Die Energiepreissteigerungen der letzten Jahre wurden weder durch Gebäudeinvestitionen noch durch sparsameres Verhalten ausgeglichen. Diese ernüchternde, aber durchaus erwartete Bilanz musste die Senatorin für Umweltschutz, Katrin Lompscher, anlässlich der Vorstellung des neuen Heizspiegels bekanntgeben. Der neue Heizspiegel soll durch mehr Transparenz über Energieverbrauch und Heizkosten zu mehr Spareffekten führen. Der Berliner Mieterverein begrüßte die Herausgabe der aktualisierten Übersicht.
In den von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz mit 15.000 Euro geförderten Heizspiegel sind Verbrauchsdaten und Heizkosten von 65.000 Wohnungen eingeflossen. Bedauerlicherweise wird das Projekt von der Wohnungswirtschaft nur wenig unterstützt. Der Berliner Mieterverein mahnt an, die Klimaschutzvereinbarungen zwischen der Senatsverwaltung für Umwelt und dem Vermieterverband BBU hier konkret auch für eine Datenzulieferung zu verwenden.
„Hochverbraucher“ können anhand der Energieverbrauchsklassen schnell ermittelt werdenGrafik: Kebab im Auftrag der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz
Mit Hilfe des Heizspiegels wird der Gesamtenergieverbrauch eines Gebäudes oder einer Wohnanlage unter Berücksichtigung des Baualters und der Temperaturen des jeweiligen Abrechnungszeitraums (Klimafaktor) zu den Berliner Durchschnittswerten ins Verhältnis gesetzt. Der so ermittelte Energieverbrauchskennwert kann nun Energieverbrauchsklassen von A bis G zugeordnet werden, wie man sie von der „weißen Ware“ kennt (siehe Grafik). Gegenüber dem alten Heizspiegel von 1999 wurden wegen der energetischen Sanierung in den Wohnungsbeständen nun Klassen in Schritten zu 40 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter und Jahr gewählt. Mit diesem Verfahren können „Hochverbraucher“-Gebäude rasch identifiziert werden, erklärt Reiner Wild, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins. Bei den ermittelten Verbrauchskennwerten über 180 kWh pro Quadratmeter und Jahr darf ein überhöhter Energieverbrauch aufgrund eines schlechten energetischen Zustands unterstellt werden – es sei denn, das Nutzerverhalten ist prägend, wie das zum Beispiel in einem Gebäude mit nur wenigen Wohnungen oder Nutzern mit durchgängig überdurchschnittlichem Wärmebedarf der Fall ist, zum Beispiel in einem Seniorenwohnheim. Dringender Handlungsbedarf besteht bei Energieverbräuchen in Klasse E und F.
Bewohner eines Mehrfamilienhauses (Fläche: 1200 Quadratmeter) zahlen in den nächsten 20 Jahren über 500.000 Euro weniger Heizkosten, wenn ihr Gebäude in der Klasse B und nicht in F liegt (bei einer jährlichen Energiekostensteigerung von 7 Prozent)Grafik: Kebab im Auftrag der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz
Bei den Heizkosten wird nach Energieversorgungsart und Energieträger differenziert. Von der Erkenntnis zur Problemlösung ist es aber ein weiter Weg. Mieter sollten bei überdurchschnittlichem Energieverbrauch ihren Vermieter mit dem Heizspiegelergebnis konfrontieren. Durch Mängelbeseitigung an Heizanlagen und Gebäudebauteilen oder energetische Sanierung kann der Vermieter den Gebäudeenergieverbrauch reduzieren. Mieter können wegen eines hohen Energieverbrauchs aus einer Heizspiegeldiagnose den Vermieter jedoch mietrechtlich nicht zu einer energetischen Sanierung, etwa einer Wärmedämmung, zwingen. Im Einzelfall muss gerichtlich geklärt werden, ob hohe Heizkosten infolge eines hohen Energieverbrauchs – zum Beispiel wegen eines überalterten Heizkessels – einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot für Betriebskosten gemäß § 556 BGB darstellen. „Wir wollen, dass die Vermieter der gesellschaftlichen Aufgabe zum sparsamen Umgang mit Energie nachkommen, notfalls auch mit gerichtlicher Hilfe“, betont Wild.
Individuelles Verhalten überprüfen!
Der Heizspiegel dient aber auch dazu, den individuellen Energieverbrauch eines Mieters anhand des Gebäudedurchschnitts zu bewerten. Dies kann Anlass sein, die Heiz- und Lüftungsgewohnheiten zu hinterfragen. Der Heizspiegel leistet daher mit Hilfe der Kostentransparenz einen Beitrag zur Energieeinsparung der Mieter in den Wohnungen. Der Heizenergieverbrauch einer Wohnung wird bei durchschnittlicher Nutzung maßgeblich durch den energetischen Standard des Gebäudes bestimmt – insbesondere durch den baulichen Wärmeschutz. Dennoch hat der einzelne Nutzer immer einen Einfluss auf seinen Verbrauch. Besonders sparsames oder besonders verschwenderisches Verhalten führt auch bei unterschiedlichen Gebäudestandards üblicherweise zu Unterschieden von über 50 Prozent. So wurde in verschiedenen Studien zum Lüftungsverhalten von Bewohnern festgestellt, dass in Schlafzimmern, Bädern und Küchen nach wie vor die wärmeverlustreiche Dauerkipplüftung vorherrscht. In einer österreichischen Untersuchung zu Heizgewohnheiten wurde ermittelt, dass fast die Hälfte der befragten Wohnungsnutzer auch im Winter die Wohnung in Sommerkleidung nutzt. In Einzelfällen geht die Erwartung sogar soweit, dass im Winter trotz geöffneter Balkontür im angrenzenden Raum 20 Grad Celsius erreicht werden sollen.
