Wenn das Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof die „erste Ökostadt Europas“ werden soll, müssen sich der Brandenburger Verkehrsplaner Roland Lipp und seine Firma beeilen, denn auch ein Rotterdamer Architekturbüro plant eine autonome, CO2-neutrale Stadt – allerdings im Norden Spaniens. Und anderswo wird nicht selten schneller entschieden und gebaut als in Berlin.
Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher will eine Internationale Bauausstellung (IBA) für das 386 Hektar große Areal des ehemaligen Flughafens Tempelhof initiieren. „Zukunftsfähiges Wohnen, Arbeiten und Leben in einer europäischen Metropole des 21. Jahrhunderts“ ist ihre Vision (MieterMagazin 6/08, Seite 19: „Jetzt fliegen die Pläne hoch“). Roland Lipp fügt jetzt eine neue Vision hinzu: „Maximaler individueller und öffentlicher Transportkomfort durch ein oberirdisches kreuzungsfreies Einbahnstraßen-Verkehrsnetz – mit CO2-Nullbilanz!“ Sein Konzept basiert auf der Verlagerung des Individualverkehrs auf die Dächer mehrgeschossiger Häuser. Eine Utopie?
Drei Meter hohe Schallschutzwände, das Absaugen und Filtern der Abgase und schwingungsfreie Fahrbahnen sollen Lärm- und Schadstoffbelastungen für die darunter befindlichen Häuser verhindern. Parkplätze und Versorgungsleitungen sind in die Häuser integriert. Der kreuzungsfreie Einbahnverkehr auf den Dächern, ohne Staus und Ampeln, reduziere den Spritverbrauch um 44 Prozent. Zu ebener Erde bleibt mehr Platz für Grünanlagen, Spielplätze, Fuß- und Radwege. Roland Lipp sieht Tempelhof bereits als „Großlabor für deutsche Technologie“.
Als Moskaus Oberbürgermeister Juri Luschkow im Juli in Berlin war, versicherte er Lipp, dass in Moskau ein Pilotprojekt dieser Idee gebaut werden wird. Umgerechnet 5 Milliarden Euro wird die russische Metropole dafür bereitstellen. Möglicherweise ein Vorteil, dass sich die Berliner diese Utopie dann steingeworden in Moskau betrachten können – bevor sie über eine Realisierung entscheiden.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 11/08
Das Konzept des Planers Roland Lipp verlegt den Individualverkehr ins obere Stockwerk
Illustration: Lipp
13.04.2013