Hitzewellen wie in diesem Sommer werden uns durch den Klimawandel künftig immer häufiger begegnen. Mit jeder Hitzewelle steigen die Sterberaten stark an. Die Kommunen brauchen daher eine gute Anpassung an die neuen klimatischen Bedingungen. Dabei spielen auch stadtplanerische Maßnahmen eine große Rolle.
Hinter uns liegt einer der heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Für viele ein Grund zur Freude, bescherte uns Petrus doch wochenlang schönstes Freibadwetter. Die Hitze hat aber auch ihre Schattenseiten. Durch die große Trockenheit erwarten die Bauern schlechtere Ernten, die Schifffahrt musste auf vielen Flüssen wegen der extrem niedrigen Wasserstände eingestellt werden, starke Hitzegewitter haben vielerorts Schäden angerichtet. Vielen Menschen schlagen lange Hitzeperioden, wie wir sie im Juli und August erlebt haben, auf die Gesundheit. Besonders stark betroffen sind alte Menschen, chronisch Kranke und Kleinkinder. Aber auch bei gesunden Menschen kann Hitze zu Erschöpfung und eingeschränkter Leistungsfähigkeit führen. Die einschlägigen Tipps kennen wir alle: viel trinken, die direkte Sonne meiden, keine fetten und salzhaltigen Speisen oder Alkohol zu sich nehmen, Sport – wenn überhaupt – am frühen Morgen oder späten Abend treiben, Hitzewarnungen beachten.
Hitze fordert Todesopfer
Trotz dieser Ratschläge sind Hitzewellen für viele Menschen tödlich. Studien zeigen, dass besonders hilfsbedürftige und sozial isolierte Menschen betroffen sind. Dem „Jahrhundertsommer“ 2003 fielen europaweit bis zu 70.000 Menschen zum Opfer, einige Tausend davon in Deutschland. Gleichzeitig gilt der Sommer 2003 als Vorgeschmack auf die Wetterlagen, die uns künftig erwarten.
Das deckt sich auch mit einer aktuellen Studie des Bundesumweltministeriums, nach der bei fortschreitendem Klimawandel lange und starke Hitzewellen deutlich zunehmen werden. Falls eine gesundheitliche Anpassung an die neuen Extremwetterlagen nicht gelingt, könnte die hitzebedingte Sterblichkeit durch Herz-, Atemwegs- oder anderer Erkrankungen Ende des Jahrhunderts drei- bis fünfmal so hoch sein wie heute. Bereits zwischen 2000 und 2010 hat die Sterblichkeit in Deutschland während Hitzewellen um durchschnittlich 10 bis 15 Prozent zugenommen. Verschärft wird dieser Trend durch die demografische Entwicklung: Künftig wird es mehr alte und gebrechliche Menschen geben.
Wir werden in den kommenden Jahrzehnten immer mehr Hitzetage über 30 Grad erleben und sogenannte Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinkt. Gleichzeitig werden die Sommer immer trockener, der kühlende Regen verlagert sich zunehmend in die kälteren Monate. Gefragt sind Strategien, um sich optimal auf die veränderten klimatischen Bedingungen einzustellen – man spricht von „Klimaanpassungen“, im Gegensatz zum Klimaschutz, der vor allem darauf abzielt, Treibhausgase zu reduzieren und dadurch den Klimawandel zu verlangsamen.
Einerseits müssen besonders betroffene Personen gewarnt werden. Das geschieht durch Informations- und Aufklärungsarbeit, die bestenfalls individuelle Schutzmaßnahmen nach sich zieht, wie etwa mehr zu trinken. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat außerdem nach der Hitzewelle 2003 ein Frühwarnsystem entwickelt, das sich an die Gesundheitsbehörden der Bundesländer und an Alten- und Pflegeheime richtet. Zum anderen müssen sich Kommunen aber auch überlegen, welche Voraussetzungen sie schaffen können, damit so wenige Menschen wie möglich von der Hitze betroffen sind. Hier spielen stadtplanerische Aspekte eine große Rolle.
Städte sind besonders stark von extrem hohen Temperaturen betroffen. Sie bilden sogenannte „Wärmeinseln“: Dicht bebaute Gebiete und stärker versiegelte Gegenden heizen sich stärker auf als Frei- und Grünflächen. Asphalt und Beton speichern die Hitze und strahlen sie nachts ab, weswegen es auch in den Nachtstunden nicht ausreichend abkühlt. Es fehlt an ausgleichenden Kaltluftschneisen, und durch die dichte Bebauung herrscht weniger Wind. Das alles ist fatal für Kranke und Alte, die die Nachtkühle brauchen, um zu regenerieren.
Die vorsorgende Stadtentwicklung muss besonders betroffene Gebiete identifizieren. Dabei spielt eine Rolle, wie ein Stadtteil bebaut ist, wie viele Frei- und Grünflächen sowie Frischluftschneisen vorhanden sind und wie schnell Erholungsräume erreicht werden können. Vertreter unterschiedlicher Bereiche – des Gesundheitswesens, der Stadtplanung, des Bauwesens und so weiter – müssen zusammenarbeiten, um passende Maßnahmen zu planen und umzusetzen.
