Immer mehr Menschen wächst die Miete über den Kopf. Wo gibt es Unterstützung? Welche Leistungen bekommt man ohne eigenes Zutun und welche muss man beantragen?
Als ob die rasant gestiegenen Nettomieten nicht genug wären, werden viele jetzt zusätzlich durch die explodierenden Nebenkosten belastet. Dass die 300 Euro Energiepreispauschale aus dem Zweiten Entlastungspaket der Bundesregierung nicht ausreichen würden, war klar. Erwerbstätige haben die einmalige Sonderzahlung bereits im September mit dem Lohn bekommen. Wer Rente bezieht, wird sie automatisch in der ersten Dezemberhälfte von der Rentenzahlstelle erhalten. 300 Euro pro Person werden überwiesen, das heißt Ehepaare bekommen 600 Euro. Studierende und Fachschüler erhalten lediglich 200 Euro. Selbstständige müssen sich noch gedulden, bei ihnen werden die 300 Euro von der Steuerschuld abgezogen.
Um die Bürger weiter zu entlasten, hat die Bundesregierung im September ein drittes Entlastungspaket beschlossen. Mit einem Gesamtvolumen von mehr als 65 Milliarden Euro ist es das bisher umfangreichste. Neben einer Erhöhung des Kindergeldes sieht es einen weiteren Heizkostenzuschuss für Wohngeldberechtigte vor. Bereits im Sommer 2022 hatten Wohngeldempfänger eine Einmalzahlung von 270 Euro (bei einer Person) beziehungsweise 350 Euro (bei zwei wohngeldberechtigten Personen) erhalten. Nun gibt es nochmal 415 Euro bei einer Person und 540 Euro bei zwei Personen. Für jede weitere Person im Haushalt sind zusätzlich 100 Euro vorgesehen. Voraussetzung ist, dass zwischen September und Dezember 2022 für mindestens einen Monat Wohngeld bewilligt worden ist.
Kernstück des Dritten Entlastungspakets ist eine Wohngeldreform, die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) als größte Wohngeldreform in der Geschichte Deutschlands bezeichnete. Ab Januar 2023 sollen deutlich mehr Haushalte als bisher von diesem Zuschuss zur Miete profitieren. Zudem soll es mehr Geld geben. Statt derzeit rund 600.000 Haushalte sollen dann rund 2 Millionen Menschen in Deutschland berechtigt sein. Die im Schnitt ausgezahlte Summe soll sich verdoppeln, von 180 Euro auf 370 Euro. Ein konkretes Beispiel, das vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) errechnet wurde: Eine Berliner Rentnerin mit einer Rente von 1259 Euro brutto und einer Kaltmiete von 500 Euro bekäme monatlich künftig 252 Euro Wohngeld – 178 Euro mehr als bisher.
„Dass der Kreis so ausgeweitet wird, ist zu begrüßen und war längst überfällig“, kommentiert Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins die Reform. Noch gibt es allerdings Streit um die Finanzierung. Für das Wohngeld kommen zur Hälfte die Länder auf, aber in diesem Fall sträuben sie sich.
Abschlagszahlung unabhängig vom Einkommen
Schnell helfen soll auch die von der Expertenkommission vorgeschlagene Einmalzahlung für die von den Preissteigerungen besonders betroffenen Haushalte mit Gas- oder Fernwärmeheizung. Dabei übernimmt der Staat die Abschlagszahlung für einen Monat, wobei die Abschlagszahlung im September 2022 entscheidend für die Höhe ist. Dieses Geld bekommen alle, ohne Antrag und unabhängig vom Einkommen. Mieter mit Gasetagenheizung, die einen eigenen Vertrag mit dem Versorger haben, behalten einfach den Abschlag für Dezember ein. Läuft die Zentralheizung über den Vermieter, muss man allerdings auf die Zulage bis zur nächsten Nebenkostenabrechnung warten. Dann wird der Abschlag verrechnet.
Speziell für die rund 88.000 Berliner Mieter in Sozialwohnungen (Erster Förderweg) gibt es noch eine weitere Rettung vor erdrückenden Mieten: den Mietzuschuss. Man kann (und sollte!) ihn beantragen, wenn die Bruttowarmmiete mehr als 30 Prozent des Einkommens beträgt. Zuständig ist die IBB.
