Nach 15 Jahren wurde das Sanierungsgebiet Oberschöneweide im Bezirk Treptow-Köpenick aufgehoben. Nach dem Zusammenbruch der Industrie waren hier fast alle Probleme zusammengekommen, die sich ein Stadtplaner vorstellen konnte. In den vergangenen anderthalb Jahrzehnten wurden zwar nicht alle behoben, doch vielversprechende Anfänge sind gemacht.
Der Stadtteil, zu DDR-Zeiten als „Oberschweineöde“ verspottet, war ein Verlierer der Wende: Das Quartier war eng mit der Elektroindustrie verbunden, die das gesamte Spreeufer besetzt hielt. Von den 25 000 Arbeitsplätzen, die es hier 1990 gab, waren fünf Jahre später nur noch 3000 übrig geblieben. Allein zwischen 1994 und 1997 ist ein Fünftel der Einwohner weggezogen. Als Oberschöneweide 1995 zum Sanierungsgebiet erklärt wurde, standen schon 20 Prozent der Wohnungen leer.
Seit 1995 ist die Einwohnerzahl von 4200 auf heute 5800 angewachsen, also um 38 Prozent. Auffällig ist die stark gestiegene Zahl der Kinder bis 15 Jahre, die fast 16 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Nur rund 20 Prozent der heutigen Bewohner lebten schon 1995 im Gebiet. Verglichen mit den innerstädtischen Sanierungsgebieten ist diese Verbleiberquote aber noch relativ hoch.
Im Gebiet gibt es heute 3700 Wohnungen, darunter befinden sich 200 in Neubauten. Im Laufe der 15-jährigen Sanierungszeit sind 87 Prozent der Wohnungen umfassend instandgesetzt und modernisiert worden, 41 Prozent davon mit öffentlichen Fördergeldern in Höhe von zusammen fast 50 Millionen Euro. Diese Wohnungen unterliegen langfristigen Mieten- und Belegungsbindungen. Um einkommensschwächere Bewohner zu versorgen, sind diese gebundenen Wohnungen auch nötig. Der Abschlussuntersuchung des Sozialforschungsbüros „argus“ zufolge liegen die Nettokaltmieten für Vollstandard-Altbauwohnungen je nach Größe zwischen 4,71 und 4,92 Euro pro Quadratmeter.
Über 47 Millionen Euro investierte die öffentliche Hand in die Sanierung von Schulen, Kitas, Gehwegen und Straßen sowie in die Neuanlage von Grünflächen und Spielplätzen. Ein wichtiges Ziel war es dabei, Oberschöneweide enger mit der Spree zu verknüpfen, denn durch das Industriegelände war das Wohngebiet praktisch völlig vom Wasser abgeschottet. Der geplante Uferweg ist allerdings erst in Bruchteilen fertig. Ein Aushängeschild ist der Kaisersteg, eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke über die Spree, die seit 2007 Ober- und Niederschöneweide wieder miteinander verbindet.
Der wichtigste Impuls war die Ansiedlung der Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW) auf dem Gelände des ehemaligen Kabelwerks Oberspree. In vierjähriger Bauzeit wurden die denkmalgeschützten Industriehallen saniert, umgebaut und durch Neubauten ergänzt. „Die HTW macht aus einem alten Industriestandort einen jungen, frischen Wissenschaftsstandort“, gab sich Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer überzeugt, als der Campus Wilhelminenhof im Herbst 2009 eröffnet wurde. Die Ausstrahlung der Hochschule auf den Stadtteil hält sich aber in Grenzen: Ein Studentenkiez ist Oberschöneweide bisher nicht geworden. Von den 5400 Studenten wohnen bislang sehr wenige hier.
Umgehungsstraße wird Verkehrsprobleme lösen
Nach wie vor belastend ist die Verkehrssituation: Der Lärm und die Abgase des schnell fahrenden Auto- und Lkw-Verkehrs machen vor allem die Edison- und die Siemensstraße zu unwirtlichen Orten mit einem hohen Wohnungs- und Ladenleerstand. Entlastung soll die Süd-Ost-Verbindung bringen, eine neue Straße, die westlich von Oberschöneweide die Spree überqueren und den Durchgangsverkehr um das Quartier herumführen soll. Ihre Fertigstellung wird für 2014 erwartet.
Jens Sethmann
MieterMagazin 11/10
Hinterlassenschaften des alten Industriestandorts fügen sich harmonisch ein in das sanierte Quartier Oberschöneweide
Foto: Sabine Münch
Ausstellung zu 15 Jahre Sanierungsgebiet Oberschöneweide im Industriesalon Schöneweide, Reinbeckstraße 9,
mittwochs 14 bis 18 Uhr,
bis zum 15. Dezember 2010
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Quartier mit Mehrfach-Intervention
Das aufgehobene Sanierungsgebiet Oberschöneweide ist 41 Hektar groß und umfasst im wesentlichen das Industriegelände an der Spree und die Wohnblöcke an der Wilhelminenhof-, Edison- und Siemensstraße. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der problematischen Sozialstruktur wurde in Oberschöneweide 1999 auch ein Quartiersmanagement installiert, das nach einer Stabilisierung der Lage 2007 wieder aufgegeben werden konnte. Die seit 1991 bestehende Förderung aus dem Programm Städtebaulicher Denkmalschutz bleibt weiterhin bestehen. Zur Wahrung der städtebaulichen Eigenart hat der Bezirk eine Erhaltungsverordnung erlassen.
js
30.05.2013