Leitsatz:
Eine Bestimmung in einem Formularmietvertrag über Wohnraum, wonach die ordentliche Kündigung innerhalb der ersten zwei Jahre nach Vertragsschluss für beide Seiten ausgeschlossen ist, ist nicht nach § 307 BGB unwirksam (Fortführung des Senatsurteils vom 22.12.2003 – VIII ZR 81/03, NJW 04, 1448).
BGH v. 30.06.2004 – VIII ZR 379/03 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 9 Seiten]
Kündigungsausschluss formularvertraglich wirksam?
Von Frank Maciejewski
Mit Urteil vom 22. Dezember 2003 (MM 04, 119 mit Anmerkung in MM 04, 97) hatte der BGH in Aufsehen erregender Weise entschieden, dass auch in nach dem 1. September 2001 abgeschlossenen, auf unbestimmte Zeit laufenden Mietverträgen das Kündigungsrecht des Mieters für mindestens fünf Jahre ausgeschlossen werden darf. Dieses Urteil hatte eine Individualvereinbarung über den Kündigungsverzicht des Mieters zum Gegenstand gehabt. Nunmehr gibt es eine erste Entscheidung des BGH zu einem formularvertraglich getroffenen Kündigungsausschluss: „Eine Bestimmung in einem Formularmietvertrag über Wohnraum, wonach die ordentliche Kündigung innerhalb der ersten zwei Jahre nach Vertragsschluss für beide Seiten ausgeschlossen ist, ist nicht nach § 307 BGB unwirksam“ (BGH, Urteil vom 30.6.04 – VIII ZR 379/03 -).
Die zu beurteilende formularvertragliche Klausel unter der Überschrift „Mietdauer“ lautete: „Die Parteien verzichten wechselseitig für die Dauer von zwei Jahren auf ihr Recht zur Kündigung dieses Mietvertrages. Eine Kündigung ist erstmalig nach Ablauf eines Zeitraumes von zwei Jahren mit der gesetzlichen Frist zulässig. Von dem Verzicht bleibt das Recht der Parteien zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund und zur außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist unberührt.“
Der BGH sieht in dieser Klausel keine unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne von § 307 BGB, weil sie für beide Seiten gelten soll. Der achte Zivilsenat des Bundesgerichtshofes verweist darauf, dass auch der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass nach der Reform des Mietrechts die Möglichkeit besteht, einen unbefristeten Mietvertrag zu schließen und für einen bestimmten, vertraglich festgelegten Zeitraum das Recht zur ordentlichen Kündigung auszuschließen. Damit liege eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB schon nicht vor. Auch § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB greife nicht ein. Insbesondere gebiete der Schutzzweck des §573 c Abs. 4 BGB keine Einschränkung der Zulässigkeit eines Kündigungsverzichts.
Mit dieser Entscheidung ist einiges geklärt, anderes jedoch nach wie vor offen:
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Sicher ist, dass ein formularvertraglicher einseitiger Kündigungsverzicht des Mieters nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist.
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Unwirksam ist eine für beide Seiten geltende Vereinbarung, die nicht allein das Recht zur ordentlichen Kündigung ausschließt, sondern sich auch auf die außerordentlichen fristgemäßen und fristlosen Kündigungsrechte erstreckt. Denn darin liegt ein Verstoß gegen § 569 Abs. 5 BGB, welcher im Ergebnis zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters nach §307 BGB führt (vgl. Fischer WM 04, 123; Hinz WM 04, 126).
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Offen ist, für wie viele Jahre ein Kündigungsausschluss maximal formularvertraglich vereinbart werden darf. Kandelhard (WM 04, 129) hält einen beiderseitigen formularvertraglichen Kündigungsausschluss nach §307 Abs. 1 BGB für unwirksam, wenn er die Dauer von drei Jahren überschreitet.
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Ungeklärt ist ebenfalls, ob eine formularvertragliche Verlängerungsklausel („Das Mietverhältnis wird auf zwei Jahre fest abgeschlossen. Es verlängert sich auf unbestimmte Zeit, wenn es nicht gekündigt wird.“) wirksam ist. Hinz (WM 04, 126) hält dies für zulässig.
Ergebnis: Es ist nach wie vor grundsätzlich zulässig, den Mieter über einen formularvertraglichen Kündigungsausschluss für längere Zeit an das Mietverhältnis zu binden. Jedoch dürfte bei weitem nicht jede Formularklausel wirksam sein.
09.05.2017