Pressemitteilung Nr. 19/21
Mieterverein: Ein Schlag ins Gesicht der Mieterinnen und Mieter, aber bundesgesetzlicher Mietenstopp nicht ausgeschlossen
„Wir bedauern den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts außerordentlich, er ist ein Schlag ins Gesicht nicht nur der Berliner Mieterinnen und Mieter. In den Berliner Mietendeckel waren Hoffnungen weit über die Stadtgrenzen hinaus geknüpft“, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild.
„Das Gesetz von Beginn an als verfassungswidrig zu erklären, ist sozialpolitisch unverantwortlich. Nach unserer Auffassung hätte das Bundesverfassungsgericht Alternativen zu dieser Entscheidung gehabt“, so Wild. „Auch halten wir die Begründung, die Länderkompetenz könne nur für preisgebundenen Wohnraum gelten, für nicht nachvollziehbar, denn schließlich betreffe das Landesverbot zur Zweckentfremdung auch preisungebundenen Wohnraum.“
Trotz des heutigen Beschlusses war es richtig, notwendig und angemessen, dass das Land Berlin den Vorstoß für eine landesrechtliche Mietenbegrenzung unternommen hat, denn alle anderen Regelungen, Wohnraum in Berlin für Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen zugänglich zu machen beziehungsweise zugänglich zu halten, haben sich zuvor als wirkungslos erwiesen. In einem Beschluss zu einem Eilantrag hatte der 1. Senat des BVerfG (Beschluss vom 10.3.2020, 1 BvQ 15/20) noch ausdrücklich erklärt, dass die Kompetenzfrage offen sei. Der heutige Beschluss ist leider auch eine Missachtung der Berliner Richterinnen und Richter, die in der Mehrzahl den Mietendeckel als verfassungsgemäß betrachtet haben. Welche Chancen der Beschluss (2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20) noch bietet, wird nach genauer Lektüre zu bestimmen sein.
Das Gesetz, mit dem eine Begrenzung der Mietenexplosion in Berlin erreicht werden sollte, ist gescheitert. Das ist bedauerlich, denn tatsächlich hatte das Gesetz bereits zu einer Beruhigung bei der Mietenentwicklung geführt. Die Wohnungssuchenden werden nun wieder Forderungen weit über 12,- Euro pro Quadratmeter im Monat dank der löchrigen Mietpreisbremse erfüllen müssen. „Wir werden nun unsere ganze Kraft in die Verbesserung der bundesgesetzlichen Regelungen setzen. Der bereits angelaufenen bundesweiten Kampagne für einen Mietenstopp wird der Beschluss des BVerfG neuen Auftrieb geben. Auch die Bestrebungen, die großen gewinnorientierten Wohnungsunternehmen zu vergesellschaften, werden an Stoßkraft gewinnen“, so Wild.
Was müssen Mieterinnen und Mieter jetzt wissen:
1. Eine sofortige Kündigungsmöglichkeit besteht nicht, weil Mieterinnen und Mieter sich an geltendes Gesetz gehalten haben. Allerdings besteht eine alsbaldige Rückzahlungspflicht für Differenzbeträge (siehe 3.)
2. Einvernehmliche Vereinbarungen ohne Schattenmiete zum Beispiel bei neuen Mietverträgen haben Bestand.
3. Da wo ansonsten wirksam zivilrechtliche Vereinbarungen zur Miethöhe bestanden, sind diese in angemessener Frist zu erfüllen. Das bedeutet, dass die einbehaltenen Mieten aufgrund des Mietendeckels zurückzuzahlen sind. Die Rückzahlung wird mit Kenntnis des heutigen Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts fällig. Eine Zahlungsaufforderung des Vermieters ist zwar wünschenswert, aber unter Umständen nicht erforderlich. Wer die offenstehenden Beträge nicht unmittelbar leisten kann, sollte mit dem Vermieter in Kontakt treten.
4. Bei Schattenmietvereinbarungen nach Wiedervermietung rät der Mieterverein dringend, sich beraten zu lassen.
Der Berliner Mieterverein appelliert an die Vermieter, sich fair gegenüber den Mieterinnen und Mietern zu verhalten und sich einvernehmlichen Lösungen nicht zu verschließen.
29.10.2023