Die Heiz- und Warmwasserkosten sind in den letzten Jahren dramatisch angestiegen. Laut Berliner Betriebskostenübersicht kletterten die Wärmekosten von 2003 zu 2007 bei Öl um circa 32 Prozent, bei Gasheizungen um 21 Prozent und bei Fernwärme um 8 Prozent. Der Preisschub im Jahr 2008 ist hierbei noch nicht einbezogen. Die Energiepreiserhöhungen führten vielfach zu Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen in Höhe von mehreren hundert Euro – Anlass für viele Mieter, sich an den Berliner Mieterverein zu wenden. Rund 11.000 Heizkostenabrechnungen wurden 2008 geprüft. Bei etwa 30 Prozent ergab sich ein mietrechtlicher Handlungsbedarf. In mehreren hundert Fällen wurden sogenannte „HeizChecks“ auf Basis des Heizspiegels durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass Heiz- und Warmwasserkosten von Gebäuden in Höhe von 1,50 Euro pro Quadratmeter monatlich keine Seltenheit mehr sind. Für eine 70 Quadratmeter große Durchschnittswohnung bedeutet dies immerhin Wärmekosten von 1260 Euro im Jahr.
Die im Heizspiegel angegebenen Durchschnittswerte für ölbeheizte und gasbeheizte Wohngebäude hält der Berliner Mieterverein nicht für repräsentativ. Die auf statistisch breiterer Basis ermittelte Betriebskostenübersicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung weist schon für den Abrechnungszeitraum 2007 deutlich höhere Heiz- und Warmwasserkosten (Gas: 0,98, Öl: 1,03 Euro pro Quadratmeter jährlich) aus. „Ursache für die schön gezeichneten Kosten ist die Auswahl der Daten, die in den Heizspiegel eingeflossen sind“, erklärt Wild – überproportional Wohnungsbestände mit energetischer Sanierung. „Bei der nächsten Datenerhebung zur Berliner Betriebskostenübersicht sollten auch die Energieverbräuche ermittelt werden, um diese Ungereimtheiten zu vermeiden“, fordert Wild.
Der Berliner Heizspiegel 2009 ergänzt den Energieausweis, der lediglich auf Anforderung hin Wohnungssuchenden vor Mietvertragsabschluss zugänglich gemacht werden muss. Energieausweise geben nur Auskunft über den Energieverbrauch oder den Energiebedarf eines Wohngebäudes. Heizkosten werden nicht genannt. Es ist davon auszugehen, dass weniger als 5 Prozent der Mieter den Energieausweis für ihr Wohnhaus kennen.
Das Ergebnis einer Heizspiegelprüfung ist ein Energieverbrauchskennwert. Dieser Wert stellt auch einen Anhaltspunkt dar, ob bei einer Mieterhöhung der energetische Zustand des Gebäudes wohnwertmindernd oder wohnwerterhöhend geltend gemacht werden kann. Befindet sich der errechnete Energieverbrauchskennwert nahe den Grenzen der drei Kennwertstufen des Mietspiegels, sollte jedoch wegen des etwas anderen Berechnungsverfahrens eine separate Kennwertberechnung speziell für den Berliner Mietspiegel durchgeführt werden: .
MM
MieterMagazin 12/09
Weder bessere Technik noch sparsameres Verhalten können die enormen Energiepreissteigerungen der letzten Jahre ausgleichen
Foto: epr/VDZ
Ein Flyer zum Berliner Heizspiegel 2009 ist in den Beratungszentren des Berliner Mietervereins erhältlich.
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Kostenlose Überprüfung
Auf der Internetseite www.heizspiegel.de/heizkosten-pruefen/energiesparchecks/heizcheck/ wird der neue Heizspiegel erläutert, der von der gemeinnützigen Gesellschaft Kebab im Auftrag der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz erstellt wurde. Dort findet sich auch ein Rechner, mit dem Energieverbrauch und Heizkosten bewertet werden können, erklärt Kebab-Geschäftsführer Hugo Starken. Bis zum 31. Dezember 2009 übernimmt Kebab diese Rechenaufgaben kostenlos für all die, denen eine Prüfung im Internet nicht möglich ist. Erforderlich ist lediglich eine Kopie der letzten Heizkostenabrechnung, die an Kebab, Flanaganstraße 45, 14195 Berlin geschickt werden muss. Der Berliner Mieterverein bietet diesen Service seinen Mitgliedern kostenfrei an.
mm
17.01.2023