Es ist ein Phänomen, für das die Hauptstädter fast so berühmt sind wie für ihre Currywurst: In aller Regelmäßigkeit packen sie ihr Hab und Gut und ziehen um. Allein im Juni dieses Jahres haben laut statistischem Bundesamt rund 30.000 Berliner innerhalb der Stadtgrenzen ihren Wohnsitz gewechselt. Dabei liefern sich legale und illegale Speditionsunternehmen einen erbitterten Konkurrenzkampf. Die Kunden profitieren davon.
Für Peggy Damaschke war es Rettung in letzter Sekunde. Die 21-Jährige saß praktisch schon auf gepackten Kartons, als einen Tag vor ihrem Umzug auch der letzte Helfer aus dem Freundeskreis krank wurde. Zwar war es lediglich ein kleiner Transport von ihrer Einraumwohnung in eine Zweiraumwohnung, von Marzahn nach Marzahn, vom sechsten in den sechsten Stock. „Trotzdem – den Kühlschrank konnte ich schließlich nicht ohne Hilfe tragen. Also habe ich die Prospekte hervorgekramt, die ich in den letzten Wochen im Briefkasten gefunden und in weiser Voraussicht aufgehoben hatte. Das war am Freitag. Samstagnachmittag war mein Umzug innerhalb von zweieinhalb Stunden erledigt“, erzählt die Bankkauffrau. Der Preis: 230 Euro.
Billig heißt nicht zwangsläufig schwarz
Gerade in letzter Zeit schießen Umzugsunternehmen mit Dumpingpreisen in Berlin wie Pilze aus dem Boden. Ihre Kunden erreichen sie über Wurfsendungen oder Aushänge an Bäumen und Straßenlaternen. Ihre Angebote ähneln sich. Enthalten sind Möbel- und Kistenschleppen, An- und Abfahrt, Montage, Transport- und Haftpflichtversicherung. Egal ob erste oder zehnte Etage, Vorder- oder Hinterhaus, mit oder ohne Fahrstuhl, und die Mehrwertsteuer ist ebenfalls inklusive. Gezahlt wird pro Stunde und Anzahl der Umzugshelfer. Ab 150 Euro ist man dabei. Probleme bereiten diese Speditionen alteingesessenen Umzugsunternehmen aber nicht nur wegen der absoluten Schnäppchenpreise. „Die waren sehr freundlich, extrem schnell und haben mir jeden Handgriff abgenommen. Es ist nichts kaputt gegangen und ich musste keinen Cent mehr bezahlen als vereinbart wurde. Jederzeit würde ich wieder so umziehen“, betont Peggy Damaschke.
Vorbei scheinen die Zeiten, als Billigumzüge ausschließlich in Schwarzarbeit erledigt wurden. Viele der neuen Dumping-Unternehmen sind offiziell gemeldet und geben ihren Kunden mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Transportversicherungen ein Stück Verlässlichkeit an die Hand. Dennoch warnt der Bundesverband Möbelspedition (AMÖ) vor allzu viel Gutgläubigkeit. „Fakt ist, dass dieser Wettbewerb gerade in Ballungsgebieten wie Berlin teilweise unter der Gürtellinie abläuft. Solche Umzugsdienste sind dafür bekannt, dass sie sich nicht an die gesetzlichen Spielregeln halten. Da bleibt das Personal unversichert, teilweise wird keine Rechnung gestellt und damit auch keine Mehrwertsteuer erhoben und und und. Dadurch ist es diesen Firmen möglich, völlig unverhältnismäßige Preise anzubieten“, sagt AMÖ-Pressesprecher Dierk Hochgesang. Rund 1000 Speditionen sind bundesweit Mitglied des Verbandes und müssen als solche harte Auflagen erfüllen – darunter die Einhaltung des Güterkraftverkehrsgesetzes, die gesetzlichen Pflichtversicherungen und die kontinuierliche Überprüfung durch Berufsgenossenschaften. AMÖ-Mitglieder weisen sich mit dem Verbandsemblem – einem Känguru auf Rädern – aus.
