Wer nicht wie Diogenes in der Tonne haust, erlebt das öfters: Der Keller ist zu voll, oder die neue Wohnung braucht neue Möbel, die alten müssen weg. Das wird mühsam. Alles ins Auto schleppen und zum Recyclinghof fahren, vielleicht sogar mehrfach? Nicht jeder hat die Zeit oder einen Führerschein. Da hilft ein Anruf bei einem Entsorgungsunternehmen. Doch wer an einen seriösen Entrümpler geraten will, sollte gewisse Tipps beachten.
Horst Klein* hat den Boden unter den Füßen verloren. Werbeblatt für Werbeblatt, Zigarettenschachtel für Zigarettenschachtel, Rechnung für Rechnung. Die letzten Monate, die er in seiner Wohnung nahe des Schillerparks lebte, trat er nur noch auf einem Müllhaufen herum, mehrere Zentimeter dick. Der Boden darunter: Nicht mehr zu sehen. Er hauste in einer Messie-Wohnung, zugemüllt, verraucht, ein beißender Gestank von verschimmelten Lebensmitteln in der Luft. Im Oktober zog Horst Klein ins „Betreute Wohnen“. Und jetzt, wenige Tage später, steht Erdal Yildiz mit seinen Männern im Wohnzimmer, mit Schaufel, Schutzanzug und Mundschutz ausgestattet, und transportiert in Mülltüten das frühere Leben von Horst Klein ab. Erdal Yildiz ist Chef des Entsorgungsunternehmens „Kraftzone“ und sagt: „Für mich ist das nichts Besonderes mehr.“
„Yildiz, 35 Jahre alt, arbeitet seit vielen Jahren als Entsorger. Er könnte sich theoretisch auch Entrümpler oder Haushaltsauflöser nennen. Sie gehören alle zur gleichen Branche, und alles sind ungeschützte Berufsbezeichungen. Jeder kann sich so nennen, keiner braucht eine Ausbildung dafür. Ein Papier mit seinem Angebot an den Laternenpfahl geklebt, eine Internet-Seite gebastelt, eine Klein-Anzeige geschaltet und schon hat man diesen Beruf. Doch trotzdem – oder gerade deswegen – gibt es in der Branche große Qualitätsunterschiede. Denn der eine will vor allem schnelles Geld, der andere einen guten Job machen. Und weil Yildiz einen guten Job machen will, hat er gelernt. Nicht in einer Ausbildung, aber in einem Entsorgungsfachbetrieb – und vom Leben.
Als der Weddinger Anfang 20 war, jobbte er im evangelischen Geriatriezentrum. „Meine Leidenschaft sind die Menschen – ich könnte nicht im Büro sitzen“, erzählt er. Yildiz ist kommunikativ, unterhält sich gern. Und so bekam er damals im Geriatriezentrum auch mit, dass viele Menschen Hilfe beim Ausräumen ihrer Wohnung benötigen, wenn sie in ein Heim umziehen. Er packte ehrenamtlich an, wenn die alten Herrschaften ihren Haushalt auflösten, und stellte fest: Das ist eine Geschäftsidee, daraus lässt sich etwas machen. Zuerst arbeitete er mit seinem Bruder zusammen, als der einen Fachbetrieb für Entsorgungen aufmachte. Vor knapp zwei Jahren gründete Yildiz die „Kraftzone“.
„Man erfährt viel über den Menschen“
Und das hat er nun davon. Er steht in einer Messie-Wohnung knöcheltief im Müll. Er ist nicht angewidert, er macht seine Arbeit. Und lernt viel über Menschen. Wer eine Wohnung betritt, überschreitet die Grenze der Intimität, der weiß schnell, was das für einer ist, der da wohnt. „Ich kann mittlerweile fast sagen, was jemand liest, wenn ich dessen Wohnung betrete“, erzählt Yildiz. „Und man kann sich sicher sein, dass bei einer alten Frau immer ein Pelzmantel im Schrank hängt und im Wohnzimmerschrank ein Porzellangeschirr steht. Bei den Jüngeren ist alles Ikea.“
Der klassische Fall, das Entsorgen nach einem Todesfall, sei seine häufigste Aufgabe, doch bei Weitem nicht die einzige, meint Yildiz. Sein Auftragskalender liest sich eher wie das Buch der vielen Lebenswege. Da steht neben der Räumung der Wohnung eines Verstorbenen auch die Entrümpelung einer Brandwohnung drin, an einem anderen Tag ist ein Keller dran oder ein Dachgeschoss. Das eine Mal hilft er einer jungen Berlinerin, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt und ihren gesamten Haushalt loswerden muss. Das andere Mal zieht eine Rentnerin ins Heim und muss sich verkleinern. Yildiz holt dann nur einen Teil des Haushalts ab.
Bevor der Entsorger einen Auftrag annimmt, schaut er sich erst an, was es überhaupt zu entsorgen gibt. Und ob noch wertvolle Sachen unter dem Hausrat sind. Denn ein Entsorgungsunternehmen macht in der Regel beides: Reines Entrümpeln sowie die Haushaltsauflösung, bei der dem Kunden Wertgegenstände gutgeschrieben werden. Yildiz geht also durch die Wohnung und hält Ausschau nach einem funktionierenden Kühlschrank oder einer netten Lampe, alten Briefmarken oder wertvollen Uhren. Arbeitszeit und Anzahl der Mitarbeiter, die er für die Entrümpelung zur Verfügung stellen muss minus dem Wert der noch brauchbaren Sachen – das macht die abschließende Rechnung aus.
