Leitsatz:
Der Mieter ist gemäß §§ 535, 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er eine in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem ausgefallenen farblichen Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird.
BGH v. 6.11.2013 – VIII ZR 416/12 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 10 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Schönheitsreparaturen waren nicht wirksam auf die Mieter überwälzt worden. Die Mieter gaben bei Mietende nach zweieinhalbjähriger Mietdauer die in weißer Farbe frisch renoviert übernommenen Räume einer Doppelhaushälfte in kräftigen Farben (rot, gelb, blau) zurück. Einem Nachmieter war das zu bunt. Deshalb ließ der Vermieter die Wohnung renovieren und wendete hierfür einen Betrag von 3648,82 Euro auf, den er gegenüber den Mietern als Schadenersatzanspruch geltend machte. Der BGH gab dem Vermieter dem Grunde nach Recht, gewährte aber einen Abzug neu für alt in Höhe von rund 26 Prozent, so dass die Mieter noch 2686,66 Euro zahlen mussten.
Die Begründung des BGH lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Vermieter und Mieter müssen bei der Gebrauchsüberlassung beziehungsweise Nutzung der Wohnung auf die Interessen des jeweils anderen Vertragspartners Rücksicht nehmen (§ 241 Abs. 2, § 242 BGB). So hat der Mieter das berechtigte Interesse, die Wohnung während der Mietzeit nach seinem persönlichen Geschmack zu dekorieren, während das berechtigte Interesse des Vermieters dahin geht, die Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses in einem Dekorationszustand zurückzuerhalten, der dem Geschmack eines größeren Interessentenkreises entspricht und somit einer baldigen Weitervermietung nicht entgegensteht.
Der Mieter verletzt seine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2, § 242 BGB, wenn er die in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird.
Der Schadenersatzanspruch des Vermieters beruht in diesem Fall auf §§ 535, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 242 BGB.
Der Schaden des Vermieters besteht darin, dass er die für breite Mieterkreise nicht akzeptable Art der Dekoration beseitigen muss.
Die Mieter haben aber nicht für Abnutzungserscheinungen, die auf einem vertragsgemäßen Mietgebrauch beruhen, aufzukommen, sondern müssen nur die darüber hinausgehenden Mehrkosten unter Berücksichtigung eines Abzugs „neu für alt“ ersetzen. Der Abzug neu für alt ist vorzunehmen, weil der Vermieter durch die Zahlung des Schadensersatzes im Ergebnis eine vollständig renovierte Wohnung zurückerhält, wenn er – wie hier – keinen Anspruch gegen den Mieter auf Durchführung der Schönheitsreparaturen oder auf Zahlung eines anteiligen Betrages hierfür gehabt hat und er deshalb ohne die farbliche Verunstaltung des Mieters ein unrenoviertes Haus mit normalen Gebrauchsspuren nach längerer Nutzungsdauer zurückerhalten hätte.
Aus dem „Raucher-Urteil“ des BGH (vom 5.3.2008 – VIII ZR 37/07) ergibt sich nichts anderes. Denn diese Entscheidung betraf die Frage, wann beim Rauchen die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs überschritten sind. Um Abnutzung der Mieträume geht es bei deren farblicher Gestaltung in ungewöhnlichen Farben jedoch nicht. Maßnahmen zu deren Beseitigung sind deshalb im Rechtssinne auch keine Schönheitsreparaturen: Der Schadensersatzanspruch des Vermieters besteht auch dann, wenn die Mieter die Wohnung kurz vor Mietvertragende frisch renovieren, aber dabei „ungewöhnliche“ Farben verwenden. Soweit der BGH.
Es bleiben in Fällen wie dem Vorliegenden auch nach der BGH-Entscheidung immer noch zwei Unabwägbarkeiten: Wo genau verläuft die Grenze zwischen (noch) neutraler farblicher Gestaltung und unzumutbarer Farbgebung? Wie ist im Einzelnen der Abzug neu für alt zu bemessen?
28.06.2017