Wenn ganze Haushalte verschwinden
Zu ihnen gehört der traditionsreiche Berliner Platzhirsch „Zapf Umzüge“. Hier bekommt man wie bei vielen anderen renommierten Umzugsunternehmen einen Rundumservice mit ausführlicher Beratung, Packservice, Montage, Ein- und Auslagerung, Außenaufzügen und mehr. Unternehmer Klaus Emil Heinrich Zapf hat ein simples Geheimnis für den Erfolg seiner seit 30 Jahren bestehenden Firma. „Qualität, Qualität, Qualität. Nur so können wir uns der Abwärtsspirale in unserer Branche entziehen. Neben dem Preis muss die Leistung stimmen“, sagt Zapf. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müsse aber auch er die Preise seiner Berliner Niederlassung mit Hilfe derer im restlichen Bundesgebiet subventionieren. So sei die Quote derjenigen Kunden, die nach Angebotseinholung einen Vertrag unterschreiben und mit Zapf umziehen, in den vergangenen Jahren von 58 auf 50 Prozent gefallen. Vermehrt hätten sich dagegen die Schauergeschichten, die geprellte Kunden anderer Firmen zu erzählen haben. „Da kommen ganze Haushalte auf der Fahrt von A nach B abhanden und tauchen nie wieder auf. Ich kann nur raten: Finger weg, wenn keine schriftlichen Verträge gemacht werden, wenn keine Umzugsbelehrung stattfindet und wenn es keinen geordneten Bürobetrieb mit festen Telefon- und Geschäftszeiten gibt“, sagt Klaus Zapf.
Umzug per Internet-Auktion
Wer seinen Umzug gern preiswert und ohne große Risiken über die Bühne bringen will, hat schließlich viele Möglichkeiten. Eine davon ist das Internet-Portal www.umzugsauktion.de. Hier hinterlässt der Kunde, wann er mit wie viel Hab und Gut wohin umziehen will und erhält nach einer Auktionsdauer von mindestens sechs Tagen das beste Angebot per E-Mail. Bieter sind 200 Umzugsunternehmen aus ganz Deutschland, die laut „umzugsauktion.de“ auf ihre Seriosität geprüft wurden.
Die Vermittlung ist für den Kunden kostenlos und unverbindlich. Für Umzüge von Berlin ins übrige Bundesgebiet oder ins Ausland hat man eine weitere Alternative: die Möbelmitfahrzentralen. Hier ist es möglich, Leerrückfahrten von Transportern zu nutzen. Statt nach getaner Arbeit ohne Ladung wieder an den Ausgangsort zurückzufahren, bieten Speditionen die Nutzung ihrer Ladefläche zu einem günstigen Preis an. Einzelstücke werden ebenso mitgenommen wie eine ganze Umzugsladung. Zu beachten gilt: Die Preise beinhalten im Allgemeinen tatsächlich nur den Transport. Wer nicht selbst be- und entladen will, muss für den Trageservice noch einmal ins Portmonee greifen.
Und selbst wenn man seinen Umzug in Eigenregie erledigen will, heißt Do-it-yourself noch lange nicht, dass man wirklich alles selbst machen muss. Studentenvermittlungen schicken tatkräftige Helfer mittlerweile sogar per Express-Service an den Umzugsort. Eine studentische Hilfskraft kostet in der Regel zehn Euro pro Stunde.
Der Trend zum Selbermachen
Für die Rahmenbedingungen sollte dann natürlich gesorgt sein – einen Transporter zum Beispiel muss man sich dann selbst beschaffen. „Seit Jahren werden kontinuierlich mehr Fahrzeuge geliehen. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage steigt der Trend, Dinge selbst zu machen“, sagt Ulrich Wientjes, einer der beiden Inhaber der Berliner Autovermietung Robben & Wientjes. Von einem Do-it-yourself-Boom könne jedoch bislang keine Rede sein.
