Pressemitteilung Nr. 35/24
Ergebnisse der neuen Recherche aus dem Medienhaus CORRECTIV zeigen: Die aktuelle Praxis vieler Wärmelieferverträge im Bereich des Wärmecontractings belastet die Mieter:innen nicht nur finanziell enorm, sondern auch unrechtmäßig. „Wir sehen hier wie in unserer Beratungspraxis offensichtliche Beispiele für unwirksame Preisgleitklauseln, da in den Berechnungen das Marktelement gänzlich fehlt“, kommentiert Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV): „In anderen Wärmelieferverträgen sind die Börsenpreisindizes deutlich zu hoch gewichtet, was zu starken Preisverzerrungen führt.“
Besonders betroffen sind unter anderem Mieter:innen der Vonovia, die durch ein Joint Venture zwischen Vonovia und dem Energiedienstleister GETEC Group – G+D – Gesellschaft für Energiemanagement mbH mit Wärme versorgt werden. In Berliner Ortsteilen wie beispielsweise in Tempelhof und Zehlendorf mussten Mieter:innen drastische Nachforderungen von bis zu 9.000 Euro in ihren Heizkostenabrechnungen für das Jahr 2022 hinnehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Vonovia GETEC GmbH durch Preisgleitklauseln, die überwiegend auf Börsenindizes beruhen und das Marktelement stark untergewichten, ihre Preise stark erhöhen konnte. So wies eine der von Correctiv untersuchte Preisformel der G+D (Getec), die für mehrere Vonovia-Objekte in Berlin genutzt wird, nur eine 30-prozentige Gewichtung des Verbraucherpreisindex auf, während der Börsenindex mit 70 Prozent ins Gewicht fiel. Dies widerspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der eine gleichgewichtige Berücksichtigung von Markt- und Kostenelementen verlangt.
Die umfassende Analyse des Medienhauses Correctiv beleuchtet erstmals systematische Missstände in der Gestaltung und Umsetzung von Wärmelieferverträgen. Deren Ergebnisse zeigen, dass zahlreiche Contracting-Unternehmen, unterstützt von Vermietenden, rechtliche Schlupflöcher in der AVBFernwärmeV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme) nutzen, um Preise über manipulative Preisgleitklauseln in die Höhe zu treiben. Dabei wird deutlich, dass einige Vermietende offenbar kein Interesse daran haben, für ihre Mieter:innen und die Umwelt energieeffiziente Lösungen anzustreben. Im Gegenteil: Durch die gängige Praxis, die Heizkosten an die Mieter;innen weiterzureichen, bleiben letztlich die überhöhten Kosten für ineffiziente, klimaschädliche Heizsysteme allein bei den Mieter:innen hängen.
Der Berliner Mieterverein fordert ein soziales und klimaschützendes Contracting
„Das Wärmecontracting kann ein sinnvoller Weg sein, wenn Vermietende nicht in der Lage sind, in alternative Heizsysteme zu investieren und damit Mieter:innen und Klima zu entlasten“, erklärt Bartels. „Doch statt Klimaschutz und Energieeinsparung steht bei den vorliegenden Verträgen häufig die Gewinnmaximierung im Vordergrund. Wir fordern gesetzliche Regelungen, die dem Missbrauch in den Wärmelieferverträgen Einhalt gebieten und Energieeinsparungen fördern.“
Viele der untersuchten Wärmelieferverträge tragen jedoch weder zur Kostensenkung noch zur CO₂-Reduktion bei – dabei sind diese Maßnahmen das erklärte politische Ziel von Contracting-Modellen. Die Ausnutzung rechtlicher Schlupflöcher und die unzureichende Transparenz in der Abrechnung führen hingegen zu einer massiven finanziellen Belastung für Mieter:innen und zu Nachzahlungen, die die Belastungsgrenze vieler Haushalte überschreiten.
„Wir müssen davon ausgehen, dass einige Vermietende, die Tricksereien bei den Preisgleitklauseln wissentlich mittragen, denn sie sind die Vertragspartner des Contractors“, kritisiert Bartels und fordert: „Vermietende müssen hier endlich im Sinne und zugunsten ihrer Mieter:innen handeln. Zugleich muss die Bundesregierung die Schlupflöcher in der AVB FernwärmeV dringend schließen, hier wäre zudem eine Differenzierung von Fern- und Nahwärme sowie siedlungs- bzw. objektbezogener Wärmelieferung notwendig.“
Der im Juli 2024 vom Wirtschaftsministerium vorgelegte Entwurf für eine neue AVBFernwärmeV enthält nach Überzeugung des BMV vor allem keine ausreichenden Anforderungen an eine verbindliche Preisgestaltung und -kontrolle. „Es müsste darin präzisiert werden, wann Preisänderungsklauseln wirksam sind. Börsenpreis-Indizes sollten gar nicht mehr verwendet werden dürfen. Außerdem muss insbesondere im Hinblick auf bestimmte Formen des Contracting der Kreis derjenigen, die solche Preisanpassungsklauseln laut Wärmelieferverordnung überhaupt verwenden darf, eingeschränkt werden“, so Bartels. Der BMV mahnt, dass Nachbesserungen unverzüglich eingearbeitet werden und eine längst überfällige, verbraucherfreundliche AVBFernwärmeV noch vor den Neuwahlen verabschiedet wird.
„Nach dem Ausscheiden der FDP hat die Bundesregierung jetzt eine gute Gelegenheit, eine verbraucherfreundliche Novelle der Bundesverordnung im Kabinett zu beschließen“, fordert Bartels. „Damit könnten die verbliebenen Regierungsparteien bei rund sieben Millionen Haushalten im Wärmelieferbezug punkten.“ Zusammenfassend appelliert der BMV an Politik und Vermietende, das Contracting endlich sozial und klimaschonend zu gestalten, damit es Mieter:innen und Umwelt zugutekommt – statt ausschließlich wirtschaftliche Interessen von Unternehmen zu bedienen.
CORRECTIV exklusiv: Mieter in der Heizungsfalle à https://correctiv.org/aktuelles/klimawandel/2024/11/11/mieter-in-der-heizungsfalle/
Berlin, den 12.11.2024
15.11.2024