Townhouses, Lofts und schicke Penthäuser: Die Immobilienbranche sieht inzwischen auch in Berlin einen Markt für gehobenes bis luxuriöses Wohnen. Bei der Ausstattung von Neubauten wird nicht gespart: Hightech-Küche, Vollholzparkett, begrünte Dachterrasse, Pool, Concierge und ein eigener Aufzug gehören oft dazu. Gleichzeitig steigt der Bedarf und verringert sich das Angebot an günstigem Wohnraum.
Die Carlofts, die derzeit in der Liegnitzer Straße in Kreuzberg gebaut werden, sorgen für Aufsehen. Egal, ob dritter, vierter oder fünfter Stock: Das Auto steht gleich neben dem Wohnzimmer. Die Appartements sind inklusive Etagengärten und Car-Loggien zwischen 224 und 539 Quadratmeter groß, die Kaufpreise beginnen bei 450.600 Euro. In der Schwedter Straße, auf der Grenze von Prenzlauer Berg und Mitte, entstehen derzeit die „Kastaniengärten“: rund 37 Wohneinheiten von der „einfachen“ Wohnung, dem zweigeschossigen Atelierhaus bis zum viergeschossigen Stadthaus. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen ist bislang verkauft. Eine Vierzimmerwohnung mit knapp 165 Quadratmetern kostet hier fast eine halbe Million Euro. „Prenzlauer Gärten“, „Stadtgärten Winsviertel“, „Marthashof“ oder „Pucchini Hofgärten“ heißen einige andere Berliner Projekte. Derzeit boomen auch sogenannte Townhouses: schlanke Einund Mehrfamilienhäuser „für Stadtmenschen mit Eigenheimambitionen“, wie es auf der Internetseite des Projekts „Berlin Townhouses“ heißt, einem Musterbeispiel auf dem Friedrichswerder. Bis 2010 sollen fast 1000 solcher Gebäude auf innerstädtischen Brachflächen und Baulücken entstehen, so der Immobilienspezialist „Jones Lang LaSalle“ in seinem Mietwohnbericht für das erste Halbjahr 2008.
Kai Kummert von der Technischen Fachhochschule Berlin spricht bei diesen Projekten nicht von Luxus-, sondern von „gehobenem“ Wohnen: Den Quadratmeter gibt es für rund 3000 Euro beziehungsweise für eine Nettokaltmiete von zehn bis zwölf Euro. „Das ist häufig für Akademikerpaare interessant, bei denen beide verdienen und die sich dennoch ein preiswertes Ikea-Regal ins Wohnzimmer stellen.“ „Luxus“ fängt für Kummert erst bei einem Kaufpreis von etwa 5000 Euro pro Quadratmeter beziehungsweise einer Miete von 12 bis 18 Euro an – „obwohl in Berlin gelegentlich auch Mieten von 20 Euro und mehr gezahlt werden“. Bei etwa 4000 Euro pro Quadratmeter sieht der Marktbeobachter Bulwien Gesa AG den Beginn von „luxuriösem Wohnen“ in Berlin. In München wäre das nur knapp über dem Durchschnitt. Im Vergleich zu anderen deutschen und internationalen Großstädten seien die Immobilienpreise in Berlin immer noch günstig. Eine zahlungskräftige Klientel sei bei erstklassiger Lage und Top-Ausstattung sogar bereit, bis zu 7000 Euro für den Quadratmeter auf den Tisch zu legen, wie man dem Immobilien-Kompass des Wirtschaftsmagazins „Capital“ entnehmen kann.
Exponierte Lagen sind gefragt
Für Kummert gibt es in Berlin nicht nur für das gehobene, sondern auch für das Luxussegment einen Markt. Exponierte Lagen wie die Gegend um Potsdamer und Leipziger Platz seien gefragt. Am Landwehrkanal hat die Firma Vivacon das Luxusprojekt „Am Karlsbad“ entwickelt. Alle 108 Wohnungen, von der Einzimmerwohnung bis zum großflächigen Penthouse-Appartement, sind innerhalb weniger Monate weggegangen. In die Kategorie Luxus fallen auch die sogenannten Yoo-Wohnungen, die Vivacon und der Stardesigner Philippe Starck derzeit nahe der Friedrichstraße in Berlin-Mitte mit Blick auf die Spree bauen lassen.
