von Andreas Scheffler
Ein Jahr lang hast Du existiert,
jetzt ist das Haus modernisiert.
Echt, Baustelle, Du warst bescheuert,
hast früh mich aus dem Bett gefeuert.
Du hast gebohrt, gesägt, gehämmert.
Mein Gott, was war ich oft belämmert!
Du hast dies Pressluftding benutzt,
die Wohnung war total verschmutzt.
Du schicktest Handwerker vorbei,
das gab noch zusätzlich Geschrei.
Auf – sicher – jeder zweiten Leiter
stand mindestens ein Leiharbeiter.
Die Fensterbauer war’n am schlimmsten,
die machten fröhlich Dreck und grinsten.
Ich musste alles sauber machen
und sah im Kopf den Bauherrn lachen.
So etwas macht man mit mir nicht,
darum ging ich vor’s Amtsgericht.
Ich habe keinen Streit vermieden,
und auch mein Anwalt war zufrieden.
Doch mein Gehirn hat sehr gelitten,
ist manchmal sogar ausgeglitten.
Ich starrte blöde vor mich hin
und trank Gin Tonic, nur mit Gin.
Ja, ständig hab ich still getobt.
Nun bist Du fertig, sei’s gelobt.
Die alten Mieter sind vertrieben.
Nur ich, ich bin noch da geblieben.
Doch nicht, dass mir jetzt Ruhe winkt,
weil ein Unglück oft weit’re bringt.
Die Mieten sind emporgeschossen,
und ich hab neue Hausgenossen.
Hauptsächlich lebt man in WGs,
ich guck aufs Klingelbord und seh’s:
Da leben drei in einer Wohnung.
Das ist nicht gut zur Nervenschonung.
Ich bin jetzt Ältester im Haus
und seh auch dementsprechend aus.
Und trotzdem duzen mich die Leute.
Das ist offenbar Usus heute.
Die sind auch nicht besonders leise.
Die machen Krach auf ihre Weise.
Was letztens noch der Baulärm war,
das sind jetzt Techno, Funk und Ska.
Mensch, Baustelle, Du warst schon eine!
Du warst die Große, ich der Kleine.
Ein Jahr hast Du mein Haus verwüstet,
jetzt wird beim Nachbarn eingerüstet.
Mit Pressluft wird jetzt dort gehämmert.
Ich wach um sieben auf, mir dämmert:
Es stimmt nicht, sagt ein Sackgesicht:
„Geschichte wiederholt sich nicht.“
Foto: Jens Sethmann
MieterMagazin 11/08
09.07.2013