Die Mieten ziehen wieder kräftiger an. Trotz rund 100.000 leer stehender Wohnungen und verbreiteten Glaubens an einen entspannten Markt zeigt die Mietenentwicklung nun einen gegenläufigen Trend. Die Mieten stiegen laut Senatsverwaltung um 5,9 Prozent in zweieinhalb Jahren, deutlich mehr als die Kosten für Lebenshaltung.
Rund 75 bis 78 Prozent aller Mietwerte im neuen Mietspiegel entstammen bestehenden Mietverhältnissen. Nur etwa ein Fünftel der Mietwerte kommt aus neuen Vertragsabschlüssen, die den unmittelbaren Wohnungsmarkt und damit das Verhältnis von Angebot und Nachfrage abbilden. Wie schon 2003 hat der Senat auch beim Mietspiegel 2005 wieder so genannte 4/5-Spannen ausgewiesen. Der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, wirft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung deshalb vor, erneut einen „Vermieter-Mietspiegel“ erstellt zu haben, weil wiederum völlig unnötigerweise Erhöhungsspielräume für Vermieter geschaffen wurden, die sich im nächsten Mietspiegel 2007 niederschlagen werden. Der Berliner Mieterverein und die anderen Mieterorganisationen tragen daher den Mietspiegel 2005 nicht mit.
Der Berliner Mietspiegel 2005 weist im Vergleich zum Mietspiegel 2003 in der weit überwiegenden Zahl der Mietspiegelfelder zum Teil deutliche Steigerungen aus. Laut einer Mitteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung stiegen die Mieten in 71 Feldern überdurchschnittlich um mehr als 7 Prozent, in 10 Feldern um 5 bis 7 Prozent und in 33 Feldern um bis zu 5 Prozent. In 44 Feldern des Mietspiegels sinken die Mieten um 5 Prozent und mehr, in 25 Feldern bis zu 5 Prozent. Den 69 Feldern mit sinkenden Durchschnittsmieten stehen nunmehr fast doppelt so viele, nämlich 114 Felder, mit einer Steigerung gegenüber. Gerade in den Feldern mit großer Grundgesamtheit ist ein besonders hoher Mietanstieg zu verzeichnen.
Die Mittelwerte der Baujahrgänge bis 1918 liegen bei 4,50 bis 5 Euro pro Quadratmeter und Monat, die Oberwerte im Durchschnitt noch einmal 1,50 Euro darüber. Zuzüglich kalter Betriebskosten von im Schnitt 1,63 Euro pro Quadratmeter und Monat und warmer Betriebskosten von 0,75 Euro liegt man bei rund 7,20 bis 7,35 Euro, was für eine 80 Quadratmeter große Altbauwohnung knapp 600 Euro bedeutet. Weicht der Standard nach oben ab und sind höhere Betriebskosten zu zahlen, liegt die Miete bei 8,85 Euro beziehungsweise 10,25 Euro, was bei 80 Quadratmeter 708 Euro beziehungsweise 820 Euro Warmmiete bedeutet.
Gegenläufige Entwicklung in Ost und West
Bei den Altbauten bis 1918 sind die Mieten laut Senatsangabe im Ostteil um 7,4 Prozent, im Westteil um nur 2,7 Prozent gestiegen. Die Senatsangaben sind wenig aussagekräftig, denn ein Vergleich der Durchschnittswerte von Ost beziehungsweise West im Jahre 2003 wurde nur zum gemeinsamen Eckwert von Ost und West im Jahre 2005 vorgenommen. Deshalb wurde dieser Bewertung eine andere Berechnung gegenübergestellt. Betrachtet man die Änderungen der einzelnen Mietspiegelfelder für Ost und West getrennt und gewichtet diese nach der wenig geänderten Grundgesamtheit von 2003, so zeichnet sich ein anderes Bild ab. Bei den Vollstandardwohnungen ergibt sich für den Ostteil der Stadt (82.700 Wohnungen) im Durchschnitt eine Senkung von 4,39 Prozent, im Westteil hingegen für rund 203.000 Wohnungen ein Anstieg von 6,21 Prozent. Diese gegenläufige Tendenz bestätigt sich auch bei den Teilstandardwohnungen: Im Westen bei rund 36.900 Wohnungen im Schnitt eine Erhöhung von 4,5 Prozent, im Osten bei rund 42.700 Wohnungen eine Senkung von 0,96 Prozent.
Bei den Vollstandardwohnungen fallen vor allem zwei Tendenzen auf: Bei insgesamt kräftigem Anstieg im Westen sinken die Mieten bei kleinen Altbauwohnungen, und zwar zwischen 3 und 12 Prozent je nach Mietspiegelfeld. Da aber nur noch etwas mehr als 3 Prozent aller Altbauwohnungen Kleinwohnungen sind, spielt diese Tendenz bei der Gesamtbewertung für die Altbauten im Westen kaum eine Rolle. Im Osten ist die Entwicklung stark von der Wohnlage abhängig. In guter und mittlerer Lage steigen die Mieten, in einfacher Wohnlage sinken sie zum Teil erheblich, bis zu 14 Prozent bei großen Wohnungen. Diese Senkungen schlagen für die Gesamtbewertung massiv zu Buche, weil sich knapp 55 Prozent aller Altbauten in einfacher Wohnlage befinden. Im Schnitt zahlen Ost- und Westmieter in Altbauten nach dem Mietspiegel 2005 4,22 Euro pro Quadratmeter im Monat.
