Pressemitteilung Nr. 46/20
„Mieter müssen weiter bei Streit um die Miethöhe mit erheblichen Verfahrenskosten für Gutachten rechnen, wenn die Anhebung nach dem System der ortsüblichen Vergleichsmiete vom Vermieter begehrt wird“, erklärte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild anlässlich eines Urteils des Bundesgerichtshofs (Az: VIII ZR 123/20) zu einer Mieterhöhung aus 2017, die eine Spandauer Mieterin erhielt. „Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist formal nachvollziehbar, in der Sache aber nicht plausibel. Denn die im Streit ermöglichten Gutachten zur Miethöhe haben keine bessere Qualität als die Berliner Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung und schneiden letztendlich wegen ihrer hohen Kosten Mietern oft den Rechtsweg ab.“
Mieterhöhungen auf Basis des Mietspiegels spielen derzeit wegen des Mietendeckels nur eine untergeordnete Rolle. Gleichwohl werden auch weiterhin von den Mietern Zustimmungen zu Mieterhöhungen nach dem BGB verlangt. Wegen der unterschiedlichen Urteile der Gerichte zur Zulässigkeit dieser Mieterhöhungen müssen diese Erhöhungen auch separat geprüft werden. Die Rechtsprechung des BGH ist daher durchaus von Bedeutung.
Im Streit um die Mieterhöhungen einer Spandauer Mieterin ging es um die Frage, wie die Miethöhe innerhalb der im Mietspiegel ausgewiesenen Spanne berechnet wird. Die dazu im Berliner Mietspiegel vorgesehene Spanneneinordnung gehört nicht zum qualifizierten Teil des Mietspiegels, weil bei den hier zu prüfenden Merkmalen zwar nach Meinung aller an der Mietspiegelerstellung beteiligten Experten ein Einfluss auf die Miethöhe vermutet wird, dieser aber nach strengen statistischen Regeln nicht nachgewiesen werden kann. Zwar wurden die Effekte der Berliner Merkmale der Spanneneinordnung auch mit einer empirischen Erhebung unterlegt, gleichwohl erklärte der BGH nun, dass die ortsübliche Vergleichsmiete auch mittels eines gerichtlich beauftragten Gutachtens ermittelt werden kann, wenn auch nicht muss. Damit zementiert der BGH die gespaltene Berliner Landgerichtsrechtsprechung. Für alle Mieter, deren Streitigkeiten vor der 63. Kammer des Landgerichts landen, besteht damit ein extrem hohes Risiko, dass gerichtlich beauftragte Gutachten die Verfahren massiv verteuern, denn die Gutachten kosten in der Regel zwischen 2.000 und 3.000 €. Da erfahrungsgemäß mit den Gutachten zu hohem Prozentsatz die Vermieterforderungen nach einer höheren Miete unterstützt werden, bleibt der Mieter auf den hohen Verfahrenskosten sitzen. Ohne Rechtsschutzversicherung ist damit ein Streit um die Miethöhe in der der Regel nicht mehr durchführbar.
Das jüngst im Bundeskabinett auf den Weg gebrachte Mietspiegelreformgesetz löst dieses Dilemma nicht auf. „Besonders hohe Anforderungen an eine nach strengen wissenschaftlichen Verfahren ermittelt ortsübliche Vergleichsmiete weisen in die falsche Richtung. Denn der Versuch, nach dem Wohnwert differenzierte Miethöhen abzubilden, scheitert ohnehin vielfach an anderen Markteinflüssen“, so Wild.
19.12.2020