Ende Oktober trafen sich Mietervereine aus Europa und der ganzen Welt im polnischen Krakau zum Kongress der Internationalen Mietervereinigung I.U.T („International Union of Tenants“). Auch der Berliner Mieterverein war vertreten.
Im Mittelpunkt des Kongresses stand die Frage nach einer bezahlbaren Wohnraumversorgung in Europa. In vielen Ländern brennt das Thema unter den Nägeln: 8 Prozent aller Europäer und ein Drittel der von Armut Bedrohten wenden mehr als 40 Prozent ihres Haushaltseinkommens für das Wohnen auf. 17 Prozent der Europäer befinden sich im Zahlungsrückstand mit der Miete, der Rückzahlung von Darlehen oder den Strom- und sonstigen Versorgungskosten.
In vielen Ländern Europas überwiegt der Anteil an Eigentumswohnungen deutlich gegenüber dem Anteil an Mietwohnungen. In Estland, Litauen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien liegt beispielsweise die Eigentumsquote bei über 95 Prozent. Doch auch in Großbritannien, Irland, Schweden und Polen wohnt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Eigentumswohnungen. Was auf den ersten Blick nach Wohlstand aussieht, weist bei näherer Betrachtung Probleme auf: Das Geld für die eigene Wohnung muss erst einmal aufgebracht werden. Der Einzug in die erste Wohnung ist oft mit einer großen Schuldenlast verbunden. Hohe Darlehenstilgungsraten bringen die Eigentümer dann häufig an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit. Interessant ist der Zusammenhang zwischen nationalen Einkommen und den Wohnungseigentümerquoten. Beispiele wie die Schweiz (Wohnungseigentümerquote von 36 Prozent), Deutschland (43 Prozent), Schweden (50 Prozent) und Niederlande (54 Prozent) belegen: Je höher das nationale Einkommen, desto niedriger die Wohnungseigentümerquote.
Die Teilnehmer des Kongresses waren sich auch einig, dass ein Zusammenhang zwischen dem Ausbau des Mietwohnungsbestandes und der Verringerung des Armutsrisikos besteht. „Angemessenes und bezahlbares Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis“, betonte Magnus Hammer, Generalsekretär der I.U.T., „und der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum ist die Grundsäule einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft.“ Insbesondere dem kommunalen sozialen Wohnungsbau wurde eine maßgebliche Rolle für die bezahlbare Wohnraumversorgung eingeräumt.
Über die Zielrichtung des Sozialen Wohnungsbaus besteht hingegen nicht immer Einigkeit, wie folgender Fall aufzeigt: Die Europäische Kommission fordert von den Niederlanden, niedrigere Einkommensgrenzen für Haushalte zu definieren, die Zugang zu Sozialem Wohnungsbau haben sollen. Die Niederländer wehren sich dagegen mit dem Argument, Sozialer Wohnungsbau müsse einer breiten Bevölkerungsschicht zur Verfügung stehen und die von der EU geforderten Einkommensgrenzen würden das Versorgungsziel unterlaufen. Das Beispiel verdeutlicht den zunehmenden Einfluss der Europäischen Gesetzgebung auf die Wohnungspolitik der Mitgliedsstaaten.
Der internationale Mieterkongress war weiter geprägt vom Erfahrungsaustausch über das Mietrecht der unterschiedlichen Länder.
Überschattet wurde er von der fehlenden Teilnahme der afrikanischen Delegation, die der Einladung nicht folgen konnte, da Polen ihr die Einreise verweigerte. Vor dem Hintergrund, dass Polen Mitglied des Schengener Abkommens ist, ein Affront.
Wibke Werner
MieterMagazin 12/13
Ein internationaler Erfahrungsaustausch von Mieterorganisationen fand im Oktober im polnischen Krakau statt
Foto: I.U.T.
05.12.2013