Ob der Gesetzentwurf in seiner bisherigen Form bestehen bleibt, ist unklar. Von der Tagesordnung des Bundestags Mitte November wurde er abgesetzt. Bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags haben sich mit Ausnahme der Eigentümer- und Vermieterlobby alle Experten gegen die geplante Neufassung des Mietrechts ausgesprochen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lobte ihren Gesetzentwurf im September als „eine wirklich ausgewogene Anpassung von Leistung und Gegenleistung im Mietverhältnis“. Nicht nur die politische Opposition und der Deutsche Mieterbund (DMB) sehen das anders. Auch in der Fachwelt wird das Gesetzesvorhaben harsch kritisiert. In einer Expertenanhörung des Bundestages haben im Oktober Sachverständige, Richter, Anwälte und Wissenschaftler die Mietrechtsänderung regelrecht zerpflückt.
Den heftigsten Widerspruch erntete der dreimonatige Ausschluss der Mietminderung bei energetischen Sanierungsmaßnahmen. Um Eigentümern Anreize zu klimaschonenden Modernisierungen zu geben, sollen Mieter Baulärm, Dreck, Verdunkelung durch Gerüste und Planen, Heizungsausfälle und Wassersperrungen hinnehmen und dennoch die volle Miete zahlen.
„Der Ausschluss des Mietminderungsrechts ist systemwidrig und greift in das Prinzip der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ein“, sagt Klaus Schach, ehemaliger Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin. Auch der Jurist Markus Artz von der Forschungsstelle für Immobilienrecht an der Universität Bielefeld sieht darin „einen fundamentalen Eingriff in die Systematik des Gesetzes“. Zudem entsteht ein erhebliches Streitpotenzial bei der Abgrenzung von energetischen Sanierungen zu sonstigen Modernisierungen und Instandsetzungen. „Aus Sicht der Praxis lässt der Minderungsausschluss eine Fülle von neuen Rechtsproblemen erwarten“, erklärt Werner Hinz, Vorsitzender Richter am Landgericht Itzehoe. Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin bei der Deutschen Umwelthilfe zweifelt den vorgeblichen Zweck der Änderung an: „Es drängt sich der Eindruck auf, dass unter dem Deckmantel des Klimaschutzes vermieterfreundliche Sanierungen von Mietwohnungen durch Ausschluss von Mietminderungsmöglichkeiten durchgesetzt werden sollen.“
Rechtsschutz en passant ausgehebelt
Auch die Maßnahmen gegen das sogenannte Mietnomadenproblem treffen auf breite Ablehnung. Bei Streitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter über Mietzahlungen oder Mietminderungen soll das Gericht anordnen dürfen, dass Mieter den strittigen Geldbetrag hinterlegen müssen. Reagiert der Mieter nicht, kann das Gericht die Räumung der Wohnung per einstweiliger Verfügung anordnen.
„Eine derartige Regelung hat es in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland wohl noch nicht gegeben“, sagt Klaus Schach, hier müssten „die Alarmglocken läuten“. Auch die übrigen Sachverständigen lehnen die Regelungen ab. So hält Ulf Börstinghaus, Richter am Amtsgericht Dortmund und Vorsitzender des Deutschen Mietgerichtstags, die Sicherungsanordnung für „völlig überflüssig und unpraktikabel“, die Räumung per einstweiliger Verfügung „widerspricht allen rechtsstaatlichen Grundsätzen“, so Börstinghaus. Cornelia Ziehm hat den Eindruck, „dass das populäre Schlagwort des Mietnomadentums genutzt wird, um en passant den Rechtsschutz grundsätzlich zu verkürzen“.
Die Vertreter der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus & Grund und der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland zeigten sich in der Anhörung als einzige rundum zufrieden. Der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae zog daraus den bemerkenswerten Schluss: „Die Sachverständigen bestätigten in der Mehrheit, dass der Entwurf gelungen ist.“
Die Bundesregierung sei „den Vermieter- und Eigentümerverbänden auf den Leim gegangen“, meint DMB-Direktor Lukas Siebenkotten. „Nach dieser Fundamentalkritik der Sachverständigen können die Abgeordneten der Koalition und die Bundesregierung nicht länger an ihren Plänen zur Änderung des Mietrechts festhalten. Sie müssen das Gesetz stoppen“, fordert Siebenkotten.
Jens Sethmann
MieterMagazin 12/12
Experten erwarten eine Fülle von Rechtsproblemen, wenn das Recht auf Mietminderung bei energetischen Sanierungen entfällt
Foto: Christian Muhrbeck
Rat und Tat
Mietrechtseinschnitte mit Ansage
Die Einschnitte in die Mieterrechte haben sich CDU/CSU und FDP bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung von 2009 vorgenommen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf legte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger im Herbst 2010 vor. Im Mai 2012 wurde er vom Bundeskabinett beschlossen. Zwar lehnte ihn der Bundesrat im Juli ab, doch ist eine Zustimmung der Länderkammer bei diesem Gesetz nicht notwendig. Die erste Lesung im Bundestag fand am 27. September statt.
js
28.03.2013