Pressemitteilung Nr. 42/20
Mit einem Schreiben vom heutigen Tage an Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert der Berliner Mieterverein (BMV) nachdrücklich an eine konsequente Umsetzung der Wohngipfel-Beschlüsse von 2018. „Mit dem am morgigen Mittwoch im Kabinett zu behandelnden „Entwurf eines Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland“ von Bauminister Seehofer wird die Bundesregierung den Ergebnissen des Wohngipfels von 2018 nicht gerecht“, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Der BMV bat die Kanzlerin, die für den Wohngipfel im Jahr 2018 die Schirmherrschaft innehatte, ausdrücklich um eine Nachbesserung des Gesetzentwurfs.
Die beim Wohngipfel versprochene Einschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen kommt mit dem Gesetzentwurf nicht wirklich voran. Damals hieß es, Ausnahmen vom der Umwandlungsbeschränkung sollten nur in Einzelfällen geltend gemacht werden können. Doch der Gesetzentwurf sieht Anderes vor. „Der kommunale Genehmigungsvorbehalt ähnelt dem berühmten Schweizer Käse aus Emmental“, so Wild. Im Gesetzentwurf sind Ausnahmen vorgeschlagen, die die Wirkung des kommunalen Genehmigungsvorbehalts grundsätzlich in Frage stellen. Dies aus zwei Gründen:
Die Kommune soll eine Umwandlungsgenehmigung erteilen müssen, falls der Eigentümer beabsichtigt, zwei Drittel der Wohnungen eines Gebäudes an Mieter zur Selbstnutzung zu verkaufen. Die Absicht muss weder zeitlich noch anderweitig präzisiert werden. Faktisch werden die Grundbuchämter daher für das erste Drittel der geplanten Wohnungsverkäufe eines Hauses eine Freigabe erteilen müssen. Die Umwandlung von einem Drittel aller Wohnungen entspricht aber keinesfalls der Einschränkung des Wohngipfels auf Ausnahmen in Einzelfällen. Darüber hinaus ist auch nicht gesichert, dass dann wenigstens zwei Drittel der Wohnungen als reine Mietwohnungen verbleiben.
Denn die Praxis der Ausnahmeregelungen zum Genehmigungsvorbehalt in Milieuschutzgebieten zeigt, dass Eigentümer vielfach die zum Zeitpunkt der Umwandlung in den betreffenden Wohnungen lebenden Mieter „herauskaufen“, dann mit einem potenziellen Erwerber der Wohnung einen „Scheinmietvertrag“ abschließen, um die Wohnung somit ganz legal an den „Mieter“, der eigentlich ein Käufer ist, zu veräußern. Diese Veräußerungsmöglichkeit an Mieter als Ausnahme vom Genehmigungsvorbehalt ist verzichtbar. Eine breite Eigentumsbildung, wie von den Befürwortern dieser Regelung behauptet, findet nicht statt. In den 63 Berliner Milieuschutzgebieten wurden aufgrund der oben genannten Ausnahmeregelung von 2015 bis 2018 fast 18.000 Umwandlungen genehmigt. Nur in 54 Fällen erwarben dort wohnende Mieter die Wohnung.
Dass der Neuregelung des kommunalen Genehmigungsvorbehalts in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt ein Vorrang gegenüber dem Vorbehalt in Milieuschutzgebieten eingeräumt werden soll, kann im Hinblick auf die schlechteren Ausnahmeregelungen vom Berliner Mieterverein nicht akzeptiert werden.
Um dem Wohngipfelergebnis Rechnung zu tragen, soll daher die „Pflicht zur Erteilung der Genehmigung, wenn das Wohnungseigentum zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll“, entfallen. Mit der Gewährung der sonstigen Ausnahmen im Gesetzentwurf wird dem Wohngipfel von 2018 hinreichend Rechnung getragen.
Warum setzt sich der Berliner Mieterverein für einen konsequenten kommunalen Genehmigungsvorbehalt ein?
Die Umwandlung von Miet- in Eigentum ist quasi zum „Beifahrer“ der zunehmenden Anspannung auf den Wohnungsmärkten der deutschen Großstädte geworden. In Berlin sind seit 2013 jeweils zwischen 10.000 und 17.000 Wohnungen pro Jahr neu umgewandelt worden. Seit 1991 sind es 290.000 Wohnungen, seit Verabschiedung des Wohnungseigentumsgesetzes in den 50er Jahren rund 370.000 bis 400.000 Wohnungen. Bis zu einem Drittel dieser Wohnungen wird von den Eigentümern selbst genutzt. Dies sorgt für wohnungspolitische Probleme, weil Eigenbedarfskündigungen zum erzwungenen Umzug führen. Gerade auf angespannten Märkten existieren aber zumeist keine angemessenen Ersatzangebote, ganz abgesehen davon, dass jeder erzwungene Auszug aus einer selbstgewählten Wohnung schwer verkraftbar ist, weil die bewohnte Wohnung den Lebensmittelpunkt darstellt und um die Wohnung herum in der Regel zahlreiche soziale Netze bestehen. In dieser Situation hilft die erweiterte Kündigungssperrfrist nur bedingt, weil sie auf neue Umwandlungen und den erstmaligen Verkauf beschränkt ist.
