Statt die Untätigkeit des Bundes in der Wohnungs- und Mietenpolitik zu beklagen, könnte Berlin selbst handeln. Ein Rechtsgutachten hat im Auftrag der Linken herausgefunden: Berlin darf als Land den Wohnungsmarkt weit stärker regulieren.
Mit der Föderalismusreform von 2006 wurde den Ländern seitens des Bundes die Zuständigkeit für das Wohnungswesen übertragen. Auf dieser Grundlage hatte in Berlin der rot-rot-grüne Senat im Jahr 2020 den Mietendeckel eingeführt, der allerdings die Landeskompetenz nach Einschätzung des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts überschritten hat. Der Bund hat seither nur wenige, unzureichende Schritte zur Entschärfung der Mietenkrise unternommen.
Die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus beauftragte deshalb die Bremer Professorin Pia Lange zu untersuchen, was das Land Berlin selbst gegen die Wohnungsmisere unternehmen kann. Deren Ergebnis: Berlin kann auch für den nicht geförderten privaten Wohnungsbestand Vorgaben hinsichtlich einer Mietpreis- und Belegungsbindung erlassen. Damit könnten insbesondere gewerbliche Wohnungsunternehmen dazu verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil der jährlich freiwerdenden Wohnungen zu einem festgesetzten Mietpreis an Personen mit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) zu vermieten. Außerdem sieht Pia Lange die Möglichkeit, Eigenbedarfskündigungen und Räumungen einzuschränken, um Obdachlosigkeit zu vermeiden.
„Unsere Studie zeigt, dass dem Senat Instrumente zur Bekämpfung der Wohnungsnot zur Verfügung stehen und er durch die Verfassung auch angehalten ist, diese zu nutzen“, erklärt Anne Helm, Vorsitzende der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. „Indem er sich nur auf den Schlachtruf ‚Bauen, bauen, bauen!‘ fokussiert, befindet sich der schwarz-rote Senat auf einem fatalen Irrweg, den die Mieter:innen dieser Stadt teuer bezahlen.“
Die Linke schlägt deshalb ein „Sicher-Wohnen-Gesetz“ vor. Vermieter:innen mit mindestens 50 Wohnungen sollen verpflichtet werden, 25 Prozent der freiwerdenden Wohnungen an WBS-berechtigte Haushalte zu vermieten. Bei Unternehmen mit mehr als 1000 Wohnungen soll die Quote 35 Prozent betragen. Die Nettokaltmieten lägen dabei je nach WBS-Einkommensstufe zwischen 7,00 und 11,50 Euro pro Quadratmeter. Das Land Berlin soll in Wohnungsnotfällen konkrete Mieter:innen benennen dürfen.
Räumungen will die Linke mit behördlichen Wiedereinweisungen in die bestehenden Wohnungen vermeiden, falls kein angemessener Ersatzwohnraum zur Verfügung steht. Vermieter:innen sollen außerdem die Bildung einer Instandhaltungsrücklage nachweisen. Abrisse von Wohnhäusern will man gesetzlich unterbinden. Um wirksamer gegen Zweckentfremdungen, Leerstand oder Mietwucher vorgehen zu können, schlägt die Linke ein Landesamt für Wohnungswesen vor.
Jens Sethmann
29.10.2024