Leitsatz:
Die Vorlage einer „frei erfundenen“ Vorvermieterbescheinigung stellt eine erhebliche Verletzung (vor)vertraglicher Pflichten dar, die eine Vertragsfortsetzung für den Vermieter unzumutbar machen und somit eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.
BGH vom 9.4.2014 – VIII ZR 107/13 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 9 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis fristlos, weil der Mieter die Mietschuldenfreiheitsbescheinigung gefälscht habe. Weder habe der Mieter an der angegebenen Adresse gewohnt noch mit dem genannten Vermieter in dem genannten Zeitraum überhaupt einen Mietvertrag abgeschlossen. Vielmehr sei er in der fraglichen Zeit Mieter einer in einem anderen Stadtteil gelegenen Wohnung der H. Siedlungsgesellschaft gewesen. Der Mieter musste den Vorwurf einräumen. Seine Verteidigung ließ der BGH nicht gelten.
Eine gefälschte oder „frei erfundene“ Vorvermieterbescheinigung stelle eine erhebliche Verletzung (vor)vertraglicher Pflichten dar, die eine Vertragsfortsetzung für den Vermieter unzumutbar mache und die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen könne. Die Pflichtverletzung entfalle nicht deswegen, weil die in dem Formular über das vorangegangene Mietverhältnis gestellten Fragen unzulässig gewesen wären und es dem Mieter deshalb freigestanden hätte, insoweit unwahre Angaben zu machen. Fragen nach der Person und Anschrift des Vorvermieters, der Dauer des vorangegangenen Mietverhältnisses und der Erfüllung der mietvertraglichen Pflichten seien – ebenso wie Fragen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen – grundsätzlich geeignet, sich über die Bonität und Zuverlässigkeit des potenziellen Mieters ein gewisses Bild zu machen; es handele sich auch nicht um Fragen, die den persönlichen oder intimen Lebensbereich des Mieters betreffen und aus diesem Grund unzulässig sein könnten.
Zwar habe ein Mieter nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 30. September 2009 – VIII ZR 238/08) keinen Anspruch gegen seinen bisherigen Vermieter auf Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung. Dies führe aber nicht dazu, dass der neue Vermieter vor Abschluss eines Mietvertrages eine diesbezügliche Bescheinigung vom Mietinteressenten nicht erbitten und dieser eine solche Bescheinigung fälschen dürfe.
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29.06.2017