Neben der Lage sind laut Kummert die Sicherheit, das Serviceangebot und im Neubau eine Deckenhöhe von mindestens drei Metern wichtige Kriterien, damit Luxuswohnungen auch gefragt sind. „Architektonische Besonderheiten und eine gehobene Ausstattung werden ohnehin erwartet.“ Luxus-Ghettos befürchtet er nicht. „In Berlin gibt es auch dank der städtischen Wohnungsgesellschaften noch genügend Mischung.“
Der Markt für günstige Wohnungen wird jedoch immer kleiner. Berlin ist zwar immer noch eine Mieterstadt, doch die Zahl der Kaufangebote steigt vor allem im Ostteil stetig, heißt es im „Capital Immobilien-Kompass“. Nicht mehr nur Grunewald, Dahlem, Schmargendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf gehören zu den teuersten Wohngegenden, aufgeholt haben vor allem die ehemaligen Ostbezirke Mitte und Prenzlauer Berg. Hier prognostizieren die Makler weiter steigende Preise. So wirbt die Nürnberger „Terraplan Immobilien- und Treuhandgesellschaft“ für ihr Bauprojekt „Hesperidenhöfe“ in Pankow mit den Worten: „Pankow ist Berlins Wachstumsmotor. Der saldierte Einwohnerüberschuss reicht nahe an die 10000er Grenze. Wo Einwohnerzahlen wachsen, steigen auch Mieten und Kaufpreise.“
Einkommen und Verbrauchspreise gehen auseinander
Laut Wohnungsmarktbarometer der Investitionsbank Berlin (IBB) von 2007 ist die Situation im oberen Preissegment nicht nur beim Wohneigentum, sondern auch auf dem Mietwoh-nungsmarkt entspannt. Im mittleren und vor allem im unteren Preissegment sieht das hingegen ganz anders aus: Hier wirkt sich der geringe Neubau aus. Auch durch Aufwertung und Sanierung verknappt sich das Angebot vor allem in den unteren Preislagen. Besonders problematisch ist das, weil gerade die Nachfrage nach günstigem Wohnraum überdurchschnittlich steigt. Laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg ist mehr als jeder fünfte Berliner auf soziale Transferleistungen wie ALG II oder Sozialhilfe angewiesen – im Bundesdurchschnitt sind es nur elf Prozent. Die Bruttolöhne der Berliner stiegen seit dem Jahr 2000 gerade mal um 4,2 Prozent, die Verbraucherpreise hingegen um 10,7 Prozent. Entsprechend nennt auch der aktuelle Wohnungsmarktbericht der IBB die gerin-gen Einkommen der Wohnungssuchenden und Mieter als das Hauptproblem auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Erschwerend kommen die stetig steigenden Energiekosten hinzu. „Gerade in einigen citynahen Lagen gehen Einkommen und Mietniveau weit auseinander.“ Hier weise einiges auf eine drohende Verdrängung der alteingesessenen Mieter durch die Aufwertung von Wohngebieten hin.
Genau davor warnt auch der Berliner Mieterverein (BMV) schon seit Langem. Der Immobilienspezialist Jones Lang LaSalle bestätigt deutliche Mietsteigerungen in den Szenequartieren in Mitte sowie in Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Zehn Euro und mehr pro Quadratmeter in einem hochwertig sanierten Altbau seien gerade in Prenzlauer Berg und zunehmend auch in Friedrichshain keine Seltenheit mehr.
Für die Immobilienbranche sind Luxuswohnungen, für die es hohe Kaufpreise oder Mieten gibt, wesentlich attraktiver als Mehrfamilienhäuser mit mittleren oder sogar niedrigen Mieten. Laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gibt es in der Innenstadt zwar derzeit rund 65.000 Sozialwohnungen. Seit 1999 ist jedoch die Neubauförderung im Sozialen Mietwohnungsbau eingestellt. Handlungsbedarf scheint der Senat aber nicht zu sehen. Stattdessen weist Thomas Brand, Leiter des Referats Wohnungs- und Mietenpolitik bei der Senatsverwaltung, auf den Leerstand von rund 65.000 Wohnungen in der Innenstadt hin, darunter auch Wohnungen im mittleren und preiswerten Marktsegment. Differenzierter urteilt die IBB: Zwar gebe es gerade in innenstadtnahen Vierteln viel Leerstand, doch zeige sich, „dass die betroffenen Bestände offenbar in Teilen nicht marktgängig sind oder nicht den aktuellen Wünschen und finanziellen Möglichkeiten der Nachfrageseite entsprechen.“
Der BMV sieht mit großer Sorge, dass die Mietbelastung von Haushalten mit niedrigen oder mittleren Einkommen deutlich zunimmt. „Gleichzeitig sind preiswerte Angebote auf dem Berliner Wohnungsmarkt immer schwerer zu erhalten“, so der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Reiner Wild. „Diese Nachfrager finden leider beim Senat kein Gehör.“
Kristina Simons
MieterMagazin 12/08
Hochpreisige Wohnungsangebote (oben: „Kastaniengärten“, unten: „Fichtebunker“) haben wenig Verkaufs- und Vermietungsschwierigkeiten
alle Fotos: Sabine Münch
Sogenannte Szenequartiere (hier: Simon-Dach-Straße in Friedrichshain) erleben deutliche Mietsteigerungen
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Singles haben’s schwer
Preiswerte Singlewohnungen sind immer mehr gefragt und immer schwerer zu bekommen. „400 Euro brutto kalt für eine Einzimmerwohnung mit 40 Quadratmetern kann ich mir als Student einfach nicht leisten“, klagt Jan Zeitz*, der derzeit in Friedrichshain und Kreuzberg auf Wohnungssuche ist. Etwas Günstigeres hat er bisher nicht gefunden. Auch in Neukölln sieht die Situation nicht viel besser aus: Eine Einzimmerwohnung für 400 Euro bruttowarm ist auch dort keine Seltenheit mehr. Der IBB-Wohnungsmarktbericht stellt fest: „Es sind insbesondere kleine Wohnungen, deren Mietpreise überdurchschnittlich steigen – demnach werden Mietwohnungen in der ,Stadt der Singlehaushalte‘ gerade für die größte Nachfragegruppe bis zu zehn Prozent teurer.“ So sieht auch der aktuelle Mietwohnungsbericht von Jones Lang LaSalle die größte Herausforderung auf dem Berliner Wohnungsmarkt darin, den steigenden Bedarf an Singlewohnungen zu decken.
ks
* Name geändert
08.07.2013