Der Winterdienst in Berlin soll neu geregelt werden. Verbände der Wohnungsunternehmen beziehungsweise Vermieter und der Schneeräumbetriebe kritisieren die beabsichtigte Neuregelung als unausgegoren. Der Berliner Mieterverein (BMV) wurde zum Gesetzeswerk nicht befragt.
Einig sind sich alle Betroffenen, dass Lösungen für Extremwitterungen wie die des vergangenen schneereichen Winters gefunden werden müssen, um wochenlange Schlitterpartien auf vereisten Flächen zu vermeiden. Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, kritisiert, dass das Gesetzgebungsverfahren für diese Wintersaison viel zu spät in Gang gebracht worden ist – „ein Schnellschuss“, der kein überlegtes Konzept beinhalte.
Auch die Sprecherin des Verbandes gewerblicher Schneeräumbetriebe, Katja Heers, kritisiert das späte Handeln der politisch Verantwortlichen: „Die Winterdienstsaison beginnt am 1. November, die Neuregelung kommt aber erst Mitte November zur Abstimmung.“ Schneeräum-Dienstleister seien derzeit personell und technisch in der Vorbereitungsphase, Verträge mit Hauseigentümern längst geschlossen. Trete das Gesetz, wie offenbar vorgesehen, zum 1. Januar 2011 in Kraft, bedeute dies eine vollständige Systemumstellung während der Saison – die Unsicherheit bei allen Beteiligten sei daher zurzeit groß.
Neue Regeln zur „Saison-Mitte“?
Die Berliner Stadtreinigung (BSR), die nach der neuen Regelung nicht nur für die Beräumung des öffentlichen Straßenlandes zuständig sein soll, sondern auch für öffentliche Plätze, Behindertenparkplätze sowie Haltestellenbereiche und bestimmte Radwege an Straßen der Klasse 1, sieht zwar „allen Eventualitäten gelassen entgegen“, wie Sprecherin Sabine Thümler bekannt gab. Jedoch habe das Unternehmen jederzeit die Möglichkeit, den eigenen Personalbedarf durch externe Dienstleister zu verstärken.
Da sind die gewerblichen Schneeräumbetriebe weniger flexibel. Kommt der Gesetzesentwurf in seiner derzeitigen Fassung, ist es durchaus möglich, dass bestehende Verträge mit Hauseigentümern rückgängig gemacht werden müssen, weil sich die Dienstleister außerstande sehen, die Auflagen zu erfüllen. Das Ende vom Lied wäre ein noch größeres Chaos als im Vorjahr, es sei denn, der Winter gestaltet sich in diesem Jahr milder.
Die wohl umstrittenste Neuregelung ist, dass Vereisungen künftig nicht mehr „bekämpft“, sondern „beseitigt“ werden müssen. Damit verbunden sei bei heftigem Schneefall ein drei- bis vierfacher Räumaufwand, wie Katja Heers feststellt. Auch die Hauseigentümer werden stärker in die Pflicht genommen: Ihnen obliegt die Ausführungskontrolle, und in Mehrfamilienhäusern ist ein Hinweisschild mit den Winterdienstbeauftragten anzubringen, um den Ordnungsämtern die Arbeit zu erleichtern. Ab der Saison 2011/2012 soll außerdem die Räumbreite von derzeit einem Meter auf 1,50 Meter erweitert werden.
BMV-Geschäftsführer Reiner Wild ist der Auffassung, dass es sinnvoller wäre, einen Notfallplan unter Einbeziehung der BSR auszuarbeiten, der in Extremwintern zum Einsatz kommt. Zusatzkosten würden dann nur bei tatsächlichem Bedarf zum Tragen kommen.
Elke Koepping
MieterMagazin 11/10
Vereisungen wie im letzten Winter sollen nicht nur „bekämpft“, sondern künftig beseitigt werden
Foto: Berliner Stadtreinigung
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Der Winter wird teurer
Für eine eklatante Kostensteigerung beim Winterdienst wird vor allem das Vorhalten personeller und technischer Kapazitäten sorgen, die zur Umsetzung der ins Auge gefassten gesetzlichen Regelung notwendig sind. Bisherige Räumpauschalen würden sich nach Schätzungen von Haus & Grund verdreifachen, der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen spricht von Gesamtkosten um die 30 Millionen Euro für alle Berliner Haushalte. Umgelegt auf den einzelnen Mieter wird von einer Kostensteigerung von bisher 4 auf 6 bis 10 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche auszugehen sein. Mieter einer 80-Quadratmeter-Wohnung müssten also auch in wenig schneereichen Wintern mit Gesamtkosten von bis zu 32 Euro für den Winterdienst rechnen.
ek
23.01.2016