Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat mit 35 Verbänden ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ geschmiedet und im Oktober 187 „Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive“ beschlossen. Darunter sind neben sinnvollen Vorschlägen viele alte Ladenhüter und unverbindliche Absichtserklärungen. Dass das Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, so erreicht wird, bezweifelt die Bau- und Wohnungswirtschaft vehement – und verlautbart gleichzeitig, ihren Teil der ins Auge gefassten Aufgaben bereits verrichtet zu haben. Jetzt sei der Staat am Zuge.
Von den 400.000 Wohnungen sollen 100.000 als Sozialwohnungen entstehen. Dies sei „notwendiger denn je“, sagt Klara Geywitz. Die Fördermittel für den Sozialen Wohnungsbau erhöht der Bund für den Zeitraum von 2022 bis 2026 auf insgesamt 14,5 Milliarden Euro. Im Bündnis ist festgeschrieben, dass die Länder diese Mittel tatsächlich abrufen und „bedarfsgerecht“ kofinanzieren. Bisher haben einige Länder die Bundesgelder für den Sozialen Wohnungsbau für andere Zwecke genutzt. Wie die „bedarfsgerechte“ Kofinanzierung aussehen soll, lässt das Bündnispapier offen. Die Länder sollen den Bauträgern höhere Fördersummen anbieten, wenn dadurch längerfristige Sozialbindungen garantiert werden. Künftig können auch Gebäudeaufstockungen und Umbauten zu Wohnzwecken gefördert und Belegungsbindungen in bestehenden Wohnhäusern angekauft werden.
Zu befürchten ist jedoch, dass die Milliarden nicht vollständig in den Bau dringend benötigter Sozialmietwohnungen fließen, denn der Bund will Anfang 2023 ein Wohneigentumsprogramm nachschieben: Für Ersterwerber mit mittleren Einkommen sind KfW-Darlehen zur Stärkung des Eigenkapitals vorgesehen. Darüber hinaus will man auch die Einführung eines „Mietkaufmodells“ prüfen. Die Länder können zudem bei der Grunderwerbsteuer Freibeträge für selbstnutzende Eigentümer festlegen. Künftige Häuslebauer und Wohnungskäufer dürfen sich also wohlumsorgt fühlen.
Im Blick: Geringverdiener und die Umwelt
Damit Menschen mit geringem Einkommen in eine Wohnungsgenossenschaft eintreten können, wird der Erwerb von Genossenschaftsanteilen stärker gefördert. Um Studierende und Auszubildende mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen, soll 2023 ein Bund-Länder-Programm aufgelegt werden. Für Wohnungslose wird im nächsten Jahr ein Nationaler Aktionsplan erarbeitet. Wieviel Geld in die einzelnen Maßnahmen fließt, steht im Bündnispapier nicht.
Nur dürre Worte finden sich dort auch zur Wohngemeinnützigkeit, deren Einführung SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hatten. Die Unterzeichnenden des Wohnraum-Bündnisses haben sich auf die Formel geeinigt, sie wollten das Gesetzgebungsverfahren „konstruktiv-kritisch begleiten“.
Die Schonung der Umwelt soll beim Bauen mehr in den Blick genommen werden. Der Bund will Anfang 2023 ein Förderprogramm „Klimafreundliches Bauen“ starten sowie eine Holzbau-, Leichtbau- und Rohstoffsicherungsstrategie entwickeln. Für Neubauten wird ein Gebäuderessourcenpass eingeführt, der später das Recycling der verwendeten Baustoffe erleichtert. Um den Flächenfraß und die Bodenversiegelung durch Neubauten zu bremsen, soll für Umnutzungen, Umbauten und Aufstockungen von Bestandsgebäuden geworben werden. Leerstehende Räume will man „aktivieren“ und die Möglichkeit zum Wohnungstausch bekannter machen.
Zur Beschleunigung der Bauplanung ist vorgesehen, im Baugesetzbuch die Abläufe flexibler zu gestalten. In den kommunalen Bauämtern sollen mehr Personal und eine verstärkte Digitalisierung für schnellere Baugenehmigungen sorgen. Dachgeschosse dürfen künftig ohne Baugenehmigung zu Wohnzwecken ausgebaut werden.
Kostengünstige Serien- und Modulbauten sollen dadurch gefördert werden, dass eine einmal erteilte Baugenehmigung für denselben Bautyp bundesweit gilt. Dazu müssten die Länder ihre Bauordnungen aneinander angleichen.
Eine Vereinheitlichung der Landesbauordnungen wird von der Bauwirtschaft seit Jahrzehnten gefordert und auch von der Politik immer wieder angestrebt. Doch die einzelnen Länder machen nur zaghafte Schritte in eine Harmonisierung, schaffen dagegen aber immer wieder eigene neue Regelungen, die den beklagten Vorschriften-Wirrwarr vergrößern.
