Alle Jahre wieder findet man sie im Briefkasten: Die Nebenkostenabrechnung. Und mehr und mehr löst sie bei Mieterinnen und Mietern Erschrecken oder Entsetzen aus. Nachzahlungen von mehreren tausend Euro werden in extremen Fällen gefordert, einige hundert Euro sind es oft. Woran liegt das?
Wer Wohnraum vermietet, muss einmal jährlich eine Nebenkostenabrechnung erstellen, wenn seine Mieter oder die Mieterinnen zusammen mit der Miete monatliche Nebenkostenvorauszahlungen leisten. Das ist in § 556 BGB geregelt. Welche Nebenkosten umlagefähig sind, besagt § 2 Betriebskostenverordnung (BetrKV), und die Heizkosten werden von der Heizkostenverordnung (HeizkostenV) geregelt. Für die Erstellung der Nebenkostenabrechnung, in der die Heizkostenabrechnung in der Regel ein wesentlicher Bestandteil ist, hat der Vermieter ein Jahr Zeit, gerechnet vom Ende des Abrechnungszeitraums an. Beispiel: Die Nebenkostenabrechnung für das Kalenderjahr 2023 muss der Vermieter bis zum 31. Dezember 2024 zustellen.
Ohne fristgemäße Abrechnung kein Geld
Wird die Frist für die Nebenkostenabrechnung nicht eingehalten, erlischt der Anspruch auf mögliche Nachzahlungen. Umgekehrt gilt dies jedoch nicht: Auch bei einer verspäteten Abrechnung muss ein vorhandenes Guthaben an die Mieter:innen ausbezahlt werden. Wird keine Abrechnung vorgelegt, kann sie eingeklagt werden. Der Anspruch von Mieter:innen auf Erteilung einer Abrechnung unterliegt der Verjährung. Es gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren, gerechnet ab Ende der Abrechnungsfrist. Beispiel: Die Abrechnungsfrist für die Nebenkosten- beziehungsweise Heizkostenabrechnung 2023 endet am 31. Dezember 2024. Dann verjährt der Anspruch am 31. Dezember 2027. Dies gilt auch für den Anspruch von Vermieter:innen auf Nachzahlungen aus einer Abrechnung – dieser verjährt ebenfalls nach drei Jahren. Die Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Nachzahlungsanspruch entsteht frühestens mit Erteilung einer wirksamen Abrechnung.
Um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen, muss die Abrechnung bestimmte Angaben zwingend enthalten, etwa den Abrechnungszeitraum, die Gesamtkosten, den Umlageschlüssel, die Berechnung des individuellen Anteils der Mieter:innen und den Abzug der geleisteten Vorauszahlungen. Der Umlageschlüssel für die Nebenkosten richtet sich nach den Festlegungen im Mietvertrag. Soweit nichts anderes vereinbart ist, sind die Nebenkosten nach Quadratmetern jeweils genutzter Wohnfläche zu verteilen. Bei einigen Nebenkosten muss der Verbrauch des Mieters oder der Mieterin erfasst und bei der Umlage der Kosten berücksichtigt werden. In der Regel betrifft das Heizung und Warmwasser. Hier können und versuchen Mieter:innen zu sparen. Doch angesichts massiv gestiegener Energiekosten, einer in den letzten Jahren hohen Inflation, den Auswirkungen der Weltpolitik und klimatischen Erfordernissen steigen die Nebenkosten, und hier vor allem die für Energie, unaufhörlich. Oft sind Abrechnungen aber auch fehlerhaft.
