Lange waren einheitliche Richtlinien für städtebauliche Verträge erwartet worden. Ende August hat Stadtentwicklungssenator Michael Müller sie als „Berliner Modell zur kooperativen Baulandentwicklung“ vorgestellt. Ob es damit gelingt, dass auch Leute mit schmalem Geldbeutel in die Neubauten einziehen können, bleibt vorerst offen.
Wo Wohnungen gebaut werden, kommen auf die öffentliche Hand Folgekosten zu: Das Baugrundstück muss mit öffentlichen Straßen erschlossen und an die Kanalisation angeschlossen werden, wegen des Einwohnerzuwachses werden mehr Kita- und Schulplätze benötigt. Über solche Fragen kann die Bezirksverwaltung mit dem Bauherrn einen sogenannten städtebaulichen Vertrag abschließen. Darin kann zum Beispiel stehen, dass der Investor eine Baugenehmigung nur dann bekommt, wenn er den Bau der Straße bezahlt oder eine Kita auf eigene Kosten baut und sie dem Bezirk unentgeltlich überlässt. Man kann Investoren auch abverlangen, dass sie einen bestimmten Teil der zu bauenden Wohnungen zu begrenzten Mieten oder an benachteiligte soziale Gruppen vergeben. Weil Inhalt und Umfang der städtebaulichen Verträge nirgends genau festgelegt sind, wussten die Bezirke in der Vergangenheit nicht, in welcher Größenordnung sie den Investoren Zugeständnisse abverlangen können. Als Friedrichshain-Kreuzberg 2013 für ein Bauprojekt an der Boxhagener Straße mit dem Investor „Bauwert“ einen zehnprozentigen Anteil verbilligter Wohnungen aushandelte, betrat der Bezirk quasi Neuland.
Mit den nun verkündeten einheitlichen Richtlinien will Stadtentwicklungssenator Michael Müller Transparenz schaffen, den Wohnungsbau beschleunigen und Investitionssicherheit bieten. Sein „Berliner Modell“ sieht vor, dass der Bauherr grundsätzlich sämtliche Aufwendungen, die dem Land Berlin entstehen, übernimmt. Dazu gehört in jedem Fall die Erschließung des Grundstücks sowie der zusätzliche Bedarf an Kindertagesstätten und Grundschulen.
Forderungen, das Instrument des städtebaulichen Vertrages auch für die Schaffung von dringend benötigten preiswerten Wohnungen zu nutzen, gibt es schon lange. Schließlich braucht Berlin in nächster Zeit jährlich 10.000 neue Wohnungen, eine öffentliche Förderung umfasst aber nur 1000 Sozialwohnungen. Investoren sollen nun in städtebaulichen Verträgen dazu verpflichtet werden, für 10 bis 33 Prozent ihrer geplanten Wohnungen Mietpreis- und Belegungsbindungen zu akzeptieren. „Damit tragen wir dem Bedürfnis nach durchmischten Quartieren Rechnung“, erklärt Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup von der Stadtentwicklungsverwaltung. Wie bei geförderten Wohnungen sollen die Mieten in den gebundenen Wohnungen anfangs zwischen 6,00 und 7,50 Euro pro Quadratmeter nettokalt liegen, im Schnitt bei 6,50 Euro. Nur Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins können einziehen. Die Bindungen laufen nach 20 Jahren aus.
Wie hoch ist der Mehrwert?
„Der Weg ist richtig, aber die Hürden sind hoch“, sagt Rainer Emenlauer. Der Stadtplaner vom Büro ProStadt hatte 2012 bei der Erarbeitung des Stadtentwicklungsplans Wohnen vorgeschlagen, städtebauliche Verträge für eine soziale Durchmischung von privaten Neubauvorhaben zu nutzen. Ein Knackpunkt bei der Anwendung ist die Wertermittlung. Eigentümer können nur in Höhe des planungsbedingten Mehrwerts in Anspruch genommen werden. Das ist der Betrag, um den das Grundstück wertvoller wird, wenn es von einer Brach- oder Industriefläche zum Wohngebiet erklärt wird. Diese Berechnung will der Senat auf Basis des Bodenrichtwerts durchführen. „Ich vermute, dass die Differenz nicht ausreichen wird, um das, was Berlin sich wünscht, umzusetzen“, sagt Emenlauer.
Jens Sethmann
MieterMagazin 10/14
Neuland: Für dieses Areal in Friedrichshain ließ sich der Bezirk den Bau von zehn Prozent preisgünstiger Wohnungen zusichern
Foto: Nils Richter
Rat und Tat
Nur mit Bebauungsplan
Nur bei großen Bauprojekten, bei denen die Aufstellung eines Bebauungsplans notwendig ist, wird man einen Anteil bezahlbarer Wohnungen mit einem städtebaulichen Vertrag durchsetzen können. Bei kleineren Wohnbau-vorhaben ohne Bebauungs-plan, über deren Zulässigkeit danach entschieden wird, ob sich das Gebäude in die Umgebung einfügt, gibt es keine solche Eingriffsmöglich-keit. Auf dieser Grundlage genehmigen die Bezirke aber auch zunehmend größere Bauvorhaben, weil sie sich den Verwaltungsaufwand für ein Bebauungsplanverfahren sparen wollen.
js
07.11.2014