Wenn er räumt, wird alles sofort getrennt. Die guten Sachen in die eine Ecke, der Sperrmüll in die andere. Ausnahme: Todesfall. Dann trägt er mit seinen Mitarbeitern in aller Stille die Sachen raus. „Da stehen wir nicht rum und schauen, was noch besonders wertvoll sein könnte.“
In den anderen Fällen kann er forscher sein. Bevor er den Vertrag aufsetzt, schätzt er ein, welche Gegenstände noch Wert haben, fotografiert sie, macht sein Angebot. Bevor er mit seiner Arbeit anfängt, will er alles genau abklären. „Es muss alles im Vertrag festgehalten werden.“ Yildiz wiederholt und wiederholt das. Zu oft hat er von Verträgen gehört, die nur unklar ausgehandelt wurden. Da steht dann nur ein Ungefähr-Preis und eine Kubikmeterzahl, die man so oder so interpretieren kann.
Doch ein handwerklich sauberer Vertrag ist die beste Absicherung. Für beide Seiten. „Man muss unbedingt einen festen Preis vereinbaren“, gibt der Kraftzone-Chef noch als Tipp. „Sonst hat man alles zum Auszug vorbereitet, dann kommen die Entrümpler und stellen mitten beim Ausräumen fest, dass es länger dauert als gedacht. Und dann hat man den Ärger!“
Yildiz mag seine Arbeit sehr, aber von manchen seiner Kollegen ist er nicht gerade angetan. „Einige schwarze Schafe ziehen die Branche in den Schmutz“, sagt er.
Drei Anbieter, drei Preise
Schon ein paar Testanrufe bei willkürlich ausgewählten Berliner Entsorgungsfirmen zeigen, wie uneinheitlich die Branche agiert. Zur Anfrage steht: der Abtransport eines kleinen Kühlschranks, einer Waschmaschine, eines Doppelbetts sowie einer großen Couch. Schon bei diesem Mini-Auftrag lassen sich die Firmen nicht nur unterschiedlich bezahlen, sie schätzen die Menge der Ware auch völlig verschieden ein. Das erste Unternehmen würde die Sachen für 100 Euro abholen, schätzt sie auf zwei bis drei Kubikmeter bei 40 Euro pro Kubikmeter. Das zweite Unternehmen schätzt die gleiche Menge auf vier bis fünf Kubikmeter à 40 Euro. Das Angebot klettert dort auf circa 180 Euro. Das dritte Unternehmen fährt eine neue Rechnung auf: Doppelbett und Sofa seien ungefähr vier Kubikmeter für insgesamt 120 Euro. Kämen noch pauschal 30 Euro für Waschmaschine und Kühlschrank hinzu. 150 Euro will es insgesamt für den Abtransport.
So günstig die Angebote klingen: Der Experte würde ablehnen. „Keine Kubikmeterpreise akzeptieren“, warnt Bernd Ruschinzik, Jurist bei der Verbraucherzentrale. „Denn wie definiert man einen Kubikmeter?“ fragt er. „Wenn der Wohnzimmerschrank zusammengebaut ist, oder wenn er zerlegt ist? Wenn er innen hohl oder gefüllt ist?“ Und wer garantiert, dass dem Mitarbeiter vor Ort nicht plötzlich auffällt, dass es doch eher doppelt so viele Kubikmeter sind?
Nur eine der angerufenen Firmen geht den Auftrag von einer anderen Seite an. Die Dame am Apparat rechnet in Arbeitszeit und Anzahl der Mitarbeiter, die nötig wären. Zwei bis drei Stunden, zwei kräftige Männer, veranschlagt sie. Die Verbraucherzentrale hält den Daumen hoch: So sollte es gemacht werden. Doch die Seriosität hat ihren Preis: 250 bis 350 Euro verlangt die Firma.
Jurist Ruschinzik rät, möglichst im Bekanntenkreis zu fragen, wer einen guten Entrümpler kennt. Erdal Yildiz würde sofort nicken. Die meisten seiner Aufträge bekommt er über Weiterempfehlungen, erzählt er. Ein zufriedener Kunde ist für ihn nicht nur das Ende eines Auftrags, sondern auch der Beginn eines neuen. Yildiz weiß, wie wertvoll ein guter Ruf in dieser Branche ist.
Wiebke Schönherr
* Name von der Redaktion geändert
MieterMagazin 12/13
Fotos: Nils Richter
Erdal Yildiz ist Chef des Entsorgungsunternehmens „Kraftzone“ – er sagt: „… aus Leidenschaft“
Gelegentlich müssen sich Entsorger erst einen Weg bahnen
Brauchbare Gegenstände werden gegen die Räumungskosten aufgerechnet – wenn denn welche vorhanden sind
Rat und Tat
Selbst entsorgen?
Wer einen Haushalt auflösen will oder muss, kann die Kosten senken, die bei einer gewerblichen Haushaltsauflösung entstehen, wenn er vorher selbst eine Tour zum Recyclinghof macht. In Berlin unterhält die Berliner Stadtreinigung (BSR) 15 Recyclinghöfe, auf denen Sperrmüll abgeladen werden kann. Bis zu zwei Kubikmeter Sperrmüll können dort kostenfrei abgegeben werden. Das entspricht etwa einer Ladung, die in einen Kombi mit umgeklappter Sitzbank passt. Es gilt dabei das tatsächliche Volumen. Wer also eine große Schrankwand abgeben will und noch ein paar Stühle dazu, sollte diese vorher soweit zerkleinern, dass sie tatsächlich nicht mehr als 2x1x1 Meter einnehmen. Wer größere Mengen abliefern will, wird bei der BSR zur Kasse gebeten und kann den Sperrmüll nur zum Abfallbehandlungswerk Süd in der Gradestraße bringen.
ws
09.04.2014