Dass Heizkosten inkorrekt zum Nachteil von Mietern berechnet werden, stellt nach Angaben des Unternehmens Mineko keine Seltenheit dar. Der Dienstleister überprüft Nebenkostenabrechnungen gegen Gebühr auf Fehler. Geschäftsführer Chris Möller gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Focus“: „Ein Blick in unsere Datenbank verrät: Sage und schreibe 91 Prozent aller Heizkostenabrechnungen, die wir prüfen, sind fehlerhaft.“
Wohnungsmieter:innen hätten bei den analysierten Abrechnungen im Schnitt 317 Euro zuviel bezahlt. Stefan Schetschorke, Leiter der Rechtsabteilung des Berliner Mietervereins (BMV), kann das nur bestätigen: „Bei uns in der Beratung finden etwa ein Drittel der circa 80000 Beratungsfälle zum Thema Nebenkostenabrechnungen statt. Manchmal sind die Kosten tatsächlich stark gestiegen, etwa bei Versicherungen. In anderen Fällen werden Kosten geltend gemacht, deren Umlagefähigkeit auf Wohnungsmieter:innen umstritten ist, etwa solche für Wach- und Sicherheitsdienste.“
Der Mutter-Tochter-Trick
Oft gehen die Steigerungen der Betriebs- und Heizkosten allerdings noch von ganz anderen Ursachen aus. Vor allem große Immobilienunternehmen sehen in der Abrechnung offensichtlich eine gute Gelegenheit, kräftig in die eigene Tasche zu wirtschaften. So berichtet der Berliner Mieterverein (BMV) von einigen Strategien, die Vonovia anwendet, um die Abrechnung zu überhöhen. Beispielsweise betraut Vonovia oft Tochterunternehmen mit der Aufgabe, bestimmte Dienstleistungen zu erbringen, etwa die Hausreinigung oder die Gartenpflege. „Eine Überprüfungsmöglichkeit durch Belegeinsicht ist aber nur schwer möglich, wenn die Belege vom eigenen Konzern stammen“, erklärt BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz. „Das von Vonovia betriebene Geschäftsmodell läuft dem Transparenzgedanken völlig zuwider.“ Die so erzielten Erlöse wandern direkt im Verrechnungswege an den Hauptkonzern. Ein weiteres Einfallstor, sich an Mieter:innen zu bereichern, nutzt Vonovia über das sogenannte Wärmecontracting. Hierbei wird eine Drittfirma mit allen Aufgaben der Wärmeversorgung beauftragt. Diese Firma schickt ihre sehr hohen Rechnungen an Vonovia und diese wiederum reicht sie per Nebenkostenabrechnung an die Mieter:innen durch.
So handelt es sich bei der Wärmelieferfirma mit dem Namen „G+D Gesellschaft für Energiemanagement mbH“ um ein Joint Venture des Wärmedienstleisters Getec mit der Deutschen Wohnen, bei der Vonovia wiederum Mehrheitseignerin ist. „Es gibt noch nicht einmal Belege über tatsächlich erfolgte Zahlungen“, erklärt Knut Unger vom MieterInnenverein Witten, der den Protest gegen Vonovias Nebenkostenabrechnungen bundesweit organisiert. „Das wird einfach in den konzerninternen Buchhaltungssystemen verrechnet. In welcher Höhe für die Vonovia überhaupt Kosten anfallen, ist nicht nachvollziehbar.“
Doch wie kann man sich als Mieter:in gegen solche Manipulationen wehren? Der Berliner Mieterverein setzt auf die individuelle Beratung und Unterstützung bei der Abwehr überhöhter Forderungen. Thematisiert werden dabei die Überprüfung der Abrechnung, der Widerspruch, die Fristen und die Forderung nach Belegeinsicht. Bei der Frage, ob auch nach gewährter Einsicht in die Belege und strittiger Rechtslage ein Zurückbehaltungsrecht an der Nachforderung ausgeübt werden kann, ist Mietervereins-Geschäftsführer Sebastian Bartels skeptisch – er rät zur Zahlung unter Vorbehalt. Denn die Auffassung, eine Nachforderung aus einer Nebenkostenabrechnung könne nicht zu einem zur Kündigung berechtigenden Mietrückstand führen, ist falsch beziehungsweise entspreche nicht der herrschenden Meinung innerhalb der Rechtsprechung. Oft komme es auch vor, dass nach Überprüfung der Abrechnung immer noch ein erklecklicher Betrag vom Mieter oder der Mieterin an den Vermieter zu bezahlen ist. Bartels: „Wenn dann das Geld nicht zurückgelegt wurde, kommt man schnell in Schwierigkeiten.“
Gemeinsam gegen horrende Forderungen
Einen anderen Weg beschreiten Mieter:innen, die sich zusammenschließen, um sich gemeinsam gegen Immobilienunternehmen zu wehren. So zum Beispiel MIMO, die „Mieter:inneninitiative Mariendorf-Ost“, die sich gegen Vonovia verbündet hat. Über 3000 Euro sollten einige ihrer Mitglieder nachzahlen, es ist sogar ein Fall mit einer Forderung von 6000 Euro bekannt. Als Zusammenschluss von über 200 Mieter:innen legte MIMO im Januar gemeinschaftlich Widerspruch gegen die Nebenkostenabrechnungen der Vonovia ein. Mit Infoständen, Medienkontakten und Veranstaltungen brachten sie ihre Sache an die Öffentlichkeit. „Wir kämpfen unaufhaltsam weiter“ sagt Ruth Carcassonne, die den Widerstand organisiert. „Nur weil wir keine Jurist:innen sind, sind wir keine Doofies“, ergänzt ihre Mitaktivistin Kerstin Jahn selbstbewusst. Vonovia hat mit der Übersendung von 4700 Seiten Belegen und Verträgen reagiert. Diese seien „fehlerhaft und unvollständig“, sagten die Mieter:innen der MIMO und behalten die Nachforderungen weiter zurück. Bisher hat Vonovia in keinem Fall vor Gericht geklagt.
