Auch Wohnungsgenossenschaften betätigen sich zuweilen als Preistreiber auf dem Wohnungsmarkt. Der Wohnungsbau-Verein Neukölln (WBV) zum Beispiel will die Häuser in der Heidelberger Straße 15-18 abreißen und dort hochpreisige Neubauten errichten. Das Nutzungsentgelt, das jetzt unter 5 Euro netto je Quadratmeter liegt, soll dann auf 8,50 Euro steigen.
Als die „Mieter-Initiative zum Erhalt der Heidelberger Straße“ („MIEZE“) und die Stadtteilinitiative Karla Pappel kürzlich zu einer Informationsveranstaltung vor Ort einluden, holte die WBV die Polizei, die die Veranstaltung kurzerhand beendete.
Zurzeit harren noch zwölf Bewohner in den beiden Blöcken in der Heidelberger Straße aus. Das Gros der Wohnungen steht seit Monaten leer. Die WBV behauptet: „Bei unseren Analysen stellte sich schnell heraus, dass eine Sanierung der aus den 1960er Jahren stammenden Gebäude nur mit sehr hohem finanziellen Aufwand möglich wäre.“ Zwei Gutachten sollten das bestätigen. Sie listen jedoch vor allem Baumängel auf, die im Rahmen der Instandhaltung zu beseitigen wären. Die „Überarbeitung“ der Balkone schlägt da mit 5000 Euro zu Buche, jede neue Wohnungseingangstür mit 2000 Euro. Für den Ersatz einer überdimensionierten, gebraucht eingebauten Heizung werden eine Million Euro veranschlagt. Das neue Dach soll rund 340 000 Euro kosten – dessen Erneuerung wäre aber nach mittlerweile 55 Jahren nur eine notwendige Instandsetzung.
Ingrid Tornow und die anderen verbliebenen Bewohner widersprechen auch der Behauptung des Vorstandes ihrer Genossenschaft, die Häuser seien nicht mehr zeitgemäß: „Dann müsste man halb Berlin abreißen.“ Sie sind mit ihren Wohnungen zufrieden: Es gibt keine Havarien, keinen Schimmel, keine sonstigen Probleme, die nicht mit Farbe und einer Fugensanierung zu beheben wären.
Die Bewohner verlangen deshalb die Weiterführung der abgebrochenen Instandhaltungsmaßnahmen, keine weitere Entmietung und die sofortige Wiedervermietung der leerstehenden Wohnungen. Laut Jan Wächter, Kommunikationsberater der WBV, steht die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum im Fokus der Genossenschaft. Fragt sich, ob dort nicht eher die berechtigten Interessen der Mitglieder stehen sollten.
Rainer Bratfisch
01.12.2015