liegt. Prelios wollte das nicht hinnehmen und beantragte eine einstweilige Verfügung. Die wurde abgewiesen (LG Lübeck vom 30. Juni 2011 – 6 O 133/11 -).
Zwar seien die Vorwürfe durchaus geeignet, die persönliche Ehre und das öffentliche Ansehen des Unternehmens zu verletzen. Die Abwägung mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung fiel jedoch zugunsten des Mieters aus. Das Gericht betonte, dass die Äußerungen nur im Kontext der Auseinandersetzung mit Prelios gesehen werden dürften. Erst wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund stehe, handele es sich um unzulässige Schmähkritik.
Frank Maciejewski vom Berliner Mieterverein warnt davor, dieses Einzelurteil als Freibrief für Beleidigungen des Vermieters zu verstehen. Kritik sei zwar erlaubt, etwa Protesttransparente am Haus mit dem Spruch „Wir bleiben alle!“. Doch nicht beweisbare Dinge über den Vermieter zu behaupten oder ihn öffentlich zu beleidigen berge ein hohes Prozessrisiko.
Zu beachten ist auch, dass die Sachlage bei privaten Einzeleigentümern völlig anders aussieht. Hier darf nicht einmal der Name des Vermieters öffentlich genannt werden.
Birgit Leiß
MieterMagazin 10/11
Wo hört der harmlose Protest auf? Das Landgericht Lübeck urteilte liberal
Foto: Sabine Münch
10.05.2017