Als vor zwei Jahren mit dem Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee ein erfahrener Kommunalpolitiker Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wurde, gab es Hoffnung, dass Fragen des Wohnens und der Stadtentwicklung in Deutschland wieder stärkeres Gewicht bekommen. Doch der Minister schweigt zu wichtigen Fragen der Bau- und Wohnungspolitik.
Seitdem 1998 das Bauministerium mit dem Verkehrsministerium zusammengelegt wurde, ist es zu dessen unbedeutendem Anhängsel verkümmert. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wird folgerichtig meist bloß Verkehrsministerium genannt. Die Minister, die den Posten in schnellem Wechsel besetzten – Franz Müntefering, Reinhard Klimmt, Kurt Bodewig, Manfred Stolpe (alle SPD) -, profilierten sich hauptsächlich als Verkehrsminister: Transrapid, Lkw-Maut und Bahnprivatisierung waren die Themen, mit denen sie sich vorrangig beschäftigten.
Mit Wolfgang Tiefensees Amtsübernahme gab es 2005 die Hoffnung, dass sich das ändern könnte. Als Kommunalpolitiker kannte er die Probleme der Städte aus der Nähe. Tiefensee war nach 1990 in Politik und Verwaltung der Stadt Leipzig engagiert, 1998 wurde er zum Oberbürgermeister gewählt. Erfolge bei der Ansiedlung großer Industriebetriebe und dem Ausbau des Leipziger Flughafens machten ihn populär. Die Unregelmäßigkeiten bei der Leipziger Bewerbung um die Olympischen Spiele, die schließlich im Fiasko endete, konnten Tiefensee nichts anhaben. Der Oberbürgermeister zeigte sich sehr lokalverbunden und widerstand allen Angeboten, ins Kabinett Schröder oder in die sächsische Landespolitik zu wechseln. Doch 2005 änderte Tiefensee seine Meinung und ging nach Berlin.
Die wichtigsten Impulse, die von der großen Koalition im Bereich Bauen und Wohnen ausgingen, kamen dennoch nicht vom zuständigen Minister, sondern von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD): die überfällige Abschaffung der landschaftsfressenden Eigenheimzulage und die Kappung der verkehrserzeugenden Pendlerpauschale. Das Thema Klimaschutz hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schon längst zur Chefsache gemacht.
Aus dem Hause Tiefensee kam zwar das Gebäudesanierungsprogramm zur CO2-Einsparung, das aber nicht nur nach Ansicht des Deutschen Mieterbundes (DMB) unzureichend ist. Beim Energieausweis für Gebäude beugte Tiefensee sich den Interessen der Hauseigentümer und ließ einen untauglichen Kompromiss mit Wahlmöglichkeiten zwischen einem Bedarfs- und einem Verbrauchsausweis Gesetz werden. Dabei soll die Energieeffizienz mit einer wenig praktikablen Farbskala dargestellt werden.
Auch die längst fällige Erhöhung des Wohngeldes lässt Tiefensee versanden. Der DMB fordert eine Erhöhung um mindestens 15 Prozent und eine Erweiterung des Bezieherkreises. Der Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung macht die Berechtigung dieser Forderung deutlich. „Der Bauminister nimmt seinen eigenen Bericht nicht ernst“, kritisiert Reiner Wild, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins.
Gut für Renommierprojekte
Doch auch auf dem Verkehrssektor zeigt sich der Minister schwach. So ist er bei der Bahnprivatisierung vor den Forderungen von Bahnchef Hartmut Mehdorn eingeknickt. Stattdessen versucht Tiefensee, mit plakativen Großprojekten wie dem Bau einer Fehmarnbelt-Brücke Renommee zu erlangen. „Tiefensee versteht sich in erster Linie als Verkehrsminister und überlässt die bau- und wohnungspolitischen Themen seinen Staatssekretären“, fasst Reiner Wild vom Berliner Mieterverein zusammen.
Jens Sethmann
MieterMagazin 11/07
Der Bauminister, der keiner ist: Wolfgang Tiefensee bei einem Besuch in Marzahn
Foto: Jens Sethmann
Schatten über Leipzig?
Im Frühling wurde bekannt, dass in Sachsen Politik und Verwaltung in kriminelle Netzwerke verstrickt sein könnten. Die Ermittlungen des Verfassungsschutzes befassten sich auch mit organisierter Kriminalität und Korruption in der Stadt Leipzig. Ein Großteil der Vorfälle ereignete sich in Tiefensees Amtszeit als Oberbürgermeister. Bedienstete der Leipziger Stadtverwaltung sollen in mafiöse Strukturen verwickelt sein, hohen Kommunalpolitikern werden enge Kontakte zum Rotlichtmilieu nachgesagt. Bei der Schwere der Vorwürfe könnten die momentan laufenden Ermittlungen der Dresdner Staatsanwaltschaft für Wolfgang Tiefensee noch unangenehm werden.
js
15.07.2013