Wer in Deutschland am Existenzminimum lebt, darf sich wenig Hoffnung auf eine finanziell bessere Zukunft machen. Spitzenverdiener haben wiederum gute Chancen, es auch zu bleiben. Das ist das auffälligste Ergebnis aus dem jüngsten Sozialbericht des Statistischen Bundesamts. Die Bundesregierung schweigt dazu.
Ein Anteil von 15,5 Prozent der deutschen Bevölkerung gilt laut Sozialbericht als „armutsgefährdet“. Gradmesser dafür ist ein monatliches Einkommen von unter 929 Euro einschließlich eventueller staatlicher Zuwendungen. Neben einem Anstieg dieser Gruppe gegenüber dem vorherigen Erhebungszeitraum haben die Statistiker auch den Zusammenhang von geringem Einkommen, mangelhafter Bildung und gesundheitlicher Gefährdung aufgezeigt.
Wer arm ist, droht es auch zu bleiben: 65 Prozent der Armen haben keine Chance, sich aus eigener Kraft aus ihrer Situation zu befreien. Vor 20 Jahren lag dieser Anteil noch bei 57 Prozent. Umgekehrt ist die Chance der Spitzenverdiener, auch künftig zu dieser Gruppe zu gehören, im gleichen Zeitraum von 38 auf 51 Prozent gestiegen.
Damit belegt der seit 1985 alle zwei Jahre erscheinende Sozialbericht ein Fortschreiten der gesellschaftlichen Polarisierung: „Die soziale Mobilität nimmt ab“, kommentierte die Soziologin Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin, das Mitherausgeber der Untersuchung ist.
Die Bundesregierung ging in ihrer Stellungnahme auf diese Ergebnisse des Berichts mit keinem Wort ein. Ihr Resümee: „Binnenzehn Jahren ist in Deutschland das Bild der sozialen Beziehungen vielfältiger geworden.“ Sie begründet das mit einem höheren Anteil gemischt- und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Zwar sei die Zahl der Ehepaare zurückgegangen, gleichwohl habe „die Familie ihren Stellenwert keineswegs eingebüßt“. Wie die Sozialpolitiker der schwarz-gelben Koalition zu diesem Ratschluss gelangten, bleibt ihr Geheimnis – der Bericht dokumentiert Gegenteiliges: Die Zahl der Alleinstehenden hat um 18 Prozent, die der Alleinerziehenden um 15 Prozent in den letzten zehn Jahren zugenommen.
Udo Hildenstab
MieterMagazin 11/11
Die soziale Polarisierung der Gesellschaft schreitet voran
Foto: Christian Muhrbeck
„Datenreport 2011: Der Sozialbericht für Deutschland“, Download von der Internet-Startseite des Statistischen Bundesamts
www.destatis.de
01.04.2013