Berlins Bestand an Wohnungen für einkommensschwache Mieter schrumpft weiter. Nach Neukölln hat nun auch Tempelhof-Schöneberg beschlossen, befristet für ein Jahr, sämtliche Sozialwohnungen von der Belegungsbindung freizustellen. Das heißt, ab sofort ist dort für den Bezug kein Wohnberechtigungsschein (WBS) mehr notwendig.
Ob die Bezirke das überhaupt eigenmächtig dürfen, ist umstritten. Die Senatsverwaltung lässt das derzeit prüfen. Dort hält man die Belegungsbindung nach wie vor für sinnvoll, um bedürftige Mieter mit Wohnraum zu versorgen. In Tempelhof-Schöneberg will man mit dem Vorstoß der sozialen Entmischung entgegenwirken und die Attraktivität der Wohnanlagen steigern: „Derzeit werden WBS-gebundene Wohnungen praktisch nur noch von Haushalten mit Transfereinkommen bezogen“, sagt Sozialstadtrat Bernd Krömer. Die Wohnungsunternehmen sollten verstärkt die Möglichkeit erhalten, die soziale Mieterstruktur in den Quartieren zu steuern.
Derzeit sind bereits alle Berliner Großsiedlungen von der Belegungsbindung befreit. Darüber hinaus kann für einzelne Objekte die Freistellung beantragt werden. Das sei ein zu hoher bürokratischer Aufwand, heißt es in Tempelhof-Schöneberg. Außerdem gebe es auf dem Wohnungsmarkt ein großes Angebot an vergleichbarem Wohnraum außerhalb des Sozialen Wohnungsbaus, so Krömer.
Doch nicht alle Bezirke sehen das so. „Es ist sinnvoll, solche Kontrollmöglichkeiten zu behalten, gerade wenn demnächst zahlreiche Hartz-IV-Haushalte umziehen müssen“, meint der Sozialstadtrat von Reinickendorf, Frank Balzer (CDU). Eine Aufhebung der Belegungsbindung sei daher nicht geplant. Ähnlich sieht es der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg: „Ich bin zudem der altmodischen Auffassung, dass für eine öffentliche Förderung auch Gegenleistungen erbracht werden müssen“, so Dr. Franz Schulz (Bündnis 90/Die Grünen).
Birgit Leiß
MieterMagazin 11/05
Erst Großsiedlungen und Problemkieze – jetzt ganze Bezirke: Immer mehr Belegungsbindungen fallen weg (hier: Gropiusstadt in Neukölln)
Foto: Christian Muhrbeck
01.08.2013