Teuer wird billiger, billig wird teurer
Eher unerwartet ist der weiterhin deutliche Anstieg auch bei den Mieten der jüngeren Altbauten, der Zwischenkriegsbauten. Laut Senat stiegen die Mieten in Ost und West um 9,3 Prozent auf ebenfalls 4,22 Euro pro Quadratmeter monatlich. Die differenzierte Betrachtung nach Ost und West sowie Voll- und Teilstandard zeigt folgende Entwicklung: Bei normal ausgestatteten Wohnungen im Osten stiegen die Mieten von etwa 50.000 Wohnungen um im Schnitt 3,07 Prozent, im Westen bei rund 103.000 Wohnungen um etwas mehr als 11 Prozent. Ein erheblicher Teil dieser Wohnungen liegt in einfacher Wohnlage. Dennoch wurden wohl auch hier in erheblichem Umfang mietpreistreibende Modernisierungen durchgeführt. Drastisch gestiegen sind die Mieten bei den großen Wohnungen über 90 Quadratmeter Wohnfläche in einfacher Lage: um 20 Prozent auf nunmehr 4,55 Euro pro Quadratmeter nettokalt im Monat. Bei den Teilstandardwohnungen der Zwischenkriegsjahre stiegen die Mieten im Osten um 2,69 Prozent, im Westen um 2,98 Prozent.
Günstiger Plattenbau
Die Mietenentwicklung ist in den nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Gebäuden sehr unterschiedlich. Teurere Bestände werden billiger und preiswerte Wohnungen aus der Nachkriegszeit werden teurer. Die Mietpreise im Neubau kommen sich entgegen. Aber es verbleibt zwischen den Bauten der 50er und 60er Jahre und den neueren Wohnungen ab Baujahr 1985 immer noch eine Differenz von 2 bis 3 Euro pro Quadratmeter nettokalt im Monat. Allerdings sind im Westteil die Baujahrgänge 1984 bis 1990 schon teurer als die ganz neuen Wohnungen aus den Jahrgängen 1991 bis 2003, sie liegen im Mittelwert zwischen 6,50 und 7,90 Euro, die neuesten Gebäude hingegen zwischen 6,20 und 7,70 Euro pro Quadratmeter und Monat. Bei den Veränderungen zeichnet sich folgendes Bild ab: In der Baujahresklasse 1950 bis 1955 stiegen die Mieten im Osten für rund 21.000 Wohnungen im Schnitt um 6,29 Prozent, im Westen für rund 62100 Wohnungen um 11,02 Prozent. In den Baujahrgängen 1956 bis 1964 fällt der Anstieg deutlich geringer aus, im Osten steigen die Mieten für rund 44.000 Wohnungen im Schnitt nur 0,13 Prozent – also eher eine Stagnation – während im Westteil für rund 96.000 Wohnungen noch ein Anstieg von 6,73 Prozent im Schnitt ermittelt wurde. Für die Baujahrgänge 1965 bis 1972 zeigt sich eine andere Entwicklung in Ost und West: Im Westen sinken für etwa 28.000 Wohnungen die Mieten im Schnitt um 12,07 Prozent, im Osten dagegen steigen sie um 10,53 Prozent. Trotz deutlichem Angebotsüberhang bei den Plattenbauten sind aber auch in den Baujahrgängen 1973 bis 1990 die Mieten wiederum kräftig gestiegen, und zwar über alle Wohnlagen und Wohnungsgrößen hinweg für rund 207.000 Wohnungen im Schnitt um circa 11 Prozent. Trotz gegenteiliger Entwicklung im Westen sind die Mieten der Plattenbauten aber immer noch mehr als 2,50 Euro pro Quadratmeter im Monat niedriger als die Mieten der gleichen Baujahre im Westen, bei überwiegend besserem Modernisierungsstand.
Bei den jüngsten Neubauten zeigt sich wiederum eine einheitliche Entwicklung in Ost und West: Rückgänge um 10,48 Prozent im Osten und 6,11 Prozent im Westen.
Nach Wohnlagen differenziert haben sich die Mieten offenbar weitgehend marktgerecht entwickelt: Die durchschnittlichen Mieten betragen in einfacher Wohnlage über alle Baujahrgänge 4,23 Euro pro Quadratmeter und Monat, in mittlerer Wohnlage 4,61 und in guter Wohnlage 4,94. Bei den Wohnungsgrößen zeigt sich eine besondere Nachfrage und Zahlungsbereitschaft für Wohnungen über 90 Quadratmeter. Hier werden im Schnitt 4,57 Euro gezahlt, mehr als bei den Wohnungen von 40 bis 60 Quadratmetern (4,45 Euro) und denen mit 60 bis 90 Quadratmetern (4,46 Euro pro Quadratmeter).
Rund drei Viertel der ermittelten Mietwerte sind Mietänderungen bei bestehenden Mietverhältnissen, neue Vertragsabschlüsse fließen nur zu etwa einem Viertel ein. Nach Auffassung des Berliner Mietervereins ist neben den Modernisierungen aber auch die Ausschöpfung der Mieterhöhungsspielräume für den deutlichen Mietpreisanstieg verantwortlich. Damit scheint der Einfluss des durch erheblichen Wohnungsleerstand gekennzeichneten Wohnungsmarktes auf das Mietniveau weniger bedeutsam als gemeinhin angenommen. Außerdem wird deutlich, dass eine steigende Zahl privatisierter Wohnungen aus öffentlichem Vermögen die Mietpreiserhöhungen stützt.
Reiner Wild
MieterMagazin 11/05
Deutlich über den sonstigen Lebenshaltungskosten: der Anstieg
der Mieten in Berlin
Foto: Rolf Schulten
01.08.2013