Das 100-jährige Bestehen ihres Hauses war für die Stadtplanerin Heidede Becker, langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Urbanistik, der Anlass, die Geschichte des Gebäudes Roscherstraße 5 und seiner Umgebung genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die kurze Kudamm-Seitenstraße wurde 1908/1909 in den rasanten Boomjahren des „Neuen Westens“ angelegt und mit großbürgerlichen Wohnhäusern bebaut. Neben Kaufleuten, Beamten und Offizieren lebte hier eine illustre Gesellschaft von Schauspielern, Opernsängerinnen und Schriftstellern. Auch Erich Kästner wohnte von 1931 bis 1944 in der Roscherstraße. In der Nummer 5 befand sich ein jüdisches Waisenheim. Das Schicksal der hier lebenden jüdischen Familien Grünthal, Davidsohn und Wollsteiner wird im Buch eingehender betrachtet.
Das Haus wurde im Krieg kaum beschädigt. Von 1934 bis 2002 war es im Familienbesitz. Die Mieter haben ihre Miete noch bis 1999 persönlich und in bar bei der im Haus wohnenden Eigentümerin bezahlt. Die detailliert nacherzählte Geschichte dieses gewöhnlichen Charlottenburger Wohnhauses steht beispielhaft für die Höhen und Tiefen des einst mondänen Westens.
js
MieterMagazin 12/12
Heidede Becker: Ein Stück Stadt ergründen – Haus- und Quartiersgeschichte in Berlin-Charlottenburg,
Filum Rubrum Verlag, Nauen 2012, 168 Seiten, 18,90 Euro
28.03.2013