Leitsatz:
Zum Anspruch des Mieters auf Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen bei nicht (fristgerecht) erteilter Abrechnung des Vermieters.
BGH vom 7.7.2021 – VIII ZR 52/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 21 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung, wonach ein Mieter nach Ende des Mietverhältnisses die Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen nur verlangen kann, soweit er zuvor keine Möglichkeit hatte, seinen Abrechnungsanspruch durch die Zurückbehaltung der laufenden Vorauszahlungen durchzusetzen.
Hier lief das Mietverhältnis von März 2012 bis April 2017. Ab September 2016 zahlte der Mieter keine Betriebskostenvorschüsse mehr. Erstmals Ende des Jahres 2016 forderte der Mieter die Vermieterin, die seit Vertragsbeginn keinerlei Betriebskostenabrechnungen erteilt hatte, vergeblich zur Abrechnung über die Betriebskosten auf. Nach Ende des Mietverhältnisses forderte der Mieter die in den Jahren 2014 bis 2016 geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen zurück, weil die Vermieterin pflichtwidrig keine Betriebskostenabrechnung vorgelegt habe.
Das Landgericht gab dem Mieter Recht. Nicht so der BGH: Dem Mieter stehe ein Anspruch auf Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen aufgrund fehlender Betriebskostenabrechnungen durch die Vermieterin nicht für den gesamten Zeitraum von 2014 bis 2016 zu.
Nach § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BGB sei über die Vorauszahlungen für Betriebskosten jährlich abzurechnen. Komme der Vermieter dem nicht (fristgerecht) nach, könne der Mieter bei beendetem Mietverhältnis die Vorauszahlungen ohne den zeitraubenden Umweg über eine (Stufen-)Klage auf Erteilung der Abrechnung sogleich zurückverlangen. Diese ergänzende Vertragsauslegung beruhe auf der Überlegung, dass der Vermieter sonst in der Lage wäre, die Fälligkeit eines Erstattungsanspruchs des Mieters nach Belieben hinauszuzögern, so dass die Abrechnungsfrist (§ 556 Abs. 3 Satz 2 BGB) ohne praktische Bedeutung bliebe.
Hingegen bestehe bei Fortdauer des Mietverhältnisses kein Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung, denn der Mieter sei durch ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) an den laufenden Vorauszahlungen hinreichend geschützt, wenn der Vermieter die abgelaufene Periode nicht fristgerecht abrechne. Ein Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der für die nicht fristgemäß abgerechneten Betriebskosten geleisteten Vorauszahlungen komme in diesem Fall mangels Bestehens einer ausfüllungsbedürftigen Vertragslücke nicht in Betracht.
Das Gleiche gelte bei einem beendeten Mietverhältnis für die Abrechnungsperioden, für die die Abrechnungsfrist noch während des Mietverhältnisses abgelaufen war. Insoweit sei der Mieter nicht schutzbedürftig, denn er hätte während des Mietverhältnisses die Möglichkeit gehabt, die laufenden Vorauszahlungen einzubehalten, sich so schadlos zu halten und auf den Vermieter Druck zur Erteilung der geschuldeten Abrechnung auszuüben.
Danach stehe dem Mieter hier für das Jahr 2014 ein Rückzahlungsanspruch nicht zu. Denn die Abrechnungsfrist hierfür endete mit dem Ablauf des Jahres 2015 und damit noch während des Mietverhältnisses. Somit hätte der Mieter noch im (gesamten) Jahr 2016 sein Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Vorauszahlungen ausüben können und sei hierdurch ausreichend geschützt, so dass die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht vorlägen.
Die im Jahr 2016 geleisteten Vorauszahlungen könne der Mieter jedoch zurückfordern, weil die bis Ende 2017 laufende Abrechnungsfrist bei Ende des Mietverhältnisses im April 2017 noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Interessant ist, dass der BGH ausdrücklich einen Rückforderungsanspruch für die Periode 2016 zubilligt und ausdrücklich einen solchen für die Periode 2014 verneint. Zur Abrechnungsperiode 2015 jedoch schweigt das Gericht. Und hier liegt auch eine Problematik. Zwar lag der Ablauf der Abrechnungsperiode für 2015 mit dem 31.12.2016 noch vor dem Ende des Mietverhältnisses am 30.4.2017. Der Mieter hätte aber das Zurückbehaltungsrecht in Höhe der zwölf Betriebskostenvorschüsse für 2015 in den verbleibenden vier Monaten des Jahres 2017 nicht realisieren können. Deshalb besteht nach der hier vertretenen Auffassung auch für die Abrechnungsperiode 2015 ein Anspruch auf Rückzahlung der Betriebskostenvorschüsse.
28.11.2021