Die Volkszählung 2011 ergab für Berlin, dass 21 % aller Wohnungen (392.492) damals Wohnungseigentümergemeinschaften gehörten, aber knapp zwei Drittel dieser Wohnungen (249.332) vermietet werden. Viele dieser Wohnungskäufe dienen der Vorsorge für die private Alterssicherung von besser verdienenden Haushalten.
Das Problem besteht darin, dass die gesetzliche Rente im Schnitt nur zwischen 48 % und 54 % des letzten Nettoeinkommens abdeckt. Das ist ein europäischer Tiefstwert und deshalb eine Katastrophe, weil ohne die private Vorsorge ein Abdriften in die Altersarmut wahrscheinlich ist. Infolge der schlechten Verzinsung fließt deshalb privates Altersvorsorgekapital in erheblichem Maße in den Wohnraumbestand, allerdings zu Lasten der dort wohnenden Mieter, denen in der Regel eine derartige Altersvorsorge nicht möglich ist. Im Gegenteil. Studien zeigen, dass die Mieten umgewandelter aber vermieteter Wohnungen bis zu 30% höher liegen als die Mieten vergleichbarer nicht umgewandelter Wohnungen. Durch die Miethöhen in umgewandelten Wohnungen werden daher die dort wohnenden Mieter erst recht an der Möglichkeit, in die eigene private Altersvorsorge zu investieren, gehindert.
Der Berliner Mieterverein plädiert daher für einen Richtungswandel. Statt Altersvorsorgekapital in die Mietwohnungsmärkte fließen zulassen, bedarf es einer Stärkung der gesetzlichen Altersversorgung. Es reicht, wenn Einzeleigentum in Ein- und Zweifamilienhäusern sowie in neugebauten Mehrfamilienhäusern realisiert werden kann.
Auch bei der Unterstützung der Kommunen zur Sicherung bezahlbaren Wohnraums besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf im Gesetzentwurf.
Von den fünf Maßnahmen in der Gesetzesnovelle zur Aktivierung von Bauland und Sicherung bezahlbaren Wohnraums können die Maßnahmen: „Stärkung“ des Vorkaufrechts, „Stärkung“ des Baugebots und auch Einführung der städtebaulichen Konzepte nur dann erfolgreich sein, wenn die gemeindliche Intervention nicht zu den Verkehrswerten erfolgt, sondern zu deutlich niedrigeren Kaufpreisen. Doch gerade zur Preislimitierung bringt der Gesetzentwurf keine Verbesserungen. Wirksame Effekte zur dringend notwendigen Dämpfung des Bodenpreisniveaus werden daher von dem geplanten Gesetz nicht ausgehen, auch nicht bei den geplanten anderen Maßnahmen
Auf die Notwendigkeit der Preislimitierung weist folgende, für Ballungsräume vermutlich nicht untypische Entwicklung des Berliner Grundstücksmarktes hin:
Der Durchschnittspreis für den Kauf unbebauter Grundstücke lag in 2019 bei 6.816 EUR/qm, fünf Jahre zuvor bei 1.878 Euro/qm. Das ist ein Anstieg um 263 %!
Die Bodenrichtwerte für unbebautes Land in Wohngebieten mit geschlossener Bauweise und mittlerer Wohnlage lagen im Jahr 2014 zwischen 240 und 660 Euro/qm (Westteil der Stadt), in Kern- und Mischgebieten (ohne Alexanderplatz, Pariser Platz, Potsdamer Platz, etc.) zwischen 1500 und 3.000 Euro/qm. Zum 1.1.2019, also nur fünf Jahre später, waren die Bodenrichtwerte in Wohngebieten mit geschlossener Bauweise und mittlerer Wohnlage auf 650 bis 1.200 Euro/qm angestiegen, in den Kern- und Mischgebieten auf 4.500 bis 10.000 Euro/qm.
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Eingriffsmöglichkeiten für die Kommunen bleiben daher infolge der anhaltenden Finanzschwäche der Kommunen ohne Preislimitierungen reine Makulatur.
09.11.2020