Es ist ein seltenes Bündnis: Der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Eigentümerverband Haus & Grund fordern gemeinsam eine mutigere Reform der Grunderwerbsteuer. Ziel ist, die Steuervermeidung durch Share Deals zu unterbinden.
Bei Immobiliengeschäften wird immer öfter die Zahlung der Grunderwerbsteuer mit Share Deals (Anteile-Handel) umgangen. Dabei wechseln nicht die Häuser und Grundstücke den Besitzer, sondern es werden Geschäftsanteile an eigens für die Immobilien gegründete Unternehmen verkauft. Wenn der Käufer bis knapp unter 95 Prozent der Anteile übernimmt, ist der ganze Handel steuerfrei. Die übrigen fünf Prozent müssen nur fünf Jahre bei einem anderen Besitzer bleiben. Werden nach dieser Frist die Restanteile übernommen, fällt ebenfalls keine Grunderwerbsteuer an. Normalerweise gehen bei jedem Immobilienverkauf je nach Bundesland 3,5 bis 6,5 Prozent des Kaufpreises an den Fiskus – Einnahmen, die der jeweiligen Kommune durch die Share Deals verloren gehen.
DMB und Haus & Grund mahnen nun eine Reform an. Vor einem Jahr hat die Bundesregierung einen Entwurf vorgelegt, über den sich SPD und CDU/CSU offenbar nicht einigen können. „Das ist fiskalpolitisch eine Katastrophe“, sagt DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. „Den Haushalten der Kommunen entgehen dringend benötigte Gelder.“ Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke: „Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit: Während ein privater Eigentümer für den Kauf seiner Immobilie eine fünfstellige Grunderwerbsteuer berappen muss, zahlen große Immobilienkonzerne gar nichts.“
Der bisherige Regierungsentwurf überzeugt weder die Mieter- noch die Eigentümerseite. Die Anteilsgrenze soll auf 90 Prozent abgesenkt und die Mindesthaltefrist auf zehn Jahre verlängert werden. „Eine stärkere Absenkung auf etwa 50 Prozent sowie eine Verlängerung der Haltefrist gelten als wesentlich effektiver, um die Spekulation mit Immobilien unattraktiver zu machen“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung.
Die Grunderwerbsteuer – nicht zu verwechseln mit der regelmäßig zu entrichtenden Grundsteuer – wird nur einmalig beim Kauf eines Grundstücks, eines Hauses oder einer Eigentumswohnung erhoben. Der Steuersatz liegt in Berlin seit 2014 bei 6 Prozent.
Die Berliner Finanzkasse hat im Jahr 2019 mehr als 1,46 Milliarden Euro an Grunderwerbsteuer eingenommen. Durch Share Deals gingen dem Finanzsenator schätzungsweise 100 Millionen Euro verloren. Bundesweit „vermeiden“ Immobilienhändler auf diese Weise jährlich rund eine Milliarde Euro an Steuern. Insgesamt haben die deutschen Finanzämter im letzten Jahr Grunderwerbsteuern in Höhe von knapp 15,8 Milliarden Euro vereinnahmt.
Jens Sethmann
22.09.2020