Mieter-Vorkämpfer Unger dreht den Spieß um
Mieter-Vorkämpfer Knut Unger hat im Oktober 2024 Vonovia auch aufgefordert, das Versenden von Mahn- und Inkassoschreiben an die Mieter:innen einzustellen und ansonsten Strafanzeige wegen Betrug und Nötigung angedroht. Derzeit ist Vonovia auf Tauchstation und reagiert nicht mehr auf Anfragen der MIMO. Die Mieter:innen bleiben so erst einmal im Ungewissen.
Ob individuelle Beratung oder kollektiver Widerstand: Für welchen Weg sich der Mieter oder die Mieterin auch entscheiden: Wichtig ist es, überhöhte Abrechnungen nicht klaglos hinzunehmen.
Stefan Klein
So checken Sie Ihre Abrechnung
Die Heizkostenverordnung (HeizkostenV) schreibt vor, dass die Kosten für Heizung und Warmwasser in Mietwohnungen nach dem Verbrauch der Mieterinnen und Mieter abgerechnet werden müssen. Damit sollen sie zu einem sparsamen Umgang mit Energie motiviert und die gerechte Kostenverteilung zwischen ihnen sichergestellt werden.
• Eine typische Heizkostenabrechnung gliedert sich in die Abschnitte:
• Gesamtkosten: die gesamten Heiz- und Warmwasserkosten des Hauses
• Verteilerschlüssel: Aufteilung der Kosten auf die einzelnen Mietparteien
• Verbrauchswerte: Ihr eigener Energieverbrauch im Vergleich zu den Vorjahren
• Endbetrag: Ihr Anteil an den Heiz- und Warmwasserkosten.
Sie können Ihre Nebenkostenabrechnung mit einigen wenigen Schritten prüfen.
Schritt 1: Prüfung der Gesamtkosten
Überprüfen Sie zuerst, ob die Gesamtkosten für Heizung und Warmwasser korrekt angegeben sind. Diese sollten dem Rechnungsbetrag des Energieversorgers entsprechen. Folgende Punkte sind hierbei wichtig:
• Belegeinsicht: Sie haben das Recht, die Belege beim Vermieter einzusehen
• Prüfung der Ablesewerte: Stellen Sie sicher, dass die in der Abrechnung angegebenen Ablesewerte korrekt sind. Manchmal kommt es zu Erfassungsfehlern bei den Zählerständen.
Schritt 2: Verteilerschlüssel
Nach der Heizkostenverordnung müssen Heiz- und Warmwasserkosten zu mindestens 50 Prozent, höchstens jedoch 70 Prozent nach dem tatsächlichen Verbrauch der einzelnen Mieter:innen abgerechnet werden. Überprüfen Sie:
• Einheitlicher Verteilerschlüssel: Ist der in der Abrechnung verwendete Schlüssel gesetzeskonform? Wenn im Mietvertrag ein anderer Schlüssel vereinbart wurde, muss dieser berücksichtigt werden.
• Abweichende Verteilung: In Gebäuden, die bestimmte energetische Anforderungen nicht erfüllen, wird der Verteilungsmaßstab 30:70 (30 Prozent Grundkosten zu 70 Prozent Verbrauchskosten) zwingend festgeschrieben.
Schritt 3: Verbrauchswerte
Prüfen Sie die angegebenen Verbrauchswerte:
• Einheiten und Ablesewerte: Diese Werte sollten auf Ihrem Heizkostenverteiler (zum Beispiel einem elektronischen Messgerät) ablesbar sein. Stimmen die abgelesenen Werte in der Abrechnung mit denen auf dem Gerät überein?
• Vergleich mit den Vorjahren: Wenn Ihr Verbrauch stark von dem des Vorjahres abweicht, könnte es an einem Fehler in der Ablesung oder an einem technischen Problem liegen.
• Heizperiode: Stellen Sie sicher, dass die Abrechnung genau den Abrechnungszeitraum (meist 12 Monate) umfasst. Hin und wieder wird eine Abrechnung über mehr als zwölf Monate vorgenommen, was zu Missverständnissen führen kann.
Schritt 4: Kosten für Warmwasser
Die Heizkostenverordnung schreibt vor, dass die Warmwasserkosten zwar getrennt von den Heizkosten, aber auch verbrauchsabhängig abgerechnet werden müssen. Beachten Sie:
• Verbrauchswert für Warmwasser: Ist der Verbrauch für Warmwasser nachvollziehbar und anhand von Zählerwerten belegt?
