Der Eigentümer der Wilhelmstraße 56-59 im Bezirk Mitte hat die letzten Mieter herausgekauft. Im November soll der Abriss beginnen, um Platz für einen Luxuswohnblock zu schaffen. Für die übrigen Plattenbau-Wohnhäuser an der Wilhelmstraße ist das ein fatales Signal.
Die Mieter hatten eine starke Stellung. Weil ihre Mietverträge unangreifbar waren, hätten sie den geplanten Abriss und teuren Neubau blockieren können. Um das letzte Dutzend der Bewohner zum Auszug zu bewegen, hat der Eigentümer dann aber tief in die Tasche gegriffen. Nach Informationen der Berliner Zeitung haben die letzten Mietparteien „weit mehr als 200.000 Euro“ erhalten. Den Mietern wurden auch Ersatzwohnungen in der Wilhelmstraße zu günstigen Mietkonditionen angeboten. Die Aussicht, weiter in einem fast leeren Haus zu wohnen, war aber nicht gerade verlockend, zumal der Eigentümer schon damit begonnen hatte, Fassadenplatten abzuschlagen und in den leeren Wohnungen Installationen herauszureißen. Bis 2018 soll nun hier ein luxuriöses „Palais“ mit 165 Wohnungen entstehen. Die günstigste möblierte Wohnungist für 490.000 Euro zu haben, die Kaltmiete wird 20 Euro pro Quadratmeter betragen.
Der Bezirk Mitte hätte den Abriss verhindern können, wenn er eine Erhaltungsverordnung erlassen hätte. Außerdem hätte er nach dem Zweckentfremdungsverbot den spekulativen Leerstand unterbinden können. Beides hat das Bezirksamt nicht getan. Es wird nun nicht nur ein gerade einmal 25 Jahre altes Wohnhaus mit 100 völlig intakten preiswerten Wohnungen vernichtet. Dasselbe droht auch den übrigen rund 1000 Plattenbauwohnungen in der Nachbarschaft. Der Eigentümer der Wilhelmstraße 56-59, das österreichische Familienunternehmen MDF, kündigte auf seiner Internetseite schon an: „Als Weiterentwicklung sind Wohn- und Geschäftshäuser in der näheren Umgebung geplant.“ Wenn das Bezirksamt vermeiden möchte, dass hier künftig nur noch Millionäre wohnen, muss es tätig werden.
Jens Sethmann
27.01.2017