In Berlin, so prognostizieren Experten, sollen die Durchschnittstemperaturen bis 2050 um bis zu 2,5 Grad steigen. Fatal für die Bevölkerung, zumal die wachsende Stadt immer weiter verdichtet wird, was die Hitzeproblematik noch verstärkt. Einen Trumpf hat Berlin immerhin: Ältere Menschen leben eher in den weniger stark betroffenen Gebieten am Stadtrand, in zentralen Innenstadtlagen hingegen vor allem Jüngere, denen extreme Temperaturen weniger ausmachen.
Berlin hat 2011 den Stadtentwicklungsplan (StEP) Klima verabschiedet, einen Maßnahmenkatalog für planerische Anpassungen der Stadt an die veränderten klimatischen Bedingungen. Zu den Maßnahmen gehört, den Gebäudebestand hitzeangepasst umzubauen und die sogenannte „Albedo“, die Rückstrahlwirkung des Sonnenlichts, an entscheidenden Gebäudeteilen oder Flächen zu erhöhen. Bei Neubauten sollen Fassaden und Dächer verschattet und gekühlt werden. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Stadtgrün: Bäume und Gehölze sollen als Schattenspender erhalten und neu gepflanzt, Flächen entsiegelt, kleine Grün- und Freiflächen geschaffen, stadtklimatisch bedeutsame Wiesen zum Stadtraum hin geöffnet werden. Die Kaltluftentstehungsgebiete und -zuströme sollen gesichert und verbessert werden.
Lokale Initiative
Auch im kleineren Maßstab werden Klimaanpassungen vorgenommen. Das Projekt „KiezKlima“ will Maßnahmen im Berliner Brunnenviertel partizipativ entwickeln und umsetzen. Gemeinsam mit den Bewohnern des Kiezes wird untersucht, ob sich ihre Lebensrealität mit den klimatologischen Analysen deckt, die die Technische Universität für das Gebiet entwickelt hat. Und welche Veränderungen sich die Bewohner wünschen. „Wir haben festgestellt, dass viele noch gar nicht für das Thema sensibilisiert sind“, sagt Eva Wiesemann von der L.I.S.T. GmbH, die das Projekt mitbetreut. So hätten Bewohner auf die Frage nach ihren Strategien gegen die Hitze geantwortet, sie blieben dann einfach den ganzen Tag in der Wohnung. Eingeschränkt fühlten sie sich dadurch aber nicht. Aus dem Projekt sollen kleine Maßnahmen wie Neubepflanzungen oder helle Dächer, die stärker reflektieren, hervorgehen. Eine genauso große Rolle spielt es aber, die Anwohner für das Thema zu sensibilisieren und zu informieren. Das Wohnungsunternehmen Degewo, dem viele der Wohnungen im Gebiet gehören, unterstützt das Projekt und möchte die Ergebnisse auch auf andere Bau- und Sanierungsvorhaben übertragen.
Katharina Buri
Ist die überhitzte Wohnung ein Mietmangel?
Besonders Bewohner von Dachetagen beklagen Temperaturen von weit über 30 Grad in ihren Wohnungen. Ist eine starke Aufheizung über einen längeren Zeitraum, die auch nachts kaum nachlässt, ein Mietmangel oder höhere Gewalt?
Auf Nummer sicher geht, wer mit dem Vermieter bei Vertragsabschluss eine Temperatur-Höchstgrenze vereinbart, bis zu der sich Räume aufheizen dürfen. Gibt es keine solche, müssen zumindest die technischen Mindestanforderungen und geltenden Normen erfüllt sein, die zum Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung bestanden haben. Ein Mietmangel kann vorliegen, wenn die hohen Temperaturen nicht nur durch Außentemperaturen, sondern auch durch den Ausfall technischer Geräte (zum Beispiel einer Klimaanlage) entstehen. In diesem Fall liegt der Mangel nicht in der Mietsache, sondern im Ausfall von mit ihr verbundenen Einrichtungen. Saniert der Vermieter die Wohnung, darf er keinerlei Änderungen vornehmen, die eine Erwärmung zur Folge haben. Tut er dies trotzdem, so kann er verpflichtet werden, den ursprünglichen Zustand – zumindest im Ergebnis – wiederherzustellen. Auch der Nutzungszweck spielt eine Rolle: Werden Räume explizit als Geschäfts- und Büroräume vermietet, kann der Vermieter dazu verpflichtet werden, dafür zu sorgen, dass in diesen Räumen auch gearbeitet werden kann.
kb
Der Deutsche Wetterdienst hat mit „INKAS“, dem Informationsportal Klimaanpassung in Städten, ein interessantes Tool geschaffen: Für typische Bebauungsstrukturen kann man online die Auswirkungen verschiedener städtebaulicher Maßnahmen, die eine Überwärmung mindern sollen, ausprobieren und vergleichen. www.dwd.de/inkas
Weitere Informationen und aktuelle Termine zum Projekt „KiezKlima“ im Brunnenviertel sind zu finden unter www.kiezklima.de
07.07.2019