Kirchliche Wohnungsunternehmen berufen sich gern auf ihre hohen ethischen Maßstäbe. Da ist viel von sozialer Verantwortung und christlicher Nächstenliebe die Rede. Tatsächlich gibt es auch viele Beispiele, wo sie sich in vorbildlicher Weise um die Wohnraumversorgung der Schwächsten dieser Gesellschaft kümmern, etwa bei Obdachlosen oder Roma-Familien. Hat man mit einem kirchlichen Vermieter also das große Los gezogen?
Eine, die das sofort unterschreiben würde, ist Julia T.* Sie wohnt seit Sommer 2021 mit ihrer Familie in der Schottstraße 6 in Lichtenberg. Das denkmalgeschützte Haus gehört dem Evangelischen Kirchenkreis Berlin Süd-Ost (ehemals: Evangelische Kirche Lichtenberg-Oberspree) und ist umgebaut worden. Wo vorher Büros waren, entstanden neun großzügig geschnittene, familiengerechte Wohnungen – und die wurden explizit auch nur an Familien vermietet. Eine davon erhielten Julia T. und ihr Mann, die drei Kindern haben. Ein Glücksfall, wie sie findet, denn die Mietpreise seien fair, die Wohnung schön und die Hausgemeinschaft gut. Auch sonst ist sie rundum zufrieden. Die Hausverwaltung sei sehr korrekt.
Mietsenkung im Einzelfall
„Die Wohnungen sind kein Luxus, aber sie haben einen ordentlichen Standard“, sagt Hans-Georg Furian, Superintendent des Kirchenkreises. Man hatte sich nach dem aufwendigen Umbau erkundigt, wieviel Miete man nehmen kann: „14,50 Euro pro Quadratmeter hat uns ein Makler gesagt. Wir haben dann ausgerechnet, dass uns 10,50 Euro ausreichen, um das Haus vernünftig zu bewirtschaften.“ Man wolle mit der Vermietung kein Geschäft machen, betont Furian.
Nicht alle Wohnungsunternehmen in kirchlicher Trägerschaft sind so bescheiden. So fällt Deutschlands größtes kirchliches Wohnungsunternehmen, die Hilfswerk-Siedlung GmbH (HWS), immer wieder durch vergleichsweise hohe Angebotsmieten auf. Fast 10 Euro nettokalt soll aktuell eine Wohnung in einem 1970er-Jahre-Bau in der Gropiusstadt kosten. Eine Sozialwohnung in Spandau wurde kürzlich für 11,12 Euro nettokalt angeboten. Auf die Frage, welche einkommensschwachen Haushalte sich das leisten können – für den Bezug ist ein Wohnberechtigungsschein erforderlich – antwortet das Evangelische Wohnungsunternehmen, dass die Miete exakt der Wirtschaftlichkeitsberechnung im Sozialen Wohnungsbau entspricht. Im Einzelfall sei man aber bereit, die Miete zu senken. So habe man die Miete unlängst für ein Ehepaar mit WBS nach individueller Prüfung und „entsprechend unseren sozialen Grundsätzen“ um 2 Euro pro Quadratmeter reduziert. Bei anderen Angeboten ist zwar die Nettomiete niedriger, dafür werden exorbitant hohe Nebenkosten angesetzt. Im Fall einer Dreizimmerwohnung in der Hirtsieferzeile 43 sind es allein an Heizkosten 3,89 Euro, so dass zur Kaltmiete von 493 Euro nochmal 480 Euro hinzukommen. Dabei ist das Haus modernisiert und laut Inserat mit Iso-Fenstern, Wärmedämmung und Solaranlage ausgestattet. Bei der HWS heißt es dazu, das Haus werde mit Fernwärme aus Biomasse (Holz) beheizt. Die Preise für Holz hätten sich seit dem letzten Jahr mehr als verdoppelt. Betont wird: „Als Unternehmen im Raum der Kirche wollen wir Ermessensspielräume zugunsten sozial Schwächerer schaffen, wo immer dies möglich und vertretbar ist.“
Das hört sich gut an, doch beim Berliner Mieterverein hat man die HWS als „ziemlich bärbeißig“ und unnachgiebig kennengelernt. So wurde im Oktober 2022 als Folge des Angriffskriegs auf die Ukraine in mehreren Fällen eine Erhöhung der Heizkostenvorschüsse um das 2,6 fache verlangt – vorsorglich und ohne den Mieterinnen und Mieter in irgendeiner Weise entgegenzukommen. Zwar haben auch andere Vermieterinnen und Vermieter in dieser Zeit die Vorschüsse angehoben. „Aber für einen kirchlichen Vermieter finde ich eine so kurzfristige deutliche Erhöhung außerhalb einer Abrechnung schon sehr mieterunfreundlich,“ erklärt Rechtsanwältin Ulrike Rastemborski, die mehrere solcher Fälle aus ihrer Beratungspraxis aufzeigen kann.
