Der Streit um die Vergabe des Berliner Gasnetzes geht weiter, auch wenn das Land Berlin eine weitere Schlappe einstecken musste. Ende August hat das Kammergericht wie zuvor das Landgericht Berlin negativ über die Rechtsfähigkeit des Landesbetriebes „Berlin Energie“ entschieden.
Zur Erinnerung: 2014 hatte „Berlin Energie“ die Konzession für den Betrieb des Berliner Gasnetzes erhalten. Die Gasag klagte, da sie Berlin Energie nicht als eigenständigen Bieter betrachtete (das MieterMagazin berichtete in seiner Ausgabe 7+8/15, Seite 11: „Fernwärme: Rekommunalisierung ade“). Das Kammergericht entschied nun, dass Berlin Energie ein nicht rechtsfähiges Werkzeug der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt mit begrenzter Aufgabenstellung und ohne eigenständige wirtschaftliche Tätigkeit sei. Zudem habe Berlin Energie im Vergabeverfahren lediglich eine „Platzhalterfunktion“, da nach erfolgter Vergabe ein Rechtsnachfolger der eigentliche Netzbetreiber werden soll. Der Streitbeitritt von Berlin Energie als Nebenintervenient wurde deshalb als unzulässig zurückgewiesen. Dass der Landesbetrieb um das Gasnetz bieten darf, schließt das Urteil allerdings nicht aus. Berlin Energie prüft zurzeit, „ob Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Kammergerichts eingelegt werden“. Die Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus. Weitere jahrelange Prozesse und selbst ein Scheitern der gesamten Konzessionsverfahren für die Strom- und Gasnetze ist nicht auszuschließen. Allein für das Verfahren über die Zulassung der Nebenintervention wurde ein Streitwert von 30 Millionen Euro festgesetzt. Auf die Steuerzahler kommen Prozesskosten in ungeahnter Höhe zu.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erklärt, an der Rekommunalisierung festzuhalten. Dr. Stefan Taschner, Sprecher des Berliner Energietisches: „Sollte die Rekommunalisierung noch gerettet werden, müssen die Verfahren wieder auf Anfang zurückgesetzt werden.“ Diese Meinung vertritt auch Jörg Stroedter, Vorsitzender der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“. Ob die Senatsverwaltung aus ihren Fehlern lernt und die Verantwortlichen für das Fiasko zur Rechenschaft zieht?
Oder wird sich der Senat mit Gasag, Vattenfall und E.ON außergerichtlich einigen, um die Netze als Partner zu betreiben? Hinter den Kulissen wird bereits verhandelt. Für den Kunden ändert sich vorerst nichts: Gas und Strom werden weiter fließen.
Rainer Bratfisch
30.09.2015