Als Folge des gescheiterten Mietendeckels hat man es beim Berliner Mieterverein immer häufiger mit Mieterhöhungsverlangen zu tun, die sich auf Vergleichswohnungen stützen. Für den Mieter ist da Vorsicht geboten, denn in aller Regel werden sehr teure Wohnungen herausgepickt. Was geht und was geht nicht?
Grundsätzlich steht es dem Vermieter frei, statt des Mietspiegels drei Vergleichswohnungen heranzuziehen. In der Praxis kam das bisher aber nicht sehr häufig vor, denn der Berliner Mietspiegel gilt als überlegenes Begründungsinstrument, weil er qualifiziert, das heißt nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt ist. Genau das wird dem Mietspiegel 2021 von Vermieterseite abgesprochen, da es sich bei ihm lediglich um eine Fortschreibung des Zahlenwerks von 2019 handelt.
Sebastian Bartels von der Geschäftsführung des Berliner Mietervereins (BMV) lag kürzlich der Fall einer 92-jährigen Dame vor, die von der Hausverwaltung R & W Living GmbH eine Mieterhöhung weit oberhalb des Oberwerts des Mietspiegels bekommen hatte und die nun völlig verunsichert war. In dem Schreiben waren nicht einmal – wie eigentlich vorgeschrieben – die entsprechenden Werte aus dem Mietspiegel angegeben. „Das Problem ist, dass sich viele Mieter von den teuren Vergleichswohnungen bluffen lassen und der Mieterhöhung vorschnell zustimmen“, so Bartels‘ Erfahrung. Dabei haben sie mit der tatsächlichen Vergleichsmiete nur wenig oder nichts zu tun. Kommt der Streit vor Gericht, kann der Richter den Mietspiegel heranziehen oder ein Sachverständigengutachten einholen. „Am Ende kommt fast immer ein Mietpreis heraus, der deutlich niedriger liegt“, so Bartels.
Doch welche Vergleichswohnungen darf der Vermieter überhaupt nehmen? Zunächst einmal müssen es mindestens drei sein. Sie dürfen auch aus dem Bestand des Vermieters stammen. Zudem müssen sie identifizierbar sein. Daher ist die genaue Adresse, das Stockwerk und gegebenenfalls der Name des aktuellen Mieters zu nennen. Die Wohnung muss nicht exakt gleich groß sein, deutliche Abweichungen darf es aber nicht geben. Auf jeden Fall muss der Quadratmeter-Preis genannt werden oder er muss sich aus der Gesamtmiete ergeben. Der häufigste Trick: es werden Wohnungen genannt, die gar nicht vermietet sind. Das ist nicht zulässig, wie BMV-Rechtsexperte Frank Maciejewski erklärt. Sinkt durch eine solche unzulässige Angabe die Zahl der Vergleichswohnungen auf unter drei, ist das Mieterhöhungsverlangen unwirksam.
Ganz allgemein, so Maciejewski, ist zu prüfen, ob die Wohnungen überhaupt vergleichbar sind hinsichtlich Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit, Lage und Mietzinsbegriff. Einige Beispiele:
• Eine Wohnung ohne richtiges Bad mit Duschkabine in der Küche kann nicht mit einer voll ausgestatteten Wohnung verglichen werden.
• Wenn der Mieter auf eigene Kosten eine Heizung anstelle der vorhandenen Kachelöfen eingebaut hat, muss angegeben werden, ob die Heizungen der Vergleichswohnungen vom Mieter oder Vermieter gestellt wurden (AG Spandau vom 4. Mai 2005 – 9 C 615/04).
• Teilgewerblich vermietete Vergleichswohnungen sind untauglich, wenn der Mietanteil für die Wohnraumnutzung nicht eindeutig erkennbar ist (LG Berlin vom 13. Februar 1995 – 62 S 383/94).
Das Prozessrisiko ist hoch
Keine Rolle spielt es, ob die Wohnung in Wedding oder in Dahlem liegt. Auch das Baualter ist nicht bedeutsam. Bei der geforderten und gezahlten Miete der Vergleichswohnung darf es sich sogar um einen Fall von Mietwucher handeln.
Da stellt sich die Frage: Was hat sich der Gesetzgeber dabei gedacht? Dem Vermieter wird sozusagen die Lizenz zum Bluffen erteilt – und leider fallen einige Mieter darauf herein. Dazu kommt: Das Prozessrisiko ist hoch, was für nicht-rechtsschutzversicherte Mieter ein Problem ist. Der Berliner Mieterverein fordert daher, die gesetzliche Möglichkeit der Vergleichswohnungen zu streichen und den Mietspiegel zu stärken. „Auf jeden Fall aber sollte es aus Gründen der Transparenz auch bei einfachen Mietspiegeln die Pflicht geben, das entsprechende Mietspiegelfeld zu benennen“, erklärt Sebastian Bartels.
Birgit Leiß
Rechtslage völlig offen
Existiert ein qualifizierter Mietspiegel, ist nach Paragraf 558 a Absatz 3 BGB eine Mieterhöhung formal unwirksam, wenn der Vermieter nicht auch die Mietwerte des entsprechenden Mietspiegelfeldes mitteilt (Ausnahme: Das entsprechende Feld ist ein Leer- oder Sternchenfeld). Ob das auch für den Berliner Mietspiegel 2021 gilt, müssen die Gerichte klären.
bl
22.09.2021