Licht und Schatten findet sich auch bei der Aachener Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft mbH. Das katholische Wohnungsunternehmen hat viel Lob für sein Roma-Modellprojekt bekommen. 2011 erwarb die Aachener einen völlig heruntergekommenen Wohnkomplex in der Harzer, Ecke Treptower Straße in Neukölln. Die Wohnbedingungen waren seinerzeit menschenunwürdig, Aber den Bewohner:innen, überwiegend Roma-Familien, wurden vom Vorbesitzer Wuchermieten abgeknöpft. Die Aachener ließ die Wohnungen nicht nur sanieren, sondern richtete auch Gemeinschaftsräume ein, etwa für Kinderbetreuung und Kunstprojekte. Außerdem gibt es eine rumänischsprachige Beratungsstelle im Haus, die bei Problemen mit dem Amt unterstützt. Auch Deutschunterricht wird angeboten. Benannt wurde das Haus nach Arnold Fortuin, einem römisch-katholischen Geistlichen, der in der Zeit des Nationalsozialismus Hunderte von Sinti und Roma vor der Deportation rettete. Die Aachener hat auch auf sich aufmerksam gemacht, als sie sich in Düsseldorf freiwillig am Wohnungstauschportal der Stadt beteiligte und in Köln als erstes Wohnungsunternehmen Housing-First-Projekte für Obdachlose unterstützte.
Gute Rendite plus preiswerter Wohnraum?
Auf der anderen Seite gehört die Eigentumsbildung explizit zu ihrem Geschäftszweck. Auf der Homepage werden unter dem Stichwort „Leben heißt Investment“ neben Eigenheimen für 800.000 Euro auch Immobilien zur Kapitalanlage offeriert. Wie geht das zusammen? Wie passt eine „gute Rendite für Investoren“ zum erklärten Ziel, breite Bevölkerungsschichten mit preiswertem Wohnraum zu versorgen? Sprecherin Kira Limbrock erklärt, dass man die private Eigentumsbildung für eine wichtige Säule der Altersvorsorge halte: „Wir sind davon überzeugt, dass man für einen ausgewogenen Wohnungsmarkt beides braucht: Wohnen zur Miete, was den Großteil bei uns ausmacht, und Bauträgermaßnahmen zur Eigentumsbildung.“ Zudem, so die Sprecherin, ließen sich Projekte wie die Harzer Straße oder Housing first nur dann realisieren, wenn man als Unternehmen rentabel arbeite.
Das 1958 vom Berliner Bischof Julius Döpfner gegründete Petruswerk ist dagegen seit seinem Verkauf vom Erzbistum Berlin an die AVILA-Gruppe im Jahre 2003 zu einem „normalen“, profitorientierten Vermieter geworden – auch wenn man sich nach wie vor als „werteorientiertes Unternehmen“ versteht und der Bischof bei der Grundsteinlegung seinen Segen spricht. 600 hochwertige Wohnungen hat das Petruswerk im „Wohnpark St. Marien“, auf dem Areal der ehemaligen Frauenklinik Neukölln, errichtet. Fast 70 davon sind derzeit noch frei. 1930 Euro nettokalt kostet eine rund 80 Quadratmeter große Wohnung, eine 54 Quadratmeter große Wohnung ist für 1634 Euro warm zu haben. Ob das im Sinne des geistlichen Gründers wäre?
Birgit Leiß
* Name der Redaktion bekannt
„Wohnbau ist Dombau“
Nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sich die Kirche im verstärkten Maße am Wohnungsneubau. 1952 beschloss die Evangelische Kirche, ihr Vermögen zur Linderung der größten Not einzusetzen. Das hieß vor allem: Bau von Wohnungen für Flüchtlinge und Wohnungslose. Einige Landeskirchen gründeten eigene Wohnungsbauunternehmen. 1952 wurde auch der Evangelische Immobilienverband Deutschland (eid) gegründet. Ihm gehören bundesweit 35 Mitglieder an, darunter Landeskirchen, Kirchenkreise und Stiftungen mit insgesamt rund 30.000 Wohnungen.
Unter dem Motto „Wohnbau ist Dombau, Wohnungssorge ist Seelsorge“ rief der Kardinal (und spätere Berliner Bischof) Julius Döpfner zum Engagement beim Wohnungsbau im kriegszerstörten Deutschland auf. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit kleinem Geldbeutel wurde zum kirchlichen Auftrag und Ausdruck christlicher Nächstenliebe. Dachverband der katholischen und den der katholischen Kirche nahestehenden Wohnungsunternehmen ist der Katholische Siedlungsdienst e.V. (KSD). Ihm gehören 27 Bistümer und 45 bauende Wohnungsunternehmen an. Der Immobilienbestand der katholischen Kirche wird auf rund 130.000 Wohnungen geschätzt.
bl
02.09.2023