In vielen Ländern Asiens ist es selbstverständlich, aber auch in vielen Berliner Haushalten mit „scheckheftgepflegten“ Parkettfußböden sieht man es gerne, wenn Besucher vor dem Betreten der Wohnung ihre Schuhe ablegen. Freundliche Wohnungsbesitzer halten zu diesem Zweck sogar Gästehausschuhe bereit. Gehört es bei Besuchen nun zum guten Ton, selbst zu fragen, ob man die Schuhe abstreifen soll?
Ist es in einigen Situationen nicht sogar enorm ungehörig, etwa wenn man tennisballgroße Löcher in den Socken oder Stinkefüße hat? Regula Söderbaum* jedenfalls forderte ihren Besucher nicht auf, seine Schuhe auszuziehen, stellte jedoch nach dem Ende des Besuches fest, dass ihr teurer Parkettfußboden an der Stelle, an der ihr Gast gesessen hatte, völlig zerkratzt war. Zerknirscht gab dieser zu, unbemerkt kleine Steinchen unter seinen Sohlen spazierengetragen zu haben – wohl auch eine Art, Freunde zu verlieren. Regula Söderbaum nahm ihn und seine Haftpflichtversicherung auf Schadensbeseitigung in Höhe von rund 4000 Euro in Anspruch, mit dem Argument, dass er diesen Schaden mit einfachem Blick unter seine Sohlen hätte voraussehen und vermeiden können. Die Versicherung lehnte ab, es kam zum Rechtsstreit.
Wie hätten Sie entschieden
Das Amtsgericht Siegburg gab der Haftpflichtversicherung des Gastes recht: Das Ausziehen der Schuhe sei bei erwachsenen Besuchern in Deutschland überwiegend unüblich. Zu den allgemeinen Gepflogenheiten gehöre es lediglich, die Schuhe vor der Tür ordentlich abzutreten. Allenfalls eine Aufforderung durch den Wohnungsbesitzer oder besonders schlechte Witterungsbedingungen könnten das Ausziehen der Schuhe nötig machen. Eine Aufforderung dazu hatte Regula Söderbaum jedoch unterlassen.
AG Siegburg, 16. Januar 2002 – 4 C 53/01 –
Elke Koepping
* Name von der Redaktion geändert
MieterMagazin 12/11
Illustration: Julia Gandras
01.04.2013