Berlin hat sich einen Namen als Kunstmetropole gemacht – die Hauptstadt hat Anziehungskraft für Kreative aus aller Welt. Infolgedessen werden auch immer mehr Ateliers und Atelierwohnungen nachgefragt. Doch das Angebot schwindet und die Förderung stagniert.
In den vergangenen Jahren hat Kai Weller seine Bilder in der Zweizimmerwohnung gemalt, in der er auch wohnte. „Das war eine Übergangslösung, denn zum Wohnen und Malen war es doch recht beengt“, sagt er. Mittlerweile hat Weller nicht nur eine neue Wohnung bezogen, sondern auch ein separates Ladenlokal angemietet, das er als Atelier nutzt. Diesen Raum hat er auf dem freien Markt gefunden – zu einem noch bezahlbaren Preis.
Die Beratungs- und Vernetzungsplattform „Zwischennutzungsagentur“ hat vermittelt: Raumsuchende geben dort ihre individuellen Wünsche in eine Datenbank ein. Auch Eigentümer können sich mit ihrem Raumangebot registrieren lassen. Vor allem in Quartieren mit hohem Leerstand ist das Angebot groß, etwa im Neuköllner Reuterkiez, wo auch Weller sein Ladenlokal bezogen hat. Die Vermieter sind dort eher bereit, mit moderaten Mieten auf Interessenten zuzugehen. Die Agentur vermittelt auch bei der Ausgestaltung des Mietvertrages.
Berlin stellt auch öffentlich geförderte Räume zur Verfügung. Die Künstlerinnen Maria und Natalia Petschatnikov haben kürzlich solch ein Atelier bezogen: „Wir sind froh, nun genügend Platz auch für unsere größeren Installationen zu haben“, betonen die beiden. Doch der Umfang des geförderten Angebots stagniert, während immer mehr Künstler in die Stadt kommen und sich auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten machen. Der Berliner Senat hat in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband Bildender Künstler Berlins (bbk berlin) das sogenannte Atelierprogramm entwickelt. Zurzeit werden über 830 geförderte, mietpreis- und belegungsgebundene Ateliers und Atelierwohnungen vermittelt und über eine Auswahljury vergeben. Darin befinden sich auch Angebote für spezielle Bedürfnisse: Bildende Künstler brauchen
Eine Jury entscheidet über Bewerber
bisweilen Räume, die hohe Gewichte tragen können, manche benötigen Lastenaufzüge, um ihre großformatigen oder schwergewichtigen Werke transportieren zu können. Neuangebote und frei werdende Räume werden nach den Kriterien Professionalität und Dringlichkeit der Bewerbung vergeben. Interessenten können einen E-Mail-Newsletter abonnieren und werden über das aktuelle Angebot geförderter Räume informiert. Bewerben können sich alle professionellen Künstlerinnen und Künstler mit Wohnsitz in Berlin. Im Atelieranmietprogramm gibt es eine Einkommensgrenze für die Bewerber. Sie liegt derzeit zwischen 16.000 und 23.500 Euro pro Jahr je nach Familienstand. Für die Atelierwohnungen ist ein Wohnberechtigungsschein vorzulegen.
„In unserem Bestand werden im Jahr zwischen 80 und 150 Räume wieder frei“, erläutert der Atelierbeauftragte Florian Schöttle. „Allerdings hatten wir alleine im vergangenen Jahr rund 500 Anfragen zu verzeichnen.“ Ein Großteil der Interessenten kommt also nicht in den Genuss eines geförderten Ateliers, das im Schnitt mit rund 3,75 Euro pro Quadratmeter Warmmiete zu Buche schlägt. Viel mehr als solche Quadratmeterpreise können die meisten Künstler nicht zahlen. „Über 40 Prozent der Kreativen hätten Anspruch auf Grundsicherung“, erläutert Schöttle, „aber nur 16 Prozent nehmen das auch wahr, denn wer staatliche Transferleistungen bezieht, wird schnell in einen Ein-Euro-Job oder eine Weiterbildungsmaßnahme gedrängt – und kommt nicht mehr dazu, sich künstlerisch zu betätigen.“
Lars Klaaßen
MieterMagazin 11/09
„Endlich genügend Platz!“: die Künstlerinnen Maria und Natalia Petschatnikov in ihrem neuen Atelier
Foto: Sabine Münch
Atelierbüro im Kulturwerk
des bbk berlin GmbH
Köthener Straße 44, 10963 Berlin
Florian Schöttle (Atelierbeauftragter),
Tel. 230 899-22
Birgit Nowack, Tel. 230 899-20
Johannes Winzek,
atelierbuero@bbk-kulturwerk.de
Weitere Informationen:
www.zwischennutzungsagentur.de
www.bbk-kulturwerk.de
Rat und Tat
Mietrechtsberatung für Künstler
Oft haben Künstlerinnen und Künstler mietrechtliche Fragen: Wenn die Ateliermiete steigen soll, Mängel beseitigt werden müssen, Streitigkeiten mit Ateliermitnutzern auftreten, vor Neuabschluss eines Mietvertrags rechtlicher Rat erforderlich ist – hier hilft die Ateliermietrechtsberatung, die der „bbk berlin“ in Zusammenarbeit mit dem Berliner Mieterverein anbietet. „Es kommt auch häufig vor, dass Schwierigkeiten bei Mischnutzungen von Wohnen und Atelier auftreten“, erläutert Anwalt Johann Heinrich Lüth, der Künstler in solchen Fällen berät.
lk
30.07.2018