Pressemitteilung Nr. 18/24
Der Berliner Mietspiegel 2024 zeigt wie selten zuvor ein besonders uneinheitliches Bild. Er enthält gute wie böse Überraschungen, spiegelt stellenweise die Probleme des angespannten Wohnungsmarktes wider und zeigt Handlungsbedarfe auf. Während in vielen Mietspiegelfeldern die Mieten im Vergleich zum Vorgängermietspiegel moderat gestiegen, teilweise sogar gesunken sind, finden sich gleichzeitig an vielen Stellen extreme Steigerungen, insbesondere der Oberwerte.
„Der von uns befürchtete flächendeckende Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete blieb diesmal zwar aus“, kommentiert Wibke Werner, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins den neuen Mietspiegel, „für manche Wohnungen eröffnen sich aber durch den starken Anstieg der Oberwerte große Mieterhöhungsspielräume“.
Es bleibt das Problem, dass Mieterhöhungen ohne Nachweis von Merkmalen mit dem Oberwert der Mietspiegelspanne begründet werden können. „Obwohl die Ausstattungsmerkmale der Wohnung dies nicht hergeben, wird durch die Bezugnahme auf den Oberwert dann eine zu hohe Miete gefordert“, warnt Wibke Werner und empfiehlt Mieter:innen, Mieterhöhungen in jedem Fall anhand der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung zu prüfen.
Der Berliner Mietspiegel 2024 hat eine neue Tabellenstruktur.
Grund ist die seit dem letzten erhobenen Mietspiegel 2019 zwischenzeitlich in Kraft getretene Mietspiegelverordnung, die Vorgaben zur Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln macht. Danach sollen u.a. aus den erhobenen Daten heraus möglichst homogene Tabellenfelder erzeugt werden, die sich gegenüber anderen Tabellenfeldern möglichst deutlich abgrenzen und verschieden sind. Mit einem statistischen Verfahren wurde diese Vorgabe nun im Berliner Mietspiegel 2024 umgesetzt, was zu einer neuen Tabellenstruktur führte.
Wichtig ist, dass Berlin wieder einen auf einer Datenerhebung und unter Berücksichtigung der Mietspiegelverordnung erstellten qualifizierten Mietspiegel hat, der wieder mehr Rechtssicherheit bietet. Immer wieder war der Berliner Mietspiegel Angriffen ausgesetzt, zuletzt durch eine Klage gegen das Vergabeverfahren zum Mietspiegel 2023, was zu einer zeitlichen Verzögerung führte und die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels konterkarierte. „Das Kalkül dahinter ist leicht zu durchschauen – bieten Mietspiegel nicht die erwarteten Erhöhungspotenziale, werden sie schnell in Frage gestellt“, resümiert Wibke Werner.
Wegen einer neuen Tabellenstruktur des Mietspiegels 2024 ist ein unmittelbarer Vergleich mit dem Vorgängermietspiegel nur eingeschränkt möglich, jedoch kann anhand von Referenzwohnungen die Mietentwicklung verglichen werden.
So sind z.B. in einfacher Wohnlage in der Baualtersklasse 2002 bis 2009 die Mieten deutlich niedriger als im Mietspiegel 2023, während in der Baualtersklasse 1919 bis 1949 die Oberwerte deutlich um 10 bis 18 % angestiegen sind.
einfache Wohnlage | Msp. 2023 | Msp. 2024 |
Baujahr 2003, 95 qm | 9,07 € – 12,73 € – 14,67 € | 6,59 € – 8,38 € – 9,96 € |
Baujahr 1919-1949, 105 qm | 5,48 € – 6,53 € – 7,63 € | 5,34 € – 6,61 € – 9,02 € |
In der mittleren Wohnlage zeigt sich ein sehr heterogenes Bild. Während in der Baualtersklasse 2002 bis 2009 die Mieten im Vergleich zu 2023 gesunken sind, sind in der Baualtersklasse 1919 bis 1949 deutliche Steigerungen zu erkennen.
mittlere Wohnlage | Msp. 2023 | Msp. 2024 |
Baujahr 2003, 60 qm | 9,50 € – 10,75 € – 13,00 € | 8,00 € – 9,27 €- 11,05 € |
Baujahr 1949, 60 qm | 5,43 € – 6,65 € – 7,80 € | 6,02 € – 7,12 € – 9,19 € |
In der guten Wohnlage stechen insbesondere die Entwicklung der Oberwerte hervor, so zum Beispiel in der Baualtersklasse 1919 – 1949 oder in der Baualtersklasse 1973 bis 1985 West.
gute Wohnlage | Msp. 2023 | Msp. 2024 |
Baujahr 1919-1949, 60 qm | 6,41 € – 7,36 € – 9,74 € | 6,47 € – 8,24 € – 11,16 € |
Baujahr 1973-85 West, 80 qm | 7,04 € – 8,86 € – 10,49 € | 7,51 € – 9,25 € – 11,79 € |
Auffallend häufig sind kleine Wohnungen von einem starken Anstieg der Oberwerte betroffen. Hier ist die Nachfrage besonders groß, da 55,8 % der Berliner Haushalte Einpersonenhaushalte sind, die kleinere Wohnungen suchen. „Auf dem angespannten Berlin Wohnungsmarkt wird die Situation der Wohnungssuchenden ausgenutzt, um teilweise völlig überhöhte Mieten zu vereinbaren“, so Werner.
