Die Bewilligungspraxis der Jobcenter sorgt in Berlin und anderswo regelmäßig für Ärger. Das betrifft vor allem die heikle Frage der Übernahme von Kosten für Wohnraum „in angemessener Höhe“. Oft genug wird in Ablehnungsbescheiden stur der Wortlaut des § 22 I SGB II zitiert, der diese Angemessenheitsregelung beinhaltet.
Carsten Römer* musste sich nach der Trennung von seiner Freundin nicht nur eine neue Wohnung suchen, sondern auch ALG II beantragen, um sich eigenen Wohnraum überhaupt leisten zu können. Kaum hatte er den Mietvertrag für die 50 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung unterschrieben, bekam er Post vom Amt. Man teilte ihm mit, dass seine Miete rund 33 Euro über der Angemessenheitsgrenze liege. Die müsse er aus eigener Tasche zahlen. Oder umziehen. Schließlich habe er sich vor Abschluss des Mietvertrages die Übernahme der Mietkosten nicht absegnen lassen. Carsten Römer argumentierte, ein erneuter Umzug sei sicherlich teurer als die Übernahme von 33 Euro. Auch könne er kaum wissen, dass es eine Angemessenheitsgrenze gebe, geschweige denn wie hoch sie sei, da er noch nie in seinem Leben ALG II bezogen habe. Das hätte ihm das Amt zuvor schon mitteilen müssen.
Wie hätten Sie entschieden?
Das Bundessozialgericht gab Carsten Römer recht. Die Anmietung der Wohnung fand vor Leistungsbewilligung statt, mithin war er dem Amt gegenüber nicht rechenschaftspflichtig. Zudem habe das Jobcenter die genaue Höhe der Mietobergrenze erst einen Monat nach dem ersten Bewilligungsbescheid mitgeteilt. Es sei dem Erstantragsteller schlicht unmöglich, Maßnahmen zur Kostensenkung für seine Wohnung zu ergreifen, bevor er überhaupt wisse, dass diese Kosten unangemessen hoch seien.
Elke Koepping
BSG vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 19/09 R –
* Name von der Redaktion geändert
MieterMagazin 11/11
Illustration: Julia Gandras
01.04.2013