Auf den Titel „Weltkulturerbe“ sind viele Mieter der Hufeisensiedlung nicht mehr gut zu sprechen. Im Zuge der denkmalgerechten Fassadeninstandsetzung wollte das Unternehmen „Deutsche Wohnen AG“ ihnen die Verglasungen der Balkone ersatzlos entfernen. Wer sich dagegen wehrte, muss bis heute mit einem halbfertig sanierten Balkon leben.
Seit 2008 zählt die Hufeisensiedlung in Britz zum UNESCO-Welterbe. „Seitdem ist nichts mehr, wie es war“, sagt eine Mieterin aus der Fritz-Reuter-Allee. Seit 2009 saniert die Deutsche Wohnen mit über 2,9 Millionen Euro Fördergeldern ihren dortigen Mietwohnungsbestand. Ziel ist eine „behutsame Zurückführung zum ursprünglichen Erscheinungsbild“.
Mit den betroffenen Mietern geht die Deutsche Wohnen indessen wenig behutsam um. Bei der Fassadeninstandsetzung der dreigeschossigen Zeilenbauten an der Fritz-Reuter-Allee, der sogenannten roten Front, versuchte sie, den Rückbau aller Balkonverglasungen durchzusetzen, angeblich weil dies für die Durchführung der Arbeiten notwendig sei. Ein anschließender Wiedereinbau sei aus denkmalpflegerischen Gründen nicht zulässig, weil die Balkone ursprünglich alle offen waren. Die meisten Mieter nahmen das zähneknirschend hin. Elf Mietparteien, die ihren voll- oder teilverglasten Balkon behalten wollten, weil sie ihn schließlich so angemietet hatten, wurden auf Duldung verklagt. Erfolglos, denn vor Gericht wurde gutachterlich nachgewiesen, dass das Entfernen der Verglasungen für die Durchführung der Instandsetzung nicht notwendig ist. Die Balkonfenster dürfen also bleiben.
Daraufhin hat die Deutsche Wohnen um die wehrhaften Mieter herumsaniert. Während die Fassade in frischem Rot erstrahlt, blieben die Balkonwände bei ihnen bis heute unsaniert und teilweise unverputzt. „Solange die Fenster drin sind, werden die Fassaden nicht saniert“, bekräftigt Deutsche-Wohnen-Sprecherin Manuela Damianakis.
Die Mieter fühlen sich nun persönlich benachteiligt und ungleich behandelt. Für das angestrebte einheitliche Erscheinungsbild ist das jetzige Stückwerk auch nicht gerade dienlich.
Mit Hinweis auf die Einheitlichkeit der Hufeisensiedlung will die Deutsche Wohnen den Mietern auch das Anbringen von Rollläden und Markisen verbieten. Markisen wären für die nun offenen Balkone ein willkommener Schutz, weil sie auf der Westseite liegen und Schlagregen schon für so manche Überschwemmung gesorgt hat. Nur über den Balkonen der obersten Etage sind farblich auf die Fassade abgestimmte Markisen zulässig.
Bei sich selbst nimmt die Deutsche Wohnen es mit dem Denkmalschutz nicht so genau: Ihr Service-Point am Hufeisenteich hat einen großen verglasten Anbau, der ursprünglich auch nicht vorhanden war. Er wurde in den 80er Jahren genehmigt und bleibe deshalb bestehen, erklärt Manuela Damianakis. „Wir sind keine fanatischen Denkmalpfleger.“
„Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen?“, fragen sich die Mieter. Das Landesdenkmalamt sieht darin keinen Widerspruch: Sie zeichnete im November die Deutsche Wohnen mit der Ferdinand-von-Quast-Medaille 2011 für besondere Verdienste um die Denkmalpflege aus.
Jens Sethmann
MieterMagazin 12/11
Denkmal-„Pflege“ der Deutsche Wohnen: Um beharrliche Mieter wurde herumsaniert
Foto: Sabine Münch
21.12.2016