Ein weiteres Problem wird deutlich: Zahlreiche Mieten werden unter Verstoß gegen die Mietpreisbremse vereinbart und fließen ungefiltert in die Erstellung von Mietspiegeln ein. „Gesetzeswidrige Mieten treiben somit den allgemeinen Mietanstieg an“, beklagt Wibke Werner, „es muss sichergestellt werden, dass zukünftig gesetzeswidrige Mieten nicht mehr in den Mietspiegel einfließen können“.
Besonders besorgniserregend ist die Mietentwicklung in der neuen Baualtersklasse 2016 bis 2022. Mehrfach wird hier die Grenze von 20,00 Euro pro Quadratmeter überschritten. „Das hat es in den Berliner Mietspiegeln bisher noch nicht gegeben“ stellt Wibke Werner bestürzt fest. Diese Mieten werden möglich, da Wohnungen, die 2014 fertiggestellt worden sind, als Neubau zählen und damit nicht mehr dem Anwendungsbereich der Mietpreisbremse unterfallen. „Hier wird gefordert, was der Markt hergibt“, stellt Wibke Werner fest, „ein Großteil der Berliner Bevölkerung ist bei derartigen Mieten von der Anmietung dieser Wohnungen ausgeschlossen“. Erst vor zwei Tagen hatte der Berliner Mieterverein eine Studie zur Mietbelastung und Zahlungsfähigkeit der Berliner Mieter:innen vorgestellt, die belegt, dass sich mindestens ein Drittel der Haushalte nicht aus eigener Kraft am Wohnungsmarkt versorgen können:
„Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, wie 10 Jahre alte Wohnungen noch als „Neubau“ definiert und von der Mietpreisbremse ausgenommen werden können“, benennt Wibke Werner das Problem. Bei Einführung der Mietpreisbremse im Jahr 2015 verstand man unter Neubau noch die Wohnungen, die im Vorjahr fertiggestellt worden waren.
Gründe für die in einigen Feldern nur moderat angestiegenen bzw. gesunkenen Mieten:
Durch die neu eingeführte Auskunftsverpflichtung konnten mehr Daten und damit auch mehr von den „noch günstigen“ Mieten erhoben werden. Durch die Ausweitung des Betrachtungszeitraums konnten außerdem veränderte Mieten der letzten sechs (und nicht nur vier) Jahre berücksichtigt werden. Die Landeseigenen Wohnungsunternehmen waren innerhalb des für die Erhebung relevanten Zeitraums stärker bei Mieterhöhungen reglementiert, so dass von der Seite moderat erhöhte Mieten einflossen. Nicht zuletzt hatte der auf einer indexierten Fortschreibung beruhende Mietspiegel 2021 nur begrenzte Mieterhöhungsspielräume eröffnet.
„Alles in allem kann trotz der in einigen Feldern nur moderat gestiegenen Mietspiegelwerte keine Entwarnung gegeben werden, denn die Musik spielt bei den teilweise extrem stark gestiegenen Oberwerten. Diese setzen leider häufig den Rahmen für Mieterhöhungen und bilden außerdem die Dynamik ab, die mit dem Abschluss neuer Mietverträge einhergeht“, fasst Wibke Werner zusammen. Angesichts der weiterhin steigenden Angebotsmieten und der zunehmenden Anzahl an Mieterhöhungen wird mittelfristig das ortsübliche Vergleichsmietenniveau stark anziehen. Denn der Mietspiegel kann am Ende nur das abbilden, was auf dem Wohnungsmarkt passiert und hier sehen die Vorzeichen nicht gut aus.
Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig die im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbarte Absenkung der Kappungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten von 15 % auf 11 % für den Berliner Wohnungsmarkt gewesen wäre, um die in einigen Mietspiegelfeldern eröffneten Mieterhöhungspotenziale einzugrenzen. Leider wurde die Absenkung der Kappungsgrenze mit der angekündigten Verlängerung der Mietpreisbremse vom Justizminister abgeräumt.
Aus Sicht des Berliner Mietervereins ergibt sich folgender Handlungsbedarf:
- In die Mietspiegel sind alle Mieten einzubeziehen, nicht nur die Mieten, die sich innerhalb der letzten sechs Jahre geändert haben.
- Die Mietpreisbremse muss geschärft werden: Neubau ist als Ausnahmetatbestand einer dynamischen Definition zu unterwerfen. Die Ahndung von Verstößen muss besser und effizienter organisiert werden.
- Gesetzeswidrige Mieten dürfen keinen Eingang in die Erhebungen von Mietspiegeln finden.
- Bei der Erstellung von Mietspiegeln muss die Reallohnentwicklung Berücksichtigung finden.
- Die Anforderungen an Mieterhöhungserklärungen sind zu schärfen und für die Abweichung vom Mittelwert die konkrete Benennung von Wohnmerkmalen zu fordern.
- Mieterhöhungen nach einer Modernisierung sind auf 4 % der Investitionskosten zu beschränken bei einer Kappung von 1,50 €/qm innerhalb von 8 Jahren.
- Die Kappungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten ist wie im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart, von derzeit 15 % auf 11 % abzusenken.
30.05.2024
17.10.2024