Pankow wurde in zwei populären Liedern überregional bekannt. Im Volkslied „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“ wird ein Feiertagsausflug nach Pankow besungen, der zwar völlig aus dem Ruder lief, „aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert“. Im „Sonderzug nach Pankow“ wandte sich Udo Lindenberg 1983 direkt an Erich Honecker, um eine Auftrittserlaubnis in der DDR zu bekommen. Beide Lieder sind mittlerweile überholt: Pankow ist schon lange kein vorstädtisches Ausflugsziel mehr, und die Staats- und Parteiführung hatte das „Städtchen“ am Majakowskiring schon längst gen Wandlitz verlassen, als Lindenberg sein Lied textete.
Der heutige Bezirk Pankow reicht von kurz hinter dem Alexanderplatz bis hinaus auf die ehemaligen Rieselfelder, vom urbanen Hipster-Leben in Prenzlauer Berg bis zur Dorfidylle in Blankenfelde, von den hochverdichteten Gründerzeit-Kiezen bis zur Windkraftanlage auf freiem Feld. Die Umwälzungen sind hier wie dort enorm.
In den 1990er Jahren galt Prenzlauer Berg als das größte zusammenhängende Sanierungsgebiet Europas. Mit viel öffentlichem Geld wurden bis 2003 private Eigentümer:innen bei der Modernisierung ihrer Häuser gefördert. Das Programm hieß „Soziale Stadterneuerung“. Die letzten Reste des „Sozialen“ gehen nun rapide verloren, denn die Mietpreis- und Belegungsbindungen der geförderten Wohnungen liefen nur über 20 bis 30 Jahre.
Was danach kommt, ist klar: Mieterhöhungen bis zur Oberkante des Zulässigen und – da viele Häuser schon in Einzeleigentum umgewandelt worden sind – Eigenbedarfskündigungen. Mieter:innen wehren sich mit der Initiative „Pankow gegen Verdrängung“ dagegen, doch die Politik macht keine Anstalten, einzugreifen. Für die soziale Mischung in Prenzlauer Berg sind das trübe Aussichten. Die einst geförderten Wohnungsbestände sind noch Inseln der Bezahlbarkeit, während ringsum schon eine „Supergentrifizierung“ abläuft: Die bereits gentrifizierten Viertel, in denen die geringverdienende Bevölkerung durch Aufwertung verdrängt wurde, durchlaufen eine zweite Welle der Aufwertung, die nun die Gentrifizierungsgewinner der ersten Generation hinwegspült. Echte Luxusmodernisierungen kann zwar der Milieuschutz, der vom Bezirksamt fast flächendeckend über Prenzlauer Berg gelegt wurde, verhindern. Doch die sich rasant drehende Mietpreisspirale ermöglicht auch ohne große Modernisierungsinvestitionen riesige Mieterhöhungen. Möblierte Vermietungen auf Zeit, mit denen man die Mietpreisbremse leicht umgehen kann, sind an der Tagesordnung. Dazu kommt das nach wie vor grassierende Ferienwohnungsunwesen, das Ureinwohner:innen das Gefühl gibt, zu einer aussterbenden Art zu gehören.
Verdichten bis es quietscht
Prenzlauer Berg ist außerdem eine wahre Betongoldgrube. Der Ortsteil gehört ohnehin schon zu den dichtest besiedelten Flächen Deutschlands. Gerade dort wird noch weiter verdichtet, bis es quietscht. Die wenigen Kriegslücken sind fast alle wieder geschlossen. Auch wo man beim Wiederaufbau Freiräume gelassen hatte, damit die Wohnungen Licht und Luft bekommen, wurden offene Höfe abgeriegelt und Straßenfluchten wieder zugebaut. Selbst an der Rykestraße, Ecke Sredzkistraße, wo der Bezirk in den 2000er Jahren eigentlich einen Spielplatz anlegen wollte, steht nun ein siebengeschossiger Betonklotz. Auch in die Höhe wird nachverdichtet: Manche Altbauten werden um gleich zwei Etagen aufgestockt.
Nur zwei Plattenbau-Gebiete sind von dem Prenzlauer-Berg-Hype unbelastet: der Ernst-Thälmann-Park und der Mühlenkiez an der Greifswalder und Michelangelostraße, die beide von Genossenschaften und der landeseigenen Gewobag verwaltet werden. Die Gewobag hat nach der Wende die Wohnungsbaugesellschaft in Prenzlauer Berg (WiP) übernommen.
