Der Senat hat Anfang September das „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ beschlossen und gleichzeitig mit den Spitzen der sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften unterzeichnet. Darin werden die Mieterhöhungsmöglichkeiten eingeschränkt und ein Teil der Wohnungen Geringverdienern vorbehalten. Der Berliner Mieterverein (BMV) ist vom Ergebnis enttäuscht.
Stadtentwicklungssenator Michael Müller nennt das Mietenbündnis einen „wichtigen Schritt, damit wir für Berlin auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum erhalten können“. Die sechs städtischen Wohnungsunternehmen Degewo, Gewobag, Gesobau, Stadt und Land, Howoge und WBM sollen für ihre insgesamt 277.000 Wohnungen künftig die Regelungen umsetzen, die der Berliner Senat mit seiner Bundesratsinitiative zur Änderung des Mietrechts anstrebt: Statt 20 Prozent Mieterhöhung in drei Jahren sind nur noch 15 Prozent in vier Jahren zulässig und es werden nur noch neun statt elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete umgelegt.
Darüber hinaus wird innerhalb des S-Bahn-Rings jede zweite zu vermietende Wohnung an Mieter vergeben, die wegen ihres geringen Einkommens Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) haben. Außerhalb des Innenstadtrings geht jede dritte Wohnung an WBS-Berechtigte. Die Mieter müssen dazu keinen WBS beim Bezirksamt beantragen, es reicht ein Einkommensnachweis.
Eine Kappung fast ohne Wirkung
Zudem gilt für geringverdienende Mieter bei den landeseigenen Gesellschaften eine individuelle Höchstgrenze für die Mietbelastung. Wer mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete ausgeben muss, kann einen Antrag auf Kappung der Miete stellen. Dazu sind allerdings nur Mieter berechtigt, deren Wohnung eine bestimmte Größe nicht überschreitet und deren Einkommen unterhalb der bundesweit festgelegten Grenze für den WBS liegt. Diese ist um 40 Prozent niedriger als die Berliner WBS-Einkommensgrenze.
Für den Berliner Mieterverein (BMV) ist das Mietenbündnis enttäuschend. Insbesondere die Koppelung der Mieterhöhungen an das Haushaltsnettoeinkommen werde nicht zu einer Entlastung der Mieter führen. Einer Berechnung des BMV zufolge kommt ein geringverdienender Einpersonenhaushalt nur dann in den Genuss der Beschränkung, wenn seine Nettokaltmiete 6,60 Euro pro Quadratmeter beträgt. Einem Vierpersonenhaushalt werden sogar 8 Euro zugemutet. Diese Mieten liegen schon deutlich über den Werten des Mietspiegels. Ein „Unding“, dass Mieter mit den geringsten Einkommen so hohe Mieten bezahlen sollen.
Der Mieterverein kritisiert auch, dass sich die Belastungsgrenze an der Nettokaltmiete bemisst und Betriebskosten nicht berücksichtigt. Eine Nettokaltmietenbelastung von 30 Prozent des Einkommens entspricht einer Bruttokaltmietenbelastung von 36 bis 37 Prozent – der Berliner Durchschnitt beträgt etwa 24 Prozent – und einer Warmmietenbelastung von 42 bis 45 Prozent. „Es ist vollkommen unverständlich, warum Haushalte mit niedrigem Einkommen bei städtischen Wohnungsunternehmen eine deutlich höhere Mietbelastung ertragen sollen als der Berliner Durchschnitt“, kritisiert BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Diese Kappung sei „reine Augenwischerei“.
Unbefriedigend ist auch die Regelung zur Wohnungsvergabe an WBS-Berechtigte. Die Berliner Einkommensgrenzen sind so weit gefasst, dass rund zwei Drittel aller Haushalte als wohnberechtigt gelten.
Mit dem Abschluss des Bündnisses ist der im Januar verhängte Mieterhöhungsstopp aufgehoben. In den nächsten Wochen werden die Gesellschaften die seither zurückgehaltenen 50.000 bis 60.000 Mieterhöhungen nach einer Überprüfung an die Mieter verschicken. Zum Ausgleich der Mindereinnahmen stellt der Senat bis 2016 rund 100 Millionen Euro zur Verfügung.
Jens Sethmann
MieterMagazin 10/12
Die vom Senat mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften ausgehandelten Mieterleichterungen sind zum Teil Augenwischerei
Foto: Christian Muhrbeck
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Wohnungstausch und Neubau
Wenn ein Mieter sich verkleinern möchte, scheitert ein Umzug oft daran, dass eine kleinere Wohnung bei Neuanmietung ähnlich teuer ist wie die größere alte. Um dennoch große Wohnungen für Familien freizubekommen, soll man bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu gleichbleibenden Konditionen in eine kleinere Wohnungen wechseln können. Im Mietenbündnis ist dazu eine gemeinsame Tauschbörse vereinbart.
js
29.03.2013