Für alle landeseigenen Wohnungen gilt zudem eine Härtefallregelung: Die Nettokaltmiete darf maximal 30 Prozent des Haushaltseinkommens betragen. Hier muss man den Antrag zusammen mit den Einkommensnachweisen direkt an die Wohnungsbaugesellschaft schicken. Die Miete muss dann entsprechend reduziert werden. Demnächst soll die Bruttokaltmiete herangezogen werden.
Anträge beim Jobcenter im Fälligkeitsmonat stellen.
Nicht wenige Mieter sind verzweifelt, weil sie eine Abrechnung mit hohen, bis zu vierstelligen Heizkostennachforderungen erhalten haben und nicht wissen, wie sie das Geld aufbringen können. Eine Möglichkeit, die wenig beworben wird, ist ein Antrag beim Jobcenter – und zwar auch dann, wenn man sonst keine Leistungen bezieht. Ein Beispiel für einen Alleinstehenden mit einem Nettoeinkommen von 1600 Euro und einer Warmmiete von 750 Euro, der eine Nachzahlungsforderung in Höhe von 2000 Euro bekommt: Bedarf (Existenzminimum) für den Monat der Fälligkeit sind 3199 Euro (449 Euro Regelsatz für Alleinstehende + 750 Euro Warmmiete + 2000 Euro Nachzahlung). Davon werden 1300 Euro abgezogen (Nettoeinkommen abzüglich Freibetrag). Somit würde man in in diesem Monat 1899 Euro vom Amt bekommen. Wichtig ist, dass der Antrag rechtzeitig, das heißt im Monat der Fälligkeit, gestellt wird.
Ansonsten kann man versuchen, eine Ratenzahlung mit dem Vermieter beziehungsweise (als Selbstzahler) mit dem Energieversorger zu vereinbaren. Einen Anspruch darauf hat man zwar nicht, aber viele Wohnungsunternehmen haben versprochen, kulant zu sein. Obacht ist geboten, sobald ein (kündigungsrelevanter) Mietrückstand von einer Monatsmiete zusammengekommen ist. Spätestens dann sollte man eine Rechtsberatung aufsuchen.
Birgit Leiß
www.ibb.de/de/foerderprogramme/mietzuschuss-in-sozialwohnungen.html
Finanzielle Unterstützung: Wer bekommt was und wieviel?
1. Energiepreispauschale
Wieviel gibt es: 300 Euro pro Person, 200 Euro für Studierende
Automatisch oder auf Antrag? Automatisch.
(Beschäftige haben das Geld bereits im September mit dem Lohn bekommen. Rentnern wird es im Dezember 2022 überwiesen)
2. Heizkostenzuschuss
Wieviel gibt es: Für 1 Person 415 Euro, für 2 Personen 540 Euro, jede weitere Person im Haushalt 100 Euro
Automatisch oder auf Antrag? Automatisch mit dem Wohngeld
3. Wohngeld
Wieviel gibt es: Abhängig von Miethöhe und Haushaltseinkommen
Automatisch oder auf Antrag? Auf Antrag beim Wohngeldamt seines Bezirks
4. Einmalzahlung
Für wen: Alle, deren Wohnung mit Gas oder Fernwärme beheizt wird
Wieviel gibt es: Die jeweilige Abschlagszahlung vom September 2022
Automatisch oder auf Antrag? Automatisch
5. Mietzuschuss
Wieviel gibt es: Der Betrag, der 30 Prozent der Bruttowarmmiete vom Haushaltseinkommen überschreitet
Automatisch oder auf Antrag? Auf Antrag bei der Investitionsbank Berlin
6. Härtefallregelung
Wieviel gibt es: Die Nettokaltmiete wird auf 30 Prozent des Haushaltseinkommens reduziert
Automatisch oder auf Antrag? Auf Antrag bei der Wohnungsbaugesellschaft
7. (Teilweise) Übernahme der Heizkostennachforderung
Wieviel gibt es: Abhängig vom errechneten Grundbedarf inklusive Nachforderung
Automatisch oder auf Antrag? Auf Antrag beim Jobcenter
27.10.2022