Trotzdem existieren mittlerweile sogar Internetseiten, die eine Komplett-Anleitung für den Umzug in Eigenregie bereithalten. So erfährt man beispielsweise, dass ein Karton mit den Maßen 415 x 340 x 410 Millimeter ideal für Bücher geeignet ist, und dass ein kleiner Schütteltest offenbart, ob eine Kiste richtig oder falsch gepackt wurde. Verursacht der Inhalt Geräusche, ist er nicht ideal ausgepolstert. Der im Internet-Ratgeber ebenfalls angebotene Umzugstimer versorgt seinen Benutzer mit Tipps und Tricks, die zu einem gelungenen Umzug beitragen sollen. Empfohlen wird zum Beispiel frühzeitiges Entrümpeln, sowie die Reinigung von Teppichen und Gardinen. Für die Unterbringung des Haustieres sollte ebenso gesorgt sein wie für den Babysitter des Familiennachwuchses. Zum Finale raten die Experten zu einem Notpaket mit Snacks, Getränken, Waschutensilien, Handtüchern, Toilettenpapier und Heftpflaster. Außerdem ermöglicht ein Raumplaner schon einmal virtuelles Möbelrücken.
Den perfekten Umzug gibt es jedoch auch für Leute, die so wenig wie möglich selbst machen wollen. So genannte Relocation-Agenturen kümmern sich einfach um alles. Sie suchen die neue Wohnung, holen Kostenvoranschläge von Speditionen ein, koordinieren Termine, überwachen den Umzug, beraten bei der Schulsuche für das Kind, erledigen Ab- und Anmeldeformalitäten sowie die Renovierung und Übergabe der alten Wohnung. Sogar die Organisation der Einweihungsfeier steht auf der Service-Liste der Relocators. Auch wenn man über ein üppiges Umzugsbudget verfügen muss, um in den Genuss dieser Dienstleistung zu kommen, hat man immer noch gespart: viel Zeit und Nerven.
Sandra Klose
Umzugstransporte sind Knochenarbeit, hier wird nur selten Fingerspitzengefühl gezeigt. Deshalb ist eine Versicherung der persönlichen Kostbarkeiten sinnvoll. Wer ohne Spedition umzieht, sollte vorher prüfen, ob die Hausratversicherung auch Umzugsschäden abdeckt. Wenn Freunde im Treppenhaus oder in der Wohnung Schäden verursachen, erweist sich außerdem eine Haftpflichtversicherung als nützlich. Denn in diesem Fall haftet der Umziehende. Beauftragt man ein Umzugsunternehmen, kommt dieses in der Regel für Schäden auf, die während des Transports am Umzugsgut entstehen. Meist werden jedoch Haftungsgrenzen definiert. Üblich ist beispielsweise, einen bestimmten Haftungsbetrag pro Kubikmeter Laderaum festzulegen. Geregelt sind auch die Reklamationsfristen. Sofort ersichtliche Schäden müssen dem Spediteur spätestens am Tag nach dem Umzug schriftlich mitgeteilt werden, verdeckte Schäden innerhalb von 14 Tagen. Für Bruch in den Kartons zahlen einige Umzugsfirmen übrigens nur, wenn sie vom eigenen Personal gepackt wurden. Wer seine Kisten selbst gefüllt hat, geht leer aus.
sk
MieterMagazin: Wie viele Umzugsunternehmen konkurrieren auf dem Berliner Markt?
Hebert: Genaue Zahlen existieren nicht. Schätzungen zufolge könnten etwa 300 legale Umzugsunternehmen 200 illegalen gegenüberstehen. Der Wettbewerb ist riesengroß.
MieterMagazin: Woran erkennt man einen verlässlichen Spediteur?
Hebert: Als Kunde sollte man sich die Genehmigungsurkunde des Unternehmens zeigen lassen. Sie berechtigt zum Umzugsverkehr. Von Vorteil ist, wenn der Spediteur dem Bundesverband Möbelspedition angehört, denn dort kann der Kunde nicht erbrachte Leistungen einfordern. Außerdem empfehle ich, Freunde und Verwandte zu fragen, mit welcher Umzugsfirma sie gute Erfahrungen gemacht haben.
MieterMagazin: Kleiner Preis und hohe Qualität – geht das in der Umzugsbranche zusammen?
Hebert: Diese Kombination ist sehr selten. Qualität basiert auf Investitionen. Mitarbeiter müssen geschult werden und technische Geräte auf dem neuesten Stand sein. Dumpingpreise sind nur möglich, wenn man sich Investitionen wie diese spart. Von Qualität kann dabei keine Rede sein.
Das Gespräch führte MieterMagazin-Autorin Sandra Klose.
MieterMagazin 12/05
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29.08.2018