In Pankow und Weißensee ist hingegen die Gesobau der landeseigene Platzhirsch, da sie die beiden bezirklichen Gesellschaften geschluckt hat. Der Nachverdichtungsdrang hat längst auch die äußeren Bezirksteile erreicht. So versucht die Gesobau seit fünf Jahren mit Unterstützung des Senats, in der Ossietzkystraße eine Bebauung der Wohnhöfe durchzudrücken. Die Nachbarschaft wehrt sich in der Initiative „Grüner Kiez Pankow“ gegen die Pläne, die den alten Baumbestand und die Spielplätze zerstören würden. Das Bezirksamt, das 2019 den Klimanotstand ausgerufen hatte, stellt einen eigenen Bebauungsplan dagegen, der nur unwesentlich weniger Wohnungen ermöglicht, aber deutlich mehr Grün erhalten würde. Mit einer Einstweiligen Verfügung konnten im Frühjahr 2024 die Baumfällungen gerade noch gestoppt werden. Die Gesobau verfolgt das Projekt aber unnachgiebig weiter. Seit einem Jahr sind Grünanlagen und Spielplätze mit Bauzäunen abgesperrt, samt Videoüberwachung und Wachschutz. Die Initiative schätzt, dass die Gesobau allein für diese Absperrung schon eine Million Euro ausgegeben hat.
Lange geplant, bis jetzt nichts gebaut
Während sich die Gesobau hier in ein Bauvorhaben mit 99 Wohnungen verbeißt, geht es bei den großen Baugebieten, wo wirklich Platz für viele Wohnungen ist, kaum voran. Von den 22 neuen Stadtquartieren, die in Berlin projektiert sind, liegen allein sieben in Pankow. Rund 23.000 Wohnungen sollen hier entstehen, doch obwohl die Planungen teilweise schon länger als ein Jahrzehnt laufen, ist davon noch keine einzige entstanden.
Am „Pankower Tor“, dem ehemaligen Rangierbahnhof, stritt sich der Bezirk ewig mit dem privaten Eigentümer, dem Chef einer Möbelhaus-Kette, darüber, wo eine notwendige Schule errichtet werden soll, wie die Verkehrserschließung gewährleistet wird und wo das Möbelhaus entstehen darf. Bei der Vorstellung der Pläne für den Blankenburger Süden überrumpelte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Anwohnenden mit so überzogenen Wohnungsbauzielen, dass die Leute in eine Fundamentalopposition gingen und der Senat wegen des Gegenwindes den Baubeginn auf 2030 verschieben musste. Ähnlich lief es an der Michelangelostraße. Mehr Respekt vor der Umgebung hätte die Nachbarschaft „mitgenommen“ und eine schnellere Planung ermöglicht.
Große Neubauvorhaben kennt Pankow bereits aus den 1990er Jahren. In Französisch-Buchholz und Karow-Nord entstanden jeweils rund 5000 Wohnungen. Diese damals „Neue Vorstädte“ genannten Siedlungen haben den zuvor noch recht dörflichen Charakter der beiden Ortsteile merklich verändert. Wo seinerzeit die Planung für die neue Vorstadt „Buch V“ gescheitert ist, wird jetzt das wesentlich kleinere Stadtquartier Am Sandhaus vorbereitet. Baubeginn für die 2700 Wohnungen sollte noch 2024 sein. Das wird knapp.
Jens Sethmann
Verwaltungsbezirk in Großstadt-Dimension
Der heutige Bezirk Pankow wurde 2001 aus den vormaligen Bezirken Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee gebildet. Mit 334.000 Einwohnenden war der Fusionsbezirk der bevölkerungsreichste unter den zwölf neuen Bezirken – ganz knapp vor Tempelhof-Schöneberg. Inzwischen hat Pankow die anderen Bezirke weit hinter sich gelassen. Hier wohnen nun 424.000 Menschen. Das ist ein Bevölkerungswachstum von 27 Prozent innerhalb von 23 Jahren. Die Einwohnerzahl von ganz Berlin ist in dieser Zeit um 12 Prozent angewachsen. In der Liste der einwohnerstärksten Städte Deutschlands läge Pankow auf Platz 16 zwischen Duisburg und Bochum.
Politisch gab es im Bezirk immer wieder Mehrheitsverschiebungen. Seit 2001 wechselte das Bürgermeisteramt zwischen vier Amtsinhabern von SPD und PDS/Linken hin und her, bis 2023 Cordelia Koch von den Grünen die Verwaltungsspitze übernommen hat.
js
27.11.2024