• Warmwasseraufbereitungskosten: Diese Kosten umfassen oft auch die Betriebsstromkosten für die Warmwasserbereitung. Vergewissern Sie sich, dass diese Kosten separat aufgeführt sind.
Neben den Kosten für die Brennstofflieferung und Gerätewartung dürfen auch die Kosten des Betriebsstroms, Bedienungs- und Reinigungskosten, die Kosten der Immissionsmessung sowie die Verbrauchserfassungskosten umgelegt werden. Darüber hinaus sind Verwaltungskosten in der Regel nicht umlagefähig. Wenn Ihre Heizkostenabrechnung eine Nachzahlung fordert, überprüfen Sie, ob alle Angaben plausibel sind. Hat sich ein Guthaben ergeben, ist der Vermieter verpflichtet, Ihnen den Betrag zu erstatten.
Es gibt einige häufige Fehlerquellen, auf die Sie besonders achten sollten:
• Falscher Abrechnungszeitraum: Die Abrechnung muss einen Zeitraum von genau zwölf Monaten umfassen.
• Verwechslung von Einheiten: Kontrollieren Sie, ob die Einheiten in der Abrechnung (zum Beispiel kWh, Kubikmeter) korrekt sind und dem Verbrauch Ihrer Wohnung entsprechen.
• Fehlerhafte Ablesung: Ablesefehler oder technische Defekte der Zähler führen oft zu Abweichungen. Dies sollten Sie durch Vergleich der Werte überprüfen.
Sie haben als Mieter oder Mieterin auch einige Rechte, um die Korrektheit Ihrer Heizkostenabrechnung sicherzustellen:
Sie dürfen alle Belege und Rechnungen einsehen, auf denen die Abrechnung basiert. (Neue Rechtslage seit dem 30. Oktober 2024, § 556 Absatz 4 BGB)
556 Absatz 3 Satz 5 und 6 BGB enthält eine einjährige Ausschlussfrist für Einwendungen des Mieters gegen die Betriebskostenabrechnung. Diese Einwendungsausschlussfrist bedeutet jedoch nicht, dass der Mieter zwölf Monate Zeit hat, die Abrechnung zu überprüfen. Es bleibt dabei: Grundsätzlich nach 30 Tagen ab Zugang der Abrechnung gerät der Mieter mit der Begleichung der Nachforderung in Verzug. Die Zwölf-Monats-Frist legt lediglich fest, dass Einwände, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhoben sind, danach auch nicht mehr geltend gemacht werden können.
Falls Sie bei Ihrer Abrechnung auf Unstimmigkeiten stoßen: Der Berliner Mieterverein berät und unterstützt bei der Überprüfung von Heizkostenabrechnungen, die oft komplex und unverständlich formuliert sind. Außerdem wird eine Energieberatung angeboten, bei der nach auffälligen Verbräuchen und Einsparmöglichkeiten geschaut wird. Neben dem Berliner Mieterverein bietet auch die Verbraucherzentrale Berlin eine Energieberatung an.
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Transparenz, Kontrolle und Beteiligung
Das „MieterInnenbündnis VoNO!via & Co“ (MINO) erhebt konkrete Forderungen: „Von der zukünftigen Bundesregierung erwarten wir, dass sie das gesamte Regelwerk der Wärmelieferung überarbeitet. Wir brauchen eine echte Transparenz, auch für die Endverbraucher:innen. Die Einhaltung zulässiger Vertragsregelungen und Preise muss öffentlich kontrolliert werden. Die Auslagerung der Heizung an einen Wärmelieferanten darf nur dann erlaubt sein, wenn dabei tatsächlich CO2 eingespart wird, wenn dies auf Dauer nicht zu höheren Wohnkosten führt und wenn die Mieter:innen an der Entscheidung beteiligt werden. Vermietungskonzerne, insbesondere auch börsennotierte, dürfen die Rechnungen, die sie sich für eigens zu diesem Zweck gegründete Tochterunternehmen ausstellen, nicht als „Kosten“ an die Mieter:innen weiterreichen.“
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Der Express-Check Ihrer Heizkostenabrechnung
Zur schnellen Kontrolle Ihrer Heizkostenabrechnung können Sie diese Checkliste verwenden:
• Sind die Gesamtkosten korrekt und stimmen sie mit den Originalrechnungen überein?
• Wurde der gesetzlich vorgeschriebene Verteilerschlüssel verwendet?
