Pressemitteilung Nr. 38/20
Der Berliner Mieterverein appellierte heute an den Eigentümer des Hauses Liebigstraße 34 – ein Unternehmen der Padovicz-Gruppe -, die für Freitag vorgesehene Räumung des Hauses durch den Gerichtsvollzieher auszusetzen. Der Vermieter mag aus dem Urteil des Landgerichts vollstrecken dürfen, doch damit befindet er sich auf dünnem Eis, heißt es beim Berliner Mieterverein (BMV). Der Vermieter argumentierte, es handele sich um ein ausgelaufenes Gewerbemietverhältnis. Das Landgericht gab ihm Recht, doch die Mieterinnen des Wohnprojekts haben Wohnraummietverträge und wohnen dort. Mit diesem Argument hat der beklagte Verein Raduga e.V. nun Berufung beim Kammergericht eingelegt.
Nach Auffassung des Mietervereins komme es letztlich immer darauf an, ob ein Haus zum Wohnen oder gewerblich genutzt wird. Die Folgen sind gravierend: Wenn es sich um Wohnraum handelt, hätte der Vermieter eine Kündigung mit entsprechenden Fristen aussprechen müssen. Den Mieterinnen hätte auch Räumungsschutz zugestanden. Hinzu komme noch eine rechtliche Ungenauigkeit, denn die Räumungsklage sei nicht gegen alle Vertragspartner gerichtet worden. Grundsätzlich sei es höchst ärgerlich, dass das Zivilprozessrecht eine Vollstreckung erlaubt, obwohl ein Rechtsstreit noch gar nicht abgeschlossen ist, kritisierte der BMV. Es genüge, dass der Vermieter eine Kaution hinterlege. Das sei für große Vermieter eine Kleinigkeit. Diese Regelung müsse dringend verändert werden, fordert der BMV.
Das rechtliche Entgegenkommen des Eigentümers könne aber nur denkbar sein, wenn die Vereine der Bewohnerinnen als Vertragspartner ihren mietvertraglichen Verpflichtungen auch nachkommen würden. Für den Fall des Räumungsverzichts regt der Mieterverein an, dass das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg Verfahren zur Stärkung nachbarschaftlicher Toleranz und Achtung zwischen dem Hausprojekt und den Bewohnerinnen und Bewohnern der Nachbarschaft initiiert.
Der Konflikt um die Liebigstraße 34 weise aber auch auf ein grundlegendes Dilemma hin. Eine sozialverträgliche Stadterneuerung und Wohnraumbewirtschaftung sei mit den Unternehmensstrategien der Padovicz-Gruppe und vergleichbarer Immobilienunternehmen nicht zu gewährleisten. Artikel 14 unseres Grundgesetzes würde dabei nicht wirklich beachtet. Deshalb müssten Gemeinwohl und Gemeinwirtschaft bei der Wohnraumversorgung gestärkt werden.
24.10.2020