Eine Baubeschleunigung strebt das Bündnis-Papier durch Änderungen im Vergaberecht an. So müssen öffentliche Wohnungsunternehmen Bauaufträge nicht mehr europaweit ausschreiben, kleinere Bauleistungen brauchen gar nicht mehr ausgeschrieben werden.
Die vereinbarten Maßnahmen zur Bodenpolitik sind nicht sehr weitreichend. So wird die Privatisierung öffentlicher Grundstücke nicht ausgeschlossen. Sie sollen nur nicht mehr nach dem höchsten Gebot, sondern verstärkt nach dem besten Konzept vergeben werden. Die Gemeinden sind aufgefordert, mehr städtebauliche Entwicklungsgebiete zwecks Kontrolle des dortigen Grundstückshandels auszuweisen und kommunale Bodenfonds aufzubauen. Das Land Berlin verfährt so schon seit Jahren und hat den Verkauf landeseigener Grundstücke bereits gänzlich gestoppt. Bei den weiterhin beschlossenen Maßnahmen – mehr Transparenz für die Grundbücher, bessere Möglichkeiten, Vorkaufsrechte zu nutzen, Baugebote auszusprechen und planungsbedingte Wertsteigerungen abzuschöpfen – wartet Berlin schon lange darauf, dass der Bund tätig wird.
Eigenwillige Vorstellung von Ausgewogenheit
In der Zusammenschau der Maßnahmen ist auffällig, dass sich das Bundesbauministerium, die Länder und die Kommunen zu vielen kurzfristigen Gesetzesänderungen, Fördermittelerhöhungen und Verwaltungsvereinfachungen verpflichten, die Bau- und Wohnungswirtschaft aber kaum konkrete Zusagen macht. Bei 149 der 187 Maßnahmen liegt die Umsetzung in der öffentlichen Hand. Die übrigen Bündnis-Mitglieder werden nur bei den verbleibenden 38 Einzelvorhaben in die Pflicht genommen. Besonders ins Auge sticht: Die Immobilienbranche will sich nicht auf das Hauptziel von 400.000 zu bauenden Wohnungen festlegen. Gleichwohl erwartet sie von der Politik die zugesagten Erleichterungen. „Die Bündnis-Partner haben ihre Hausaufgaben gemacht, jetzt sind alle staatlichen Ebenen für die gemeinsame Umsetzung am Zug“, sagte zum Beispiel Axel Gedaschko, Präsident des Immobilien-Verbands GdW, der gleichzeitig erklärt, dass das 400.000-Wohnungen-Ziel trotz der vereinbarten Maßnahmen „auf absehbare Zeit unerreichbar“ sei. Die eine soll liefern, die andere Seite schaut dann mal, was sie damit machen kann – eine sehr eigenwillige Vorstellung von einem ausgewogenen Bündnis.
Jens Sethmann
Was alles außen vor geblieben ist
Bezeichnend ist, was das Bündnis bezahlbarer Wohnraum in der Diskussion ausklammert. Behandelt werden nur Punkte, die in der Zuständigkeit von Bauministerin Geywitz liegen. Das Mietrecht und die Energiekosten hätten in einem Bündnis mit dem Titel „Bezahlbarer Wohnraum“ eigentlich auch thematisiert werden müssen. Doch sie bleiben ausgeklammert.
Die Energiekosten liegen in der Verantwortung des Wirtschafts- und Klimaschutzministers Robert Habeck (Grüne). Er müht sich mit verschiedenen Entlastungspaketen ab, die einerseits die Menschen vor explodierenden Heiz-, Warmwasser- und Strompreisen schützen, andererseits aber auch einen Anreiz zu verstärkten Sparanstrengungen geben sollen. Ein Gesamtkonzept ist dabei nicht zu erkennen. Auch für Förderprogramme zur energetischen Sanierung des Wohnungsbestandes ist Habeck zuständig.
Das Mietrecht wiederum liegt in den Händen von Justizminister Marco Buschmann (FDP). Seine Partei hat dafür gesorgt, dass schon im Koalitionsvertrag der Ampel zum Mietrecht nur Minimalkompromisse aufgenommen wurden. Nun blockiert sie seit mittlerweile einem Jahr die meisten der vereinbarten Gesetzesänderungen: Sowohl die Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes, um überhöhte Mieten verfolgen zu können, als auch die Wiederherstellung des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten wurden vom kleinsten Koalitionspartner regelrecht ausgebremst. Die angekündigte Bekämpfung der „illegalen Finanzierung von Immobilien“ bleibt Buschmann ebenfalls noch schuldig.
js
Bündnis bezahlbarer Wohnraum – Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive.
Download unter www.bmwsb.bund.de
BMV: Bündnis Bezahlbarer Wohnraum der Bundesregierung:
Zentrale Maßnahmen für bezahlbaren Wohnraum fehlen
05.12.2022