Die Abwanderung ins Umland ist gestoppt, der Trend geht zurück zur Innenstadt. Doch wie müssen attraktive städtische Wohnformen aussehen, damit sich Familien, Senioren und die so genannten „Urbaniten“ wohl fühlen? Und wie kann die Renaissance der Städte durch die Politik unterstützt werden? Diesen Fragen widmete sich das jüngste „Stadtforum 2020“.
„Thema verfehlt“, so lautete das Urteil etlicher Teilnehmer am Ende der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung organisierten Veranstaltung. Obwohl die Wohneigentumsquote in der Hauptstadt bei 13 Prozent liegt und obwohl es nur noch eine verschwindend geringe Neubautätigkeit gibt, drehte sich die Diskussion fast ausschließlich um ambitionierte Neubauprojekte im Eigentum. Die Städte, so Prof. Dr. Tilmann Harlander von der Universität Stuttgart, müssten für die verschiedenen Lebensentwürfe und Bedürfnisse passgenaue Wohnungsangebote bereitstellen. Besonders wichtig seien geschützte, private Freibereiche wie Gärten und Loggien. Wenn die Wohnqualität stimme, gebe es durchaus einen Bedarf im Neubau.
Auf der Suche nach der Qualität des Wohnens wurde im Folgenden viel über flexible, nutzungsneutrale Grundrisse gesprochen und über Baugruppen, die ihre individuellen Vorstellungen vom Wohnen einbringen können. Positivbeispiele: die „Prenzlauer Gärten“ und die Townhouses am Friedrichswerder. Dr. Marie-Therese Krings-Heckemeier vom Forschungsinstitut „empirica“ plädierte für eine Typenvielfalt. Nicht überall sollten Townhouses realisiert werden, auch die Altbauquartiere mit ihrer Nutzungsmischung wiesen nach wie vor eine hohe Wohnqualität auf und selbst die Hochhäuser hätten ihre Berechtigung. Zur spannenden Frage, wie hier eine zeitgemäße Transformation aussehen könnte, kamen von den Fachleuten jedoch keinerlei Ideen. Krings-Heckemeier verstieg sich gar zum Vorschlag, „Störmieter in Absterbe-Häusern“ zu konzentrieren.
Auch beim Berliner Mieterverein bemängelt man die mangelnde Anpassung des Bestands an geänderte Wohnbedürfnisse. „Viele Vermieter lassen nach wie vor Wohnungen lieber leer stehen, als die Wohnungen punktuell aufzuwerten beziehungsweise Gebäude behutsam vielfältigen Wohnnutzungsmöglichkeiten zuzuführen“, so Reiner Wild vom Berliner Mieterverein.
„Man muss im Bestand ansetzen“, kritisierten am Ende mehrere Zuhörer. Sie waren enttäuscht, dass Wohnformen im Alter oder autofreie Viertel auf dem Podium gar kein Thema waren. Berlin sei Schlusslicht, was Wohnprojekte auf Mieterbasis angeht.
Man führe in gewisser Weise eine Luxusdiskussion, räumte die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer, ein. Künftig, so betonte sie in ihrem Abschlussstatement, stünden keine öffentlichen Gelder mehr zur Verfügung, weder für lobenswerte Beispiele im Bestand, wie die Ahrensfelder Terrassen, noch für Neubauprojekte wie die Prenzlauer Gärten. Die Rolle der Politik sei es, günstige Rahmenbedingungen für solche Projekte zu schaffen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass einkommensschwache Haushalte weiterhin in der Innenstadt leben können.
Birgit Leiß
MieterMagazin 12/05
Einseitige Diskussion: Das „Stadtforum“ beschäftigte sich hauptsächlich mit teuren Eigentumswohnungsprojekten (hier: „Tiergarten-Dreieck“)
Foto: Rolf Schulten
28.04.2013