• Sind die Verbrauchswerte realistisch und stimmen sie mit den Ablesewerten überein?
• Wurde der Warmwasserverbrauch separat ausgewiesen?
• Sind die Nebenkosten korrekt und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben umgelegt?
• Ist der Abrechnungszeitraum korrekt?
• Liegt eine plausible Begründung für Nachforderungen oder Guthaben vor?
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Contractoren im Visier
CORRECTIV ist „legalem Betrug“ auf der Spur
Nach Recherchen von CORRECTIV könnten hunderttausende Mieterinnen und Mieter in ganz Deutschland von überhöhten Heizkosten betroffen sein. Die Ursache für die hohen Kosten findet sich oft im eigenen Heizungskeller. Denn einzelne Firmen, die ihren Umsatz mit der Lieferung von Wärme machen, nutzen offenbar rechtliche Schlupflöcher aus, um Profit zu machen. Das wirkt sich teils massiv auf die Heizungsabrechnungen aus.
CORRECTIV hat Wärmelieferverträge und Abrechnungen durch Expertinnen und Experten auswerten lassen, deutschlandweit Fälle gesammelt und gerichtliche Gutachten gesichtet. Das Ergebnis: Rechtliche Vorgaben werden von einzelnen Contracting-Firmen offenbar nicht eingehalten oder maximal ausgereizt – zum Nachteil der betroffenen Mieterinnen und Mieter. Fachleute und Insider sprechen gegenüber CORRECTIV von einem „profitablen Geschäftsmodell“ und in einigen Fällen von „legalem Betrug“.
Davon profitieren weder Mieterinnen und Mieter noch das Klima. Mit rund 70 Prozent ist klimaschädliches Gas noch immer der Brennstoff Nummer eins in den Contracting-Anlagen. Das zeigen die Zahlen des Lobbyverbands Vedec für 2023.
Dazu kommt, dass in vielen Fällen die Contractoren einfach die „bestehende Heizanlage übernehmen“, sagt Anna Wolff, Referentin für Wohnungs- und Mietenpolitik vom Deutschen Mieterbund gegenüber CORRECTIV. Steht im Keller eine alte Gasheizung, dann seien „positive Auswirkungen auf das Klima und Kosteneinsparungen für Mieterinnen und Mieter“ in diesen Fällen zumindest fraglich.
Es geht dabei um die Firmen Getec Group, Gasag, die kommunale BEW Berliner Energie und Wärme AG, vormals Vattenfall, Techem Energy Solutions GmbH und Enercity Contracting GmbH, einer Tochterfirma der Stadtwerke Hannover. Inwieweit tatsächlich gegen geltendes Recht verstoßen wird, muss in Einzelfällen allerdings ein Gericht klären. Auch der Wohnungskonzern Vonovia profitiert über eine Tochterfirma.
Caren Lay, Sprecherin der Linken im Bundestag für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik, sieht hier ein „klares Geschäftsmodell am Werk. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es um systematische Ausnutzung und Abzocke geht.“
Ähnlich äußert sich auch der Berliner Mieterverein: „In der Rechtsberatung sehen wir seit einigen Jahren außergewöhnlich hohe Preise, insbesondere beim Contracting, wo schätzungsweise ein Euro pro Quadratmeter mehr anfällt als bei anderen Wärmeversorgungsarten“, sagt Mietervereins-Mitarbeiterin Franziska Schulte gegenüber CORRECTIV. Grund dafür sei unter anderem die „komplexe und uneindeutige Preisgestaltung“, so Schulte. „Das ermöglicht Profitsteigerungen auf der einen und Kostenexplosionen auf der anderen Seite.“
Die genannten Firmen weisen gegenüber CORRECTIV die geäußerten Vorwürfe zurück und betonen, sich an alle rechtlichen Vorschriften zu halten. Die hohen Preise begründen die Unternehmen mit hohen Beschaffungskosten aufgrund der Gas-Krise.
Gesa Steeger
CORRECTIV ist ein Medienunternehmen, dass nach eigenen Angaben investigativen Journalismus betreibt, der Medienpartnern sowie Interessierten kostenlos zur Verfügung gestellt wird.
BMV-Veranstaltung mit Expert:innen zum Thema
Der Berliner Mieterverein wird zur Frage der unnachvollziehbaren Heizkostenabrechnungen mit teils horrenden Nachzahlungsforderungen durch Vonovia und andere Wohnungsunternehmen eine Informations- und Diskussionsveranstaltung mit Expert:innen zum Thema durchführen.
Ort und Termin bitten wir Sie auf www-berliner-mieterverein.de in Erfahrung zu bringen.
27.11.2024