Um eine neue Verwaltungszentrale zu bauen, will die „Bayer Schering Pharma AG“ im Wedding ein Wohnhaus abreißen. Die 20 Mietparteien im Altbau Fennstraße 35-37/Am Nordhafen 1 haben Ende September von Schering eine Kündigung erhalten. Die Begründung erscheint allerdings nicht sehr stichhaltig. Die Mieter wollen sich wehren.
Zum 31. Dezember 2010 sollen die ersten Mieter ihre Wohnung räumen. Den Mietern, die lange im Haus wohnen, wird eine Frist bis zum 30. September 2011 eingeräumt.
Bayer-Schering hatte im Frühjahr einen „Site Master Plan“ vorgestellt: Das Unternehmen möchte am Nordhafen ein neues Hauptgebäude mit Mitarbeiterrestaurant und Konferenzzentrum errichten. Das Wohnhaus steht den Plänen für diesen „PharmaCampus“ im Wege (wir berichteten im MieterMagazin 6/10: „Abriss for a better life?“). Die 2006 im Bayer-Konzern aufgegangene Schering AG ist seit 1985 Eigentümerin des Hauses.
Das bestehende Schering-Hauptgebäude an der Müllerstraße ist angeblich „stark sanierungsbedürftig“ und soll später abgerissen werden. Dessen Sanierung und die vorübergehende Anmietung von repräsentativen Büroflächen seien deutlich teurer als der geplante Neubau der Firmenzentrale. „Diese Maßnahme ist erforderlich, um die Rentabilität des Unternehmens zu erhalten beziehungsweise zu steigern“, heißt es im Kündigungsschreiben an die Mieter. Die Kündigung sei notwendig, weil Bayer-Schering „durch die Fortsetzung des Mietsverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wäre und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde“.
In welchen Fällen eine solche Begründung der Kündigung ausreicht, ist juristisch umstritten. Für Mietrechtsanwalt Christoph Müller ist sie nicht nachvollziehbar: „Dass Bayer ohne diese Umbaupläne pleite geht, ist unwahrscheinlich.“ Der Bayer-Konzern habe nämlich vier Wochen nach den Kündigungen stolz erklärt, dass er sein Ziel, den Umsatz im Jahr 2010 um fünf Prozent zu steigern, erreichen werde.
Senat und Bezirk haben das Bauvorhaben währenddessen begrüßt. Entsprechende Äußerungen von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) werden im Kündigungsschreiben ausführlich zitiert. Dass Aussagen von SPD-Politikern als Begründung für Kündigungen herangezogen werden, passt nicht so recht zu dem Bild der Mieterpartei, das die Berliner SPD derzeit von sich zu zeichnen versucht. Um Bayer-Schering den Weg zu ebnen, hat der Bezirk die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschlossen und ein Sozialplanverfahren in Gang gesetzt.
Die Mieter lassen sich davon jedoch nicht beirren. „Wir wollen hier bleiben“, sagt Gülay Bulcun, Sprecherin der Mieter, „und wir halten weiterhin zusammen.“
Jens Sethmann
MieterMagazin 12/10
Die Schering-Mieter wollen zusammenhalten und bleiben
Foto: